„Politischer Überzeugungstäter“
„Ich bereue nichts!“ – Die Betreiber der rechtsextremen Internetportals „Altermedia“ müssen in Haft. Ein wichtiges Signal für Betroffene rechter Hetze im Internet.
Das rechtsextreme Internetportal „Altermedia“ ist offline. Am Mittwochnachmittag verurteilte das Landgericht Rostock die beiden Administratoren Axel Möller und Robert R. wegen Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Verunglimpfung des Staates zu Haftstrafen. „Sie sind ein Hassredner- und -schreiber“ hielt der Vorsitzende Richter Möller vor.
Am späten Nachmittag des 26. Oktobers begann die Urteilsverkündung mit großer Verspätung. Der Angeklagte R. hatte einfach die „Zeit vergessen“. Im Großen Saal ging der Vorsitzende Richter ausführlich auf Möller ein, der nicht einmal ansatzweise Reue gezeigt hätte und sich schon als Märtyrer feiern ließe. Ein „geistiger Brandstifter“, so der Richter. Möller zuckte nur mit der Schulter.
„Untrennbar mit ‚Altermedia’ verbunden“
Bereits am vorletzten Verhandlungstag hatte Möller schon erklärt: „Ich bereue nichts“ und betont, ein "politischen Überzeugungstäter" zu seien. Eine Verurteilung sehe er weniger „als Strafe an, sondern eher als eine Art von etwas anderem Pulitzer-Preis“. Seinen Kampf gegen „ihr politisches System“, ließ er auch gleich das Gericht wissen, werde er auch „in einer einsamen Tristesse einer Gefängniszelle“ weiter betreiben. Mit der Verurteilung muss nun der 47-jährige Möller für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Der 30-Jährige R. soll für zwei Jahre und drei Monate in Haft. Wenn sie in binnen einer Woche keine Revision einlegen.
Mit dem Strafmaß folgte das Gericht der Staatsanwaltschaft auch in der Gewichtung der Bedeutung der beiden „Altermedia“-Betreiber. Der Staatsanwalt hatte am vorletzten Verhandlungstag in seinem Plädoyer betont: „Axel Möller ist untrennbar mit Altermedia verbunden, man könnte sagen, er ist Altermedia.“ Ganze 246 Seiten umfasste die Anklage. 48 Straftaten trug der Staatsanwalt vor: So stellten die beiden Rechtsextremisten das Tagebuch der Anne Frank als gefälschtes jüdisches Machwerk dar, meinten, die Juden seien ein Dreckvolk, dem Adolf Hitler die Leviten gelesen habe, riefen zu Gewalttaten gegen farbige Menschen auf und hießen Gewalttaten gegen Politiker und Mitarbeiterinnen von Anti-Rechts-Projekten gut. Als sich der Staatsanwalt bei Auflistung der Taten beim Wort „Auschwitz“ versprach, lächelte Möller breit. „Lassen sie diese Faxen“ schritt der Vorsitzende Richter ein.
Eines der wichtigsten Portale für die Szene
Das Verfahren gegen Möller und R, die beide in Stralsund leben, konnte schneller beendet werden, da sie sich geständig zeigten. Von einem „Geständnis“ wollte Möller aber nicht reden, es sei „vielmehr ein Bekenntnis – und ich darf sagen – sogar noch ein sehr stolzes“.
R. gab sich nicht so kämpferisch. „Ich bin raus aus der Szene“, sagte er. Beide sind bereits wegen Volksverhetzung verurteilt. Das Amtsgericht Stralsund verurteilte Möller schon 2010 als redaktionell Verantwortlichen für das Portal. Aus diesem Grund konnte Möller und R. keine Bewährungsstrafe mehr bekommen. Was der Staatsanwalt im Plädoyer auch betonte.
Seit 2002 war der deutschsprachige Ableger von „Altermedia“-International online. Ab 2007 will Möller nach eigener Aussage bei dem Portal eingestiegen sein. In der Szene war er zuvor bei der DVU, den Republikanern und der NPD aktiv, die er im Streit verließ, da der Landsvorsitzende angeblich einen V-Mann mit deckte, sagte Möller. Er räumte auch ein, R. angesprochen und angelernt zu haben. Dieser sagte, sich zwischen NPD und Kameradschaftsspektrum bewegt zu haben. Als „Schriftleitung“ tauchten die beiden Männer auf der Website auf. Schnell wurde das Internetportal zu einem der wichtigsten Portale der Szene, denn hier wurden oft mehrmals täglich Nachrichten und Artikel für und von der Szene veröffentlicht und Kommentare lang und breit zugelassen. „Im Laufe der Jahre hat sich 'Altermedia' zu dem bedeutendsten Internetportal entwickelt. Ein Forum, wo jeder seine Vorstellungen von der Wiedergeburt des Dritten Reichs wiedergeben kann“, hob auch der Staatsanwalt hervor.
Mitarbeiter von Anti-Rechts-Projekten beleidigt und bedroht
Szeneintern war „Altermedia“ gleichermaßen beliebt wie gehasst. Hatten Möller und R. doch immer wieder Informationen über Personen und Strukturen öffentlich gemacht, die die Szene gerne unter sich verhandelt hätte. Richtungsstreite wurden von ihnen auch gerne zugespitzt.
Mit der Ankündigung des Strafverfahrens setzte dennoch eine Solidaritätsbekundung ein. Der mecklenburg-vorpommerische NPD-Landtagsabgeordnete und -Landesvize David Petereit schaute bei der Verhandlung vorbei. Auf dem Internetportal „Mupinfo“, das er verantwortet, prangte: „Wir sind alle Altermedia. Presse- und Meinungsfreiheit statt Gesinnungsjustiz.“
„Der Prozess hat vor allem deutlich gemacht, dass es durchaus erfolgreich sein kann, gegen rechte Hetze im Internet und persönliche Anfeindungen strafrechtlich aktiv zu werden“, sagte nach der Urteilsverkündung eine Mitarbeiterin von Lobbi West (Landesweite Opferberatung Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern). In den vergangenen Jahren hatten immer wieder Initiativen und Einzelpersonen Strafanzeigen gegen „Altermedia“ gestellt, weil sie beleidigt und bedroht wurden. „Das heutige Urteil ist deshalb auch ein wichtiges Signal an alle Betroffenen rechter Hetze im Internet“, betonte die Expertin.