Schlechteste Beteiligung aller bisherigen Volksbegehren
Querdenker-Volksbegehren scheitert klar
Zwei Wochen konnten sich in Bayern Unterstützer des Volksbegehren zur Auflösung des Landtages eintragen. Nun ist das vorläufige Ergebnis da: Das Vorhaben, das sich stark auf die Querdenker-Szene und die bayerische AfD stützte, ist klar gescheitert. Mit so geringer Beteiligung wie noch nie.
Eine Million Unterschriften wären nötig gewesen, um die nächste Hürde auf dem Weg zur Auflösung des Landtages zu nehmen und zum Volksentscheid zu kommen. Es wurden laut einer Meldung des Landeswahlleiters aber gerade mal 204.135 Unterzeichner, was einer Zustimmung unter den Stimmberechtigten von 2,15 Prozent entspricht. Etwas über 10 Prozent hätte es gebraucht.
Die Initiatoren des Volksbegehrens „Landtag abberufen“ waren mit der Aussage angetreten, sie wollten Geschichte schreiben. Das haben sie auch im gewissen Sinne. Laut einer Übersicht beim Verein „Mehr Demokratie e.V.“ haben bisher alle Volksbegehren in Bayern mindestens 2,3 Prozent Zustimmung erhalten. Damit geht die „Volksinitiative“ in die bayerische Geschichte ein als das Begehren mit dem geringsten Zuspruch.
Die Beteiligung war regional verschieden, aber überall unzureichend für einen Erfolg. In Coburg und Würzburg unterzeichneten nicht mal 1 Prozent der Stimmberechtigten, größer war der Zuspruch im Südosten Bayerns. In den Landkreisen Rosenheim und Traunstein lag er über 4 Prozent. Herausragen bei den Ergebnissen soll etwa die Stadt Freilassing direkt an der Grenze zu Österreich im Landkreis Berchtesgadener Land mit 4,74 Prozent Beteiligung. Auch das ist noch unter der Hälfte, was nötig gewesen wäre.
Maßgeblich eine Querdenker-Initiative
Erfolgreiche Volksbegehren im Freistaat wurden meist von einem Bündnis aus mitgliederstarken Verbänden, Parteien und Gewerkschaften getragen. Das fehlte hier beinahe komplett. Wie berichtet, hatte selbst die ÖDP, die über viel Erfahrung verfügt, abgewunken und wollte nichts mit dem Volksbegehren zu tun haben, weil es aus der Querdenker-Szene stammte.
Der engere Initiatorenkreis um den früheren Unternehmer Gerhard Estermann und Joachim Layer bemühte sich dann auch öffentlich um eine formale Abgrenzung. So habe Layer nie an einer Demo teilgenommen und die Querdenker seien eher Hilfspersonen als Akteure. Das Bemühen blieb allerdings weitgehend erfolglos und „Landtag abberufen“ in der Wahrnehmung nicht zu Unrecht das „Querdenker-Volksbegehren“.
Estermann und Layer hatten angegeben, ihre ersten politischen Schritte bei einer der Parteien von Bodo Schiffmann gemacht zu haben. Ihre Wir-Partei ist praktisch ein Teil der Konkursmasse, die der umstrittene Arzt hinterlassen hat. Zudem blieb die Querdenker-Szene der bestimmende Teil in der Außenwahrnehmung der „Volksinitiative“. Estermann und Layer störten sich am Fokus, den Medienberichte vor allem auf den vom Verfassungsschutz beobachteten ehemaligen Polizeibeamten Karl Hilz richteten, trennten sich aber nicht von ihm. Estermann trat selbst mit dem aus der AfD ausgeschlossenen Streamer Stefan Bauer auf.
Hilz war auch der maßgebliche Trommler in der Bewerbung. Ähnlich früherer Querdenker-Touren reiste auch er in einem Bus durch den Freistaat und warb auf Plätzen für das Volksbegehren, zeitweise begleitet von anderen Kadern der Szene wie Wolfgang Greulich oder Ralf Ludwig. Es wurden Demos organisiert wie in Nürnberg, deren Hauptanliegen die Bewerbung des Eintragungszeitraumes war. Parallel zu den offiziellen Flyern gab es auch Material aus der Querdenker-Szene, die hauptsächlich mit der Parole „Söder muss weg“ warben und teilweise mehr Anklang und Verbreitung fanden als die Werbemittel der Initiatoren.
Zum Teil aufwendig – Finanzierung unklar
Die fehlende Verankerung in Vereinen, Verbänden und Gewerkschaften machte sich auch anderweitig bemerkbar. Estermann hatte aus seinem früheren Beruf eine eher von der Wirtschaft geprägte Herangehensweise. Bayern wurde aufgeteilt in die Bezirke und ähnlich wie bei regionalen Vertriebsleitern sollte sich Gruppen um die Bewerbung in der jeweiligen Region kümmern – über extra eingerichtete Telegramm-Kanäle. In einem Interview mit dem rechtaußen Markus Gärtner sagte Estermann, er wollte beim Meinungsforschungsinstitut INSA eine Umfrage in Auftrag geben, wie viele Stimmberechtigte denn schon vom Volksbegehren gehört hätten.
INSA hätte aber den Auftrag nicht angenommen und so fiel die Potentialanalyse aus. Woher das Geld für eine solche gekommen wäre, ist unklar, ebenso wie für die weiteren Werbemittel. Zur Werbung gehörten auch mehrere gecharterte Kleinflugzeuge, die mit Bannern wie „Söder abwählen“ ihre Kreise über dem Freistaat drehten. Diese hätte laut einem Zeitungsbericht der Gräfelfinger Immobilienmanager Norbert B. finanziert. Die Polizei hatte eines dieser Flugzeuge einmal zur Landung gezwungen, weil jemand ein Luftgefährt mit rechtsradikalen Parolen an die Behörden gemeldet hatte und sich ein Flieger auch der Flugverbotszone um das AKW Grundremmingen genähert hätte.
Die Unterstützung des Volksbegehrens durch die AfD war ein erwartbarer Schritt. Schon vor dem offiziellen Beschluss auf dem Wahlparteitag in Greding, über den es in den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Partei keinen Dissens gab, bekundeten Mandatsträger und Funktionäre ihre Unterstützung. Andere Stimmen gab es kaum. Lediglich der Bamberger Landtagsabgeordnete Jan Schiffers bezweifelte gegenüber dem Fränkischen Tag die Sinnhaftigkeit des Volksbegehrens. Neuwahlen würden nichts ändern und für die Auseinandersetzung mit der Staatsregierung gebe es im Landtag die Opposition.
Welchen weiteren Beitrag die Partei geleistet hat – jenseits von Aufrufen über ihre Kanäle, ist unklar, insbesondere ob auch Geld geflossen ist, was zumindest bei anderen politischen Bündnissen üblich wäre. Gut möglich aber, dass die Unterstützung nur rein ideeller Natur war.
Das große Lamentieren
Trotz durchgehender Berichterstattung und Agenturmeldungen zu allen Phasen des Volksbegehrens fühlten sich die Initiatoren und Anhänger von den Medien „totgeschwiegen“. Ralf Ludwig beschwerte sich dagegen in einem Video, eben diese Medien würden durch Beiträge über den schleppenden Verlauf dem Anliegen gezielt schaden wollen. Von Beginn an herrschte zudem in den Telegram-Kanälen Aufregung, ob die Unterzeichner nicht irgendwie bei den Gemeinden betrogen würden, auf falschen Zetteln unterschreiben würden, weil jeweils die vorherigen Unterzeichner datenschutzkonform abgedeckt waren.
Deshalb wurden einige Zeit in Dauerschleife auch Muster der Bögen in den Kanälen geteilt, um die Anhänger zu beruhigen. Auch jetzt nach dem offiziellen Ergebnis wittern viele eine Fälschung, weil bei weitem nicht die Stimmzahlen von Die Basis und der AfD Bayern bei der Bundestagswahl erreicht wurden. Diese hatten viele Aktivisten auf der Habenseite verbucht und auch mit so manchem Wähler der SPD, Freie Wähler oder Grünen gerechnet. Ein weiterer Beleg, wie blauäugig die Querdenker an das Unternehmen Volksentscheid herangingen und die Anstrengungen unterschätzten, die Bevölkerung in dem Zeitraum in die Rathäuser zu bringen.
Es bleibt abzuwarten, wie die Initiatoren auf das Ergebnis reagieren. In Gruppen waren vereinzelt Parolen zu lesen wie „Nach dem Volksbegehren ist vor dem Volksbegehren“. Auch seien schon andere Themen in der Pipeline. Ralf Ludwig und andere haben nun zu ähnlichen Initiativen in allen Bundesländern aufgerufen, etwa mit dem Ziel, den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu schwächen. Auch hier wäre vor allem die AfD als potentieller Bündnispartner wohl schnell wieder mit im Boot. Es würde auch zur Strategie vieler Sektenführer passen, die Anhänger auch nach Fehlschlägen gleich mit neuen Projekten zu beschäftigen und emotional gefangen zu halten. Das verhindert ein Nachdenken oder eine Reflexion über den gerade erlebten Misserfolg und hält die Anhänger politisch und finanziell ausbeutbar.
Ein weiterer Versuch, den Landtag aufzulösen, dürfte in Bayern nicht auf der Tagesordnung stehen. Von der ersten Unterschriftensammlung bis zum gescheiterten Volksbegehren ist ungefähr ein Jahr vergangen. Bayern wählt bereits im Herbst 2023 regulär den Landtag neu.