„Rechte Aktivitäten“ in der organisierten Zivilgesellschaft
Der Kasseler Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder hat mit seinen Mitarbeitern eine Studie über die Reaktionen auf „rechte Aktivitäten“ in der organisierten Zivilgesellschaft erstellt. Sie macht auf bestehende Sensibilitäten aufmerksam, problematisiert aber auch mitunter fehlende interne Entschlossenheit zu Konsequenzen.
Man kann ein formales und ein normatives Verständnis von Zivilgesellschaft unterscheiden. Die letztgenannte Auffassung sieht in ihr eine Bastion der Demokratie, was aber die Dominanz einschlägiger Einstellungen voraussetzt. Man kann aber mit dem Begriff auch rein formal nicht-staatliche Bewegungen, Einrichtungen oder Verbände meinen. Dann wäre etwa Pegida ein Teil der Zivilgesellschaft gewesen. Das gemeinte Begriffsdilemma wurde einmal in einem entsprechenden Buchtitel deutlich: „Pegida. Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft“.
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder, der das Fachgebiet „Politisches System der Bundesrepublik Deutschland – Staatlichkeit im Wandel“ als Professor an der Universität Kassel leitet, plädiert daher für ein eher formales Verständnis. Mit dieser Ausrichtung fragt er danach, welchen Einfluss Rechtsextremismus und Rechtspopulismus eben auf die Zivilgesellschaft haben. Erste Forschungsergebnisse dazu liegen in einer Monographie bzw. Studie zum Thema vor.
Fragen nach der Widerstandskraft in der organisierten Zivilgesellschaft
Sie ist mit „Einfallstor für rechts? Zivilgesellschaft und Rechtspopulismus in Deutschland“ überschrieben und wurde neben Schroeder von dessen Mitarbeitern Samuel Greef, Lukas Heller, Saara Inkinen und Jenifer Ten Elsen verfasst. Genau gefragt werden soll darin nach dem „Zustand der Zivilgesellschaft … mit dem Ziel …, die Strukturen der Resilienz in der Zivilgesellschaft analytisch zu durchdringen und besser zu verstehen. Gemeint ist damit die Widerstandskraft der organisierten zivilgesellschaftlichen Akteure“. Um hier Antworten zu geben, wurden umfangreiche Daten erhoben.
Dazu entwarfen die Forscher einen umfangreichen Fragenkatalog, der auf drei Fragenkomplexe bezogen war: „Wahrnehmung und Bewertung rechter politischer Aktivitäten“, „Themen, Handlungsfelder und –formen rechter Aktivitäten“ und „Zivilgesellschaftliche Reaktionen“. Über 1.000 Akteure aus den gemeinten Subsystemen antworteten. Darüber hinaus wurden noch 70 Experteninterviews geführt, was für eine breite empirische Basis steht.
Einheitliches Analyseraster erleichtert den systematischen Vergleich
Mit den angesprochenen Subsystemen der Zivilgesellschaft waren gemeint: Freiwillige Feuerwehren, Fußballvereine, Gewerkschaften, Kirchen, Kultureinrichtungen, Naturschutzverbände, Schützenvereine und Wohlfahrtsverbände. Ihnen sind einzelne Kapitel gewidmet, worin es jeweils um „Bezugspunkte und Wahrnehmung rechter Aktivitäten“, „rechte Aktivitäten“ und „Umgang und Unterstützung“ geht. Die einheitliche Analyseausrichtung erleichtert dann später den systematischen Vergleich.
Bezogen auf den definitorischen Ausgangspunkt sei noch darauf verwiesen, dass hier Rechtsextremismus und Rechtspopulismus unter „Rechte“ gefasst, aber gleichwohl hinsichtlich der negierenden und positiven Einstellung zum politischen System unterschieden werden. Inwieweit dies eine zutreffende Einschätzung für die als rechtspopulistisch markierten Protagonisten ist, wäre sicherlich für eine Diskussion noch eine gesonderte Fragestellung. Für den hier gewählten Forschungsansatz spielt dieser Gesichtspunkt aber keine zentrale Rolle.
Allgemeine Distanzierungen, mitunter fehlende Konsequenz
In der Bilanz wird ein differenziertes Ergebnis formuliert, was sich nicht für einfache Schlagzeilen eignet und gerade deswegen mit für Seriosität spricht. Die Autoren gehen von einer demokratischen Sensibilität in der organisierten Zivilgesellschaft aus. Meist dominiere die inhaltlich-kommunikative Abgrenzung mit Bezug auf verfassungsbezogene Werte. Abmahnungen, Entlassungen oder Sanktionen gegenüber den eigenen Mitgliedern seien demgegenüber nicht die Regel. Man entscheide im Einzelfall nach Güterabwägung und nicht als Regelfall. Es heißt dann auch: „Insgesamt aber erscheint die organisierte Zivilgesellschaft nur bedingt in der Lage, eigenständig, pro-aktiv und souverän handlungswillig und –fähig zu sein“.
Dabei sind auch die Gründe und Handlungsoptionen jeweils ein wichtiges Thema. Bilanzierend werden differenziere Betrachtungen zu einschlägigen Defiziten vorgetragen, welche auch und gerade innerhalb Organisationen der Zivilgesellschaft angegangen werden sollten.
Wolfgang Schroeder/Samuel Greef/Jennifer Ten Elsen/Lukas Heller/Saara Inkinen, Einfallstor für rechts? Zivilgesellschaft und Rechtspopulismus in Deutschland, Frankfurt/M. 2022 (Campus-Verlag), 348 S.