Polizei nimmt aufgerüstete Bamberger Rechtsextremisten hoch

Mit einer Razzia haben die Sicherheitsbehörden die zunehmende Aufrüstung der rechtsextremen Szene in Bamberg und Teilen Mittelfrankens gestoppt. Am Donnerstag präsentierten die Behörden das erschreckende Ergebnis der Durchsuchungen. ENDSTATION RECHTS.Bayern blickt auf die Geschichte der Bamberger Szene und ihre Verbindungen.
Zwölf Objekte in Oberfranken und Mittelfranken waren am Mittwoch Ziel der Polizei, die mit fast 90 Beamten im Einsatz war. Anlass war laut Pressemitteilung der Behörden, dass es ihren Ermittlern im Vorfeld gelungen sei, eine größere Menge illegaler Feuerwerkskörper abzufangen. Darunter befanden sich auch 16 Kilo in Polen bestellter Kugelbomben, die tödliche Wirkung entfalten können. Laut Oberstaatsanwalt Ohlenschlager seien zwei Flüchtlingsunterkünfte und ein linker Treffpunkte in der Stadt mögliche Ziele gewesen. Einen kleinen Teil der sichergestellten Gegenstände präsentierten die Behörden bei der einberufenen Pressekonferenz. Die Bilder erinnerten stark an die Razzia gegen die Strukturen des Freien Netz Süd. Gesammelt hatten die Neonazis Propagandamittel bis hin zu einem Wehrmachtshelm und einer großen Hakenkreuz-Fahne. Hinzu kam eine scharfe Waffe mit passender Munition, sowie Stichwaffen und Baseballschläger.
Bei der Polizeiaktion wurden auch elf Männer und zwei Frauen im Alter von 21 bis 36 Jahren vorläufig festgenommen. Gegen drei Männer lag bereits ein Haftbefehl vor. Fünf Beteiligte sollen sich inzwischen wieder auf freiem Fuß befinden. Gegen die Gruppe wird nun wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Vorbereitung eines Explosionsverbrechens und gefährlicher Körperverletzung ermittelt.
Bekannt wurde bisher, dass in Nürnberg der bekannte Neonazi Dan Eising, Organisator des inoffiziellen Pegida-Ablegers Nügida, von der Razzia betroffen war. Weitere Beschuldigte seien nach Auskunft der Behörden wie Eising Angehörige der Partei Die Rechte. Auch von Sympathien zu Pegida wurde gesprochen.
Von Anti-Asylseite zur Partei Die Rechte
Hinweise auf verstärkt ausländerfeindliche Aktivitäten im Raum Bamberg ergaben sich bereits im September vergangenen Jahres. Unter dem Stichwort „Bamberg WEHRT sich – Asylmissbrauch Nein Danke“ ging auch in der oberfränkischen Universitätsstadt eine Anti-Asyl-Seite online. Mitte Oktober wurde über diese Seite bereits eine Demonstration angekündigt, auf der ausschließlich Neonazis zu Wort kamen. Im Januar folgte eine stationäre Kundgebung, auf der Berlins NPD-Chef Sebastian Schmidtke einziger Redner war. Anmelderin der Versammlung war Nadine Hofmann. Sie wurde etwa vier Wochen später zur neuen Kreisvorsitzenden der Partei Die Rechte gewählt.
Die Nähe zur Fußballfan-Szene macht eine große „A.C.A.B.“-Fahne deutlich, die auf den von der Partei verbreiteten Fotos im Hintergrund zu sehen war. Auf dem Landesparteitag der neonazistischen Kleinstpartei wurde sie stellvertretende Landesvorsitzende hinter Philipp Hasselbach. Trotz des Engagements in einer Partei blieb die Szene im Bamberger Raum anschlussfähig an alle extrem rechten und rassistischen Gruppierungen in Bayern. Schwarz-weiß-rote Fahnen mit der Aufschrift „Bamberg“ tauchten bei den Demonstrationen der anderen neuen Neonazi-Partei Der Dritte Weg in Wunsiedel und Saalfeld auf. In Thüringen versammelte sich die ober- und unterfränkische Szene hinter einem eigenen Banner „Nationaler Widerstand Bamberg“.
Nationaler Widerstand Bamberg
Auch die NPD fand personelle Unterstützung wie die Kameradschaft Unterfranken bei einem Mini-Aufmarsch in Würzburg im März dieses Jahres. Die Verbindungen zum Pegida-Ableger in Würzburg waren so gut, dass anreisende Aktivisten dort mit Handschlag begrüßt wurden. Zuletzt durfte Dan Eising in Würzburg im Rahmen eines offenen Mikros zu den etwa hundert versammelten Pegida-Anhängern sprechen. Angehörige des Bamberger Kreisverbandes fuhren zur Unterstützung ihrer Parteikollegen zur Demo nach Rosenheim.
Aktivisten aus dem Raum Bamberg beteiligten sich auch an den Demonstrationen in Jena, die von der von Holocaust-Leugnern geführten Organisation „Europäische Aktion“ ausging. Auch eine Fahrt zur Hogesa-Demo nach Hamburg war geplant, wurde letzten Endes aber abgesagt. Für Ende Oktober plante die Szene erneut eine eigene Demonstration vor dem in Bamberg eingerichteten „Abschiebezentrum“ für Geflüchtete vom Balkan. Die Stadt prüft nun rechtliche Schritte gegen die Versammlung.
Fortschreitende Radikalisierung
Die Behörden begründeten ihr Einschreiten auch mit dem immer aggressiveren Auftreten der Szene. Inhaltlich ist die Partei Die Rechte die momentan am provokantesten auftretende Organisation in Bayern. Der von der Razzia betroffene Dan Eising war Redner bei der Kundgebung vor dem Münchner Gerichtsgebäude, bei der die im NSU-Prozess Angeklagten als „politische Gefangene“ angesehen wurden. Solidaritätsaktionen gab es auch für den sich inzwischen wieder auf freiem Fuß befindlichen Holocaustleugner Gerd Ittner.
Nach der Kundgebung, bei der auch Hofmanns Stellvertreter Andreas Groh eine Rede hielt, kam es am Nürnberger Hauptbahnhof zu Übergriffen auf eine Demonstration anlässlich des Weltfrauentages. Immer wieder waren Bamberger beteiligt, wenn es bei Versammlungen zu Tumulten kam. Bei der ersten Nügida-Demonstration versuchten die angereisten Aktivisten aus Oberfranken nach Verlassen der U-Bahn einen Ausbruch Richtung Gegendemonstranten. Gerne, so der Eindruck von Szenebeobachtern, übernahm die Szene auch Ordnerdienste, für eine größere Bewegungsfreiheit bei Demonstrationen. Nicht selten wurden Medienvertreter Ziel von Zusammenstößen. In Jena drohte zuletzt Andreas Groh einem Journalisten „die Schläge seines Lebens an“.
Auch außerhalb von Versammlungen mehrten sich Zwischenfälle. Aus Bamberg gab es immer wieder Meldungen von Angriffen auf linke Jugendliche und studentische Einrichtungen. Als „Höhepunkt“ und neue Qualität sahen die Behörden einen versuchten Angriff auf das „Cafe Balthasar“, einem von studentischen Initiativen genutzten Veranstaltungsraum, der immer wieder auch Ziel von Anschlägen wurde.
Angehörige und Sympathisanten der Partei Die Rechte versuchten zunächst, die Besucher eines Vortrags im Rahmen des „Festival contre le racisme“ auszuspähen. Die Besucher verhinderten ein wohl beabsichtigtes Eindringen. Ohne Zwischenfälle ging auch die versuchte Anmietung eines Hauses in Stammheim nicht ab. Das Haus sollte den Neonazis als Parteizentrale dienen. Immer wieder wurden Banner, mit denen sich die Bevölkerung gegen die Ansiedlung wandte, gestohlen. Die Partei präsentierte im Internet in einem Fall auch Bilder von der Verbrennung eines Banners, die ihnen angeblich zugespielt wurden. Mittlerweile konnten die Behörden auch hier Tatverdächtige ermitteln. Es liegt nahe, dass auch hier Täter aus dem Raum Bamberg beteiligt waren.
Einen weiteren Höhepunkt bildete eine gefährliche Körperverletzung im Mai dieses Jahres. Die Rechtsextremisten hatten zunächst Passanten mit einer Bierflasche beworfen und danach angegriffen. Laut dem Portal „Bayern gegen Rechtsextremismus“ soll Hofmann im Rahmen der Auseinandersetzung gewaltsam versucht haben, die Verständigung der Polizei durch eines der Opfer zu verhindern. Auch an einem Zwischenfall vor der Bamberger Asylbewerberunterkunft waren Mitglieder bzw. Sympathisanten der Partei beteiligt.
Florian Ritter, Sprecher der bayerischen SPD-Landtagsfraktion im Kampf gegen Rechtsextremismus, brachte angesichts dieser Entwicklung auch mit Blick auf die Ergebnisse der Durchsuchungen ein Verbot der Partei Die Rechte in Spiel, zumindest eine genauere Prüfung. Mit der grundgesetzlich besonders geschützten Parteiarbeit dürften die Aktionen der Rechten im Raum Bamberg nun mehr sehr wenig zu tun haben.
Nachtrag 23.10.2015: Die Rechte-Landesvorsitzender Philipp Hasselbach bestätigte auf seinem Facebook-Profil, dass Hofmann und Groh zu den Inhaftierten zählten.
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