Pirinçci liest bei ultrarechter Burschenschaft und AfD

Sonntag, 18. Mai 2014
Thomas Witzgall
Gefällt sich in der Rolle des Provokateurs - Akif Pirinçci
Gefällt sich in der Rolle des Provokateurs - Akif Pirinçci

Der umstrittene Autor Akif Pirinçci folgte am Freitag einer Einladung der Erlanger Burschenschaft Frankonia. Mit von der Partie waren mehrere Führungsfiguren der fränkischen extremen Rechten. Am Samstag folgte eine Lesung in der Nürnberger Meistersingerhalle auf Einladung der AfD. Eine neue Satzung der Stadt Nürnberg soll homophobe Veranstaltungen zukünftig verhindern.

Für die einen ist der umstrittene deutsch-türkische Autor Pirinçci ein Anarchist, großer Provokateur, Poltergeist, dessen Buch „Deutschland von Sinnen – der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ an vielen Stellen zum Nachdenken anrege, für andere, wie den Medienjournalisten Stefan Niggemeier schlicht ein „Hassprediger“. Andere charakterisieren das Buch als „Sarrazin auf Speed“ und sehen es an der Grenze zur Volksverhetzung.

Für die Jusos Erlangen, die zu Protesten gegen die Lesung aufriefen, ist das Buch ein bisher „unerreicht primitiver Angriff auf den Wertekonsens der deutschen, eigentlich allgemein jeder westlichen Gesellschaft", wie es in der Pressemitteliung hieß. Für die GegendemonstrantInnen vor dem Haus ist er mit seinem Weltbild irgendwann im letzten Jahrhundert stehengeblieben. “Man wisse zwar nicht genau wann, aber sehr früh im Jahrhundert“ schallte es aus dem Lautsprecher.

Für die extreme Rechte ist Pirinçci eine Art Kronzeuge für die von ihnen seit Jahren vertretenen Ansichten, bekommt er doch im Gegensatz zu ihnen von den Massenmedien bereitwillig ein Forum geboten wie beim umstrittenen Auftritt im ZDF-Morgenmagazin.

Am Freitag folgte Pirinçci einer Einladung eben dieser Kreise zu einer Lesung in das Haus der Erlanger Burschenschaft Frankonia in der Loewenichstraße. Auch dort gefiel er sich in der Rolle des Provokateurs und zeigte sich mehrfach den DemonstrantInnen, die in rund 100 Meter Entfernung hinter einer Absperrung protestierten. Trotz der polizeilichen Absicherung der Veranstaltung und der getrennten Zugänge zur Loewenichstraße – Teilnehmer von der einen Seite, Gegendemonstranten von der anderen Seite – wirkten die veranstaltenden Verbindungsstudenten zuerst nervös. Ein Besucher der Lesung, der sich ein Bild von den Farbbeuteln an der Häuserwand machen wollte, wurde zunächst mit lauten „Hey, das ist unser Haus, das ist unser Grundstück“ empfangen.

Rechtsextremes Stelldichein

Andere Besucher hatten da weniger Probleme bei ihrer Ankunft. NPD-Landesgeschäftsführer Axel Michaelis marschierte schnurstracks auf das Gebäude zu wie der rechtsextreme Publizist Jürgen Schwab. Schwab war Mitglied der Burschenschaft Thessalia zu Bayreuth und wurde dort angeblich wegen seiner politischen Tätigkeiten ausgeschlossen. Die Erlanger Burschis scheint das nicht zu stören. Auch die beiden in der Szene bekannten und häufig für sie tätigen Anwälte Böhmer und Miksch erschienen wieder zur Lesung. Sie gehören laut dem Störungsmelder offenbar zu den regelmäßigen Besuchern „auf dem Haus“.

Die Erlanger Burschenschaft Frankonia gehört der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) an, einer einflussreichen Unterorganisation innerhalb des Dachverbandes der Deutschen Burschenschaft (DB). Die SPD sieht in der BG einen „völkischen Kampfverband“, der „eindeutig biologistisch, völkisch und großdeutsch ausgerichtet“ sei. Die Mitgliedschaft in der SPD und einer der etwa 40 Mitgliedsbünde der BG sind seit 2006 für die Sozialdemokratie unvereinbar.

Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht wird dagegen nur die Aktivitas der Münchner Burschenschaft Danubia aufgeführt. Grund, so der Bericht, sei eine personelle Verflechtung und nicht die ideologische Ausrichtung der Burschenschaft an sich. 2001 nahm sich der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein kurz des Themas an. Bayern sehe daher nicht weg, wenn Rechtsextremisten Kontakte mit Burschenschaften pflegten oder gar
versuchten, "akademische Verbindungen zu unterwandern", versicherte Beckstein der Öffentlichkeit. Nach „Unterwanderung“ sah die Veranstaltung am Freitag wahrlich nicht aus, sondern eher nach einem „Kommt doch herein, schön, dass ihr es auch dieses Mal wieder geschafft habt. Wollt ihr ein Bier?“

Gegen die Veranstaltung protestierten über 120 Teilnehmer. Kritisiert wurde u. a., dass die Universität Nürnberg-Erlangen die Burschenschaft weiterhin als begrüßenswerte Initiative neben Fachschaften, Hochschulgruppen und sonstigen Gruppen verlinkt. Auf der anderen Straßenseite machte es sich eine andere Verbindung auf dem Dach gemütlich und verfolgte das Treiben und die Musik, die aus dem Lautsprechern der GegendemonstrantInnen abgespielt wurde.

200 Zuhörer ausgerechnet am Tag gegen Homophobie

Am nächsten Tag setzte Pirinçci seine Lesereise in Nürnberg fort. Dort hatte die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) zur Lesung geladen. 200 Gäste sollen der Einladung in den Nebensaal der städtischen Meistersingerhalle gefolgt sein. Etwa 100 GegendemonstrantInnen fanden sich laut dem „Nürnberger Bündnis Nazistopp“ ein, das den Protest der Schwulen- und Lesbenorganisation Fliederlich unterstützt hatte. Die Lesung fand ausgerechnet am Internationalen Tag gegen Homophobie statt.

Makaber war zusätzlich, dass ausgerechnet die Stadt Nürnberg die Veranstaltung beherbergen musste, wo sie sonst Gastwirte und Vermieter zur Wachsamkeit vor rechten Anmietungen auffordert. Die AfD hatte sich in den vergangenen Wochen schon einige Absagen eingehandelt. Der Wirt des Marientorzwingers hatte die eurokritische Partei wegen homophober Thesen ausgeladen und ein Hausverbot verhängt. Eine weitere Gaststätte nimmt gar keine Anfragen der Partei um Bernd Lucke mehr an.

Helfen soll den Hallen in städtischer Hand nun eine neue Satzung, die schon beschlossen, aber noch nicht rechtskräftig ist. Zukünftig sollen laut Medienberichten so Veranstaltungen mit antisemitischen, rassistischen, homophoben, fremdenfeindlichen oder menschenverachtenden Äußerungen unterbunden werden können. Ob die Pirinçci-Lesung darunter gefallen wäre, konnte man beim städtischen Menschenrechtsbüro auf Nachfrage der Nürnberger Nachrichten auch nicht mit Sicherheit sagen.

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