"Blood and Honour"
Prozess endet mit milden Strafen - ein „Versagen des Staates im Kampf gegen Nazis“
Der Münchener Prozess gegen Mitglieder und Funktionäre des verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerkes endete am Mittwoch mit vergleichsweise milden Strafen. Kritiker:innen sehen das Vereinsverbot in den Urteilen „ad absurdum geführt.“
Nach gerade einmal acht Prozesstagen verkündete das Münchner Landgericht am Mittwoch die Urteile für neun von ursprünglich elf Angeklagten um die Fortführung des im Jahr 2000 vom Bundesinnenministerium verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerkes. Während die Verfahren von zwei Beschuldigten bereits kurz vor bzw. während des Prozesses gegen die Zahlung von Geldauflagen eingestellt wurden, verhängte das Gericht im Falle der verbliebenen neun Angeklagten vergleichsweise niedrige Bewährungs- und Geldstrafen. Das Gericht sah es zwar als erwiesen an, dass das Netzwerk verbotenerweise von den Beschuldigten weitergeführt und somit rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet wurde. Jedoch verständigten sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung schon im Juli auf einen Deal, nach welchem die Angeklagten für vollumfängliche Geständnisse ein niedriges Strafmaß zu erwarten hätten.
Und so endete der Prozess für sechs Männer mit Freiheitsstrafen zwischen acht Monaten sowie einem Jahr und zehn Monaten – in allen Fällen zur Bewährung ausgesetzt. Die übrigen drei Angeklagten erhielten Geldstrafen zwischen 80 und 160 Tagessätzen. Zentraler Vorwurf dabei war der Verstoß gegen das Vereinigungsgebot. So sollen sie spätestens ab Oktober 2016 versucht haben, „Blood & Honour“, benannt nach dem Motto der Hitler-Jugend, in Deutschland wiederaufzubauen. In Zuge dessen soll es zur Gründung einer Division Deutschland sowie regionaler Sektionen in Bayern, Baden-Württemberg, Mitteldeutschland und Thüringen gekommen sein. Das festgelegte Strafmaß orientierte sich dabei an der jeweiligen Funktion, der Dauer der Mitgliedschaft, den jeweiligen konkreten Aktivitäten sowie an etwaigen Vorstrafen der Angeklagten.
Volksverhetzung, verfassungswidrige Symbole & Munitionsfunde
Dies war jedoch nicht der einzige Straftatbestand, der zu einer Verurteilung führte. So fanden auch Volksverhetzung, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie der Besitz von Munition und Pyrotechnik in den Urteilen seinen Ausdruck. Nachdem das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz einige der Angeklagten monatelang observierte, kam es im Dezember 2018 zu einer bundesweiten Razzia. In Zuge dieser stellten die Ermittler:innen neben Merchandising-Artikeln mit dem „Blood & Honour“-Schriftzug auch in Ungarn produzierte und mit Hakenkreuzen verzierte CDs mit volksverhetzenden Liedern sicher.
Darauf vertreten ist auch der 41-jährige, zu einem Jahr und neun Monaten verurteilte Hauptangeklagte Sven B. aus Thüringen. Mit seiner Band „KS3“ soll der mutmaßliche Chef der Division Deutschland und Leiter der Sektion Thüringen das Lied „Holocaust“ beigesteuert haben, in welchem die Band den systematischen Massenmord der Nationalsozialisten an den europäischen Jüd:innen leugnet und die Rückkehr der „Rassengesetze“ fordert. B.s Strafmaß wurde lediglich durch das von Ringo N. übertroffen: Der Sektionsleiter Bayerns erhielt ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung.
„Ich würde jetzt nicht den ganzen Background hier aufklären wollen“
Ebenfalls auf der Anklagebank war der 46-jährige Stanley Röske, welcher als einer der mutmaßlich führenden Köpfe der ebenfalls verbotenen Gruppierung „Combat 18“ gilt, die als „bewaffneter Arm“ von „Blood & Honour“ gehandelt wird. Röske soll nicht nur mit Sven B. und zwei weiteren Angeklagten maßgeblich an der Produktion und dem geplanten Vertrieb der im Zuge der Razzia aufgefundenen Tonträger verantwortlich sein. Neben der Unterstützung von „Blood & Honour“ wurde ihm auch Volksverhetzung vorgeworfen. Oberstaatsanwalt Laubmeier verwies zwar auf die elf Vorstrafen des Angeklagten, dennoch war das Strafmaß erstaunlich gering: Röske erhielt lediglich acht Monate auf Bewährung. Immerhin muss er sich wohl demnächst wieder vor Gericht verantworten – dieses Mal für seine „Combat 18“-Mitgliedschaft.
Nach Bekanntwerden der vergleichsweise niedrigen Urteile, wurde schnell Kritik am Verfahren des Gerichtes laut. Dabei war es sicher nicht förderlich, dass der Vorsitzende Richter, Norbert Riedmann, bereits am dritten Prozesstag mitteilte, er „würde jetzt nicht den ganzen Background hier aufklären wollen.“ So versteht Arif Tasdelen, bayerischer SPD-Landtagsabgeordneter und Mitglied im zweiten NSU-Untersuchungsausschusses des bayerischen Landtages, „die Welt nicht mehr.“ Die Fraktion der Grünen im bayerischen Landtag zeigt sich über die „unfassbar milden Urteile“ ebenfalls empört. Dies versuchte Florian Weinzierl, stellvertretender Sprecher der Staatsanwaltschaft München abzuwehren – schließlich hätte man die Vereinigung frühzeitig entdeckt, zerschlagen und so verhindert, dass rechtsextremistisches Gedankengut und volksverhetzende Inhalte weiterverbreitet werden konnten.
Prozess als „Versagen des Staates im Kampf gegen Nazis“
Die deutlichste Kritik kam jedoch von Seiten der thüringischen Landtagsabgeordneten der Linken, Katharina König-Preuss. Nach ihr würden die „skandalösen Deals“ im „Blood & Honour“-Prozess „erneut das Versagen des Staates im Kampf gegen Nazis“ zeigen, hätte doch die Justiz ein „niedriges Strafmaß gegen nichtssagende Geständnisse getauscht.“ Dies würde ein deutliches Signal an die Neonazi-Szene senden: Statt „lückenloser Aufklärung und strafrechtlicher Verfolgung“ gäbe es einen „faktischen Freibrief für militante Neonazis“. Die Strukturen von „Blood & Honour“ sowie „Combat 18“ sieht König-Preuss durch den Prozess „nicht geschwächt, sondern eher gestärkt aus dem Prozess herausgehen“ - das Verbot des Netzwerkes sei „mit den Urteilen ad absurdum geführt“.