Rezension

Querfront? Wohl eher unwahrscheinlich!

Eine aus Links- wie Rechtsextremisten bestehende Querfront ist eher unwahrscheinlich, was eine entsprechende Analyse von Fallbeispielen veranschaulicht. Für die Einschätzung gibt es gute Gründe, hätten doch beide Seiten nicht viel zu gewinnen.

Dienstag, 26. März 2024
Armin Pfahl-Traughber
 Wie kaum ein anderer wirbt Jürgen Elsässer regelmäßig für eine Querfront, Foto: Screenshot Compact-Magazin
Wie kaum ein anderer wirbt Jürgen Elsässer regelmäßig für eine Querfront, Foto: Screenshot Compact-Magazin

Wie wahrscheinlich ist eine gemeinsame Kooperation von Links- und Rechtsextremisten gegen eine Republik? Diese Frage kommt bei einer entsprechenden Nähe immer wieder auf, wobei dann Querfront das gemeinte Stichwort ist. Die Bezeichnung entstand in den Krisenjahren der Weimarer Republik, eine solche Annäherung nahm man damals als Bedrohung wie Hoffnung wahr. Die jeweilige Auffassung hing verständlicherweise vom politischen Interesse ab. Gleichwohl scheiterten derartige Ansätze sehr schnell, und auch in den folgenden Jahrzehnten änderte sich daran nichts.

Doch welche Bedingungsfaktoren waren für diese Entwicklung entscheidend? Dieser Frage ging in seiner Masterarbeit Jan-Hinrick Pesch nach. Deren Buchausgabe erschien mit dem Titel: „Das Scheitern der Querfront und seine Ursachen. Eine Studie zu Fällen aus dem Links- und Rechtsextremismus der Weimarer Republik und der Bundesrepublik Deutschland“. Es soll also nicht nur um eine Beschreibung historischer Fälle, sondern auch um eine Erklärung von diesem Scheitern gehen.

Sechs Fallbeispiele in systematischer Untersuchung

Der Analyse vorangestellt sind methodische Betrachtungen, die sich auf die Formen einer Querfront beziehen oder den Status von Wirkungsfaktoren veranschaulichen. Dadurch entwickelt der Autor ein dreiteiliges Untersuchungsraster, bezogen auf die erreichte Entwicklungsform der Querfront, sowie dann auf den Bedingungsfaktor der Ideologie und der Strategie. Der Ansatz ermöglicht es ihm, eine systematische Untersuchung vorzunehmen. Es geht erstens um den Fall der „Kommunistischen Partei Deutschlands“ im Jahre 1923 und zweitens den Fall der „Kampfgemeinschaft Revolutionäre Nationalsozialisten“ in den Jahren 1930 und 1931.

Dem folgen für die Bundesrepublik drittens der Fall der „Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisationen“ in den 1970er Jahren, viertens der Fall der rechtsterroristischen „Hepp Kexel-Gruppe“ in den 1980er Jahren, fünftens der Fall des neonazistischen „Kampfbundes Deutscher Sozialisten“ in den 2000er Jahren und sechstens den gegenwärtigen Fall von „Compact“ als Monatsmagazin.

Interesse (fast) nur von rechts

Abschließend trägt der Autor seine Befunde zusammen: „Kein einziger Fall ging über das Stadium einer angestrebten Querfront hinaus; alle scheiterten vor der Schwelle eines tatsächlichen Schulterschlusses“. Demgemäß muss dieses Ergebnis auch schon in einem sehr frühen Stadium erkennbar gewesen sein. Auffällig ist auch, dass lediglich im ersten Fall von links die Hand ausgestreckt wurde; in allen anderen Fällen war es genau umgekehrt. Hinzu kam bezogen auf die damalige Ausrichtung der KPD, dass diese Linie von Moskau vorgegeben war.

Zu den bundesdeutschen Fallbeispielen heißt es: „Die untersuchten Querfront-Initiativen … lebten im Wesentlichen von publizistischen beziehungsweise propagandistischen Taten der Urheber“. Und bezüglich der konkreten Gründe schlussfolgert dann Pesch: „Die untersuchten Querfront-Projekte gingen nicht mit einer Win-Win-Situation einher, in der beide Seiten nennenswerten Profit bei minimalen Nachteilen oder gar ohne Kosten hätten einstreichen können“.

Kein Nutzen, keine Querfront

Die Erklärung ist somit so einfach wie überzeugend. Welchen Nutzen hätten denn die jeweiligen Partner haben können? Der Autor nennt noch weitere Detailfaktoren, die gegen eine funktionierende Querfront als gemeinsames Projekt sprechen. Daraus lässt sich die allgemeine Einsicht ableiten, dass eine solche Kooperation schwerlich funktioniert. Auch das derart orientierte Compact-Magazin hat solche Überlegungen bezogen auf Sahra Wagenknecht schon längst eingestellt. Hier käme wohl noch ein wahrscheinlicher Ansehensverlust im eigenen politischen Lager hinzu.

Insgesamt hat man es bei der Arbeit mit einer überzeugenden Analyse zu tun. Viele Hypothesen wurden aufgestellt und dann kritisch von Pesch geprüft. Er spricht auch offene Fragen an, insgesamt hat man es mit einer runden Studie zu tun. Interessant wären noch Erörterungen, inwieweit es sich in anderen Ländern anders verhalten hat oder verhalten würde. Aber für Deutschland, das zeigt die gelungene Untersuchung, dürfte so etwas keine große Wahrscheinlichkeit haben.

Jan-Hinrick Pesch, Das Scheitern der Querfront und seine Ursachen. Eine Studie zu Fällen aus dem Links- und Rechtsextremismus der Weimarer Republik und der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 2024 (Tectum-Verlag), 143 Seiten

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