„Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“

„Querfront-Friedenspartei“: Früherer Islamfeind und Islamist Seit’ an Seit’

Am Samstag wollen Putin-Anhänger und Rechtsextreme am Brandenburger Tor gegen die NATO demonstrieren. Dem krude anmutenden Bündnis, das jetzt auch eine Partei gegründet hat und zu Wahlen antreten will, gehört auch ein früherer Linksterrorist und nunmehr gläubiger Muslim an.

Freitag, 08. September 2023
Michael Klarmann
Protest von „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“ gegen die Karlspreis-Verleihung 2023 in Aachen. Foto: Michael Klarmann
Protest von „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“ gegen die Karlspreis-Verleihung 2023 in Aachen. Foto: Michael Klarmann

„Raus aus der NATO“, lautet das Motto der Versammlung am Samstag in Berlin. Die Organisatoren sind in der Vergangenheit bereits mehrfach mit ähnlichen Veranstaltungen im Rheinland und an der US-Airbase Ramstein aufgefallen. Ihre Agitation richtet sich gegen den Westen, die NATO und die Bundesregierung, während Putin gelobt und seine Propaganda verbreitet wird. Am 7. Oktober will die Gruppe wieder in Ramstein auftreten. Motto wie schon im Februar: „Ramstein schließen – Ami go home!“

Der schon vorher aktive, illustre Veranstalterkreis gründete am 6. Mai in Leverkusen den Verein „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“. Als Sitz wurde damals Stößen in Sachsen-Anhalt genannt. Dem Vorstand gehörten im Frühjahr der Ex-AfD-Politiker André Poggenburg (Stößen), der ehemalige „Pro NRW“-Funktionär Markus Beisicht (Leverkusen) und Elena Kolbasnikova (Köln) an.

„Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“

Dem Vorstand gehörten seinerzeit überdies Wjatscheslaw Seewald (Allgäu/Teneriffa), der kürzlich bei einem Autounfall ums Leben gekommene ehemalige AfD-Mann Eugen Walter (Krefeld) sowie Jovica Jovic (Kamp-Lintfort) an. Jovic stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien, ist serbischer Herkunft und ein extremer NATO-Gegner. Seewald wurde in der bayerischen „Verfassungsschutzinformation“ für das erste Halbjahr 2022 als „Reichsbürger und antisemitischer Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet.

Über Elena (Olena) Kolbasnikova und ihren Ehemann Max Schlund (Rostislav Teslyuk) haben die Medien aufgedeckt, dass sie Propagandisten Putins sind und die russischen Truppen in der Ukraine unterstützt haben sollen. Inzwischen werden neue Hilfsaktionen für die Menschen im Donbass organisiert, die nichtmilitärischen Charakter haben sollen. Im Juni verurteilte das Amtsgericht Köln Kolbasnikova in erster Instanz wegen Billigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zu einer Geldstrafe.

Ein jüdischer Kontingentflüchtling?

Medienberichten zufolge laufen weitere Ermittlungsverfahren gegen das Ehepaar. Am 21. August stürmte ein SEK ihre Kölner Wohnung im Rahmen von Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Möglicherweise geschah dies jedoch lediglich wegen einer Anscheinswaffe. Kolbasnikowa hat vor wenigen Wochen dem Portal „T-Online“ gesagt, sie sei in der Ukraine geboren. Wegen ihrer Meinung und Aktionen habe sie seit 2014 – Euromaidan und Besetzung der Krim – keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie.

Die „Friedensaktivistin“ sagte dem Portal auch, sie sei 1996 nach Deutschland gekommen. Sie gab an, im Rahmen der Regelung für „jüdische Kontingentflüchtlinge“ eingewandert zu sein. Jüdische Vorfahren könnten aber weder von unabhängiger Seite bestätigt werden, noch habe Kolbasnikova nachweisen wollen, wer in ihrer Familie einen jüdischen Hintergrund habe, stellte „T-Online“ fest. Sie selbst und Mitstreiter, die russische Wurzeln haben, traten bei Kundgebungen zuweilen in Uniformen der Roten Armee oder zumindest in Uniformteilen auf. Das illustrierte allerdings weniger eine Vorliebe für den Kommunismus, als vielmehr den Hang zum russischen Nationalismus.

„Querfrontliste“ für Brüssel

Am 31. August will dieser illustre Kreis eine Partei gegründet haben, die als „Querfront-Friedenspartei“ angekündigt wird. Der Name ist derselbe wie der des im Frühjahr gegründeten Vereins. Erstmals zu einer Wahl antreten will „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“ bei der Europawahl 2024. Im Oktober soll ein Parteitag zur Kandidatenaufstellung stattfinden. Dazu heißt es in einer Stellungnahme: „Ziel ist die Aufstellung einer möglichst breiten Querfrontliste […]. Es geht nicht mehr um verschiedene politische Lager, es geht um Krieg oder Frieden in Europa!“

Zur Vorsitzenden wurde Kolbasnikova gewählt. Stellvertreter ist der Leverkusener Markus Beisicht, der früher die muslim- und islamfeindliche sowie rechtsextreme Splitterpartei „Pro NRW“ führte. Das Amt des Generalsekretärs bekleidet Jovic. Zum Schatzmeister wurde Bernhard Falk gewählt. Er hatte bereits an früheren Protestaktionen der Gruppe teilgenommen – und hat eine der schillerndsten Biografien in der Truppe. Eine Konstante scheint dabei sein Antiimperialismus und die Gegnerschaft zum „US-Imperialismus“ zu sein.

Al-Qaida-Anhänger an Beisichts Seite?

Falk war Mitglied der linksextremistischen Terrorgruppe „Antiimperialistische Zellen“ (AIZ). Nach mehreren Anschlägen Anfang der 1990er Jahre wurden er und ein Mitstreiter vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu hohen Haftstrafen verurteilt. Er konvertierte zum Islam und wurde 2008 aus der Gefängnis entlassen. Danach war er in der salafistischen Szene aktiv und betrieb „Gefangenenhilfe“ für terrorverdächtige Islamisten. 2015 nannte die „Welt“ Falk einen „Al-Qaida-Anhänger“.

 

Auf ihren Kanälen in den Sozialen Medien und via Messenger sind die Veranstalter der Berliner Demonstration bemüht darum, populistisch eine Großdemo anzukündigen. Ob ihnen eine solche am Samstag gelingt, dürfte ungewiss sein. Viele andere Protestaktionen und der letzte Autokorso in Köln floppten. Gelungen war dem Bündnis jedoch eine Großdemonstration im Februar in Ramstein. Neben Rednern aus der rechtsextremen Szene trat auch Christina Baum (AfD) ans Mikrophon.

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