Rassistische Hetzjagd
Pegida-Anhänger sollen bei der Kundgebung vor Heiligabend in Dresden unbeteiligte Jugendliche angegriffen haben. Eine 15-Jährige wurde verletzt. Die Polizei verweigerte dem Opfer die Anzeige.
Am 24. Dezember nahm die 15-jährige Wadha ihren ganz Mut zusammen, um gemeinsam mit ihrer Mutter bei der Polizei Anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten. Doch sie seien auf dem Dresdner Revier in der Schießgasse abgewiesen worden, man habe ihr nicht geglaubt, berichtete die junge Frau.
Sie gehörte zu einer Gruppe von rund 30 Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die sich wie üblich auch zwei Tage zuvor im Einkaufszentrum Centrum Galeria nahe dem Dresdner Hauptbahnhof getroffen hatten. Gegen 20.30 Uhr an diesem Montag ging ganz in der Nähe die Pegida-Kundgebung zu Ende und 17 500 Teilnehmer strömten durch die Stadt. Plötzlich stürmte eine größere Gruppe Vermummter mit Dynamo Dresden-Schals ins Shoppingcenter und begann, die jungen Leute zu jagen.
Wadha, die wegen eines Asthmaleidens nicht schnell genug fliehen konnte, fiel hin. Am Boden liegend wurde dem Mädchen ins Gesicht und auf den Oberkörper geschlagen. Sie trug ein Veilchen und eine geprellte Rippe davon. Andere Jugendliche wurden in Richtung Prager Straße gehetzt. Sie erinnern sich, dass „normale“ Bürger zusahen, sogar noch geklatscht hätten.
„Vorfall erinnert an den Horror der 90er Jahre“
Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen hat Anzeige erstattet. Der Prävventionsexperte betreut die Jugendgruppe. Für ihn ist es unerklärlich, warum die Polizei der 15-Jährigen nicht glaubte und deren Verletzungen scheinbar nicht ernst nahm. „Das Centrum ist als Treffpunkt von jugendlichen Migranten bekannt“, sagt Starosta. Ihm berichteten die betroffenen jungen Leute, die Angreifer hätten „Scheiß- Kanacken“ und „Wir sind das Volk“ gebrüllt, Messer, Schlagstöcke und Taser dabei gehabt. Es herrschte große Panik. Jugendliche flohen über die Rolltreppen, schlossen sich in Toiletten ein. Zwei Personen sollen von Tasern getroffen zu Boden gegangen sein. Einigen gelang es die, Ausgänge zu erreichen.
„Der Vorfall erinnert mich sehr an den Horror der 90er Jahre“, betont Starosta. Denn die Jugendlichen erzählten, dass draußen stehende Passanten genauso rassistisch aufgetreten seien und sogar noch Beifall klatschten, als sie die Jagd mitbekamen Die anwesenden Polizeibeamten wären nicht eingeschritten, sagt Starosa. Die verletzte Wadha musste im Krankenhaus behandelt werden.
Nach dieser Hetzjagd kam es in der Prager-Straße vor dem Einkaufszentrum zu einem weiteren Angriff, bei dem ein 24-jähriger Pegida-Teilnehmer durch einen Messerangriff verletzt worden sein soll. Der Übergriff vom 22. Dezember gegen die Jugendlichen mit Migrationshintergrund wurde bisher öffentlich nicht bekannt. Starosta erklärt: „Die Jugendlichen waren nicht bewaffnet, sie wollten ‚shoppen!’“. Die meisten von ihnen sind kurdischer Abstammung. Vor einem Jahr drehte Starosta gemeinsam mit ihnen den Film „Wenn wir reden… Akzeptanz ist keine Pflicht, sondern selbstverständlich“. Die junge Wadha fand bei der Polizei hingegen kein Verständnis.