Peter Brandt (SPD) wirbt in „Junge Freiheit“ für ein „positives Verhältnis zur Nation“
Pünktlich zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit wartet die rechtskonservative Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) mit überarbeitetem Design und gesteigerter Auflagenzahl auf. Als besonderen Coup gibt es ein Interview mit Peter Brandt, dem Sohn von Willy Brandt. Der Historiker empfiehlt der SPD, in der er selbst Mitglied ist, „ein realistisches und positives Verhältnis zu Volk und Nation“.

„Strikte Trennlinien ziehen“ hatte 2005 der SPD-Bundesvorstand Punkt 11 seiner „Prinzipien und Orientierungspunkte für den Umgang mit dem Rechtsextremismus“ überschrieben. Darin heißt es: Es dürfe „keinerlei Beiträge oder Interviews für extrem rechte Zeitschriften geben. Dies gilt insbesondere für Blätter wie die ,Junge Freiheit‘ und ,Criticon‘, die sich damit als demokratisch legitimieren wollen.“ Hintergrund der „Orientierungspunkte“ für die Mitglieder waren eine Reihe von Gesprächen, die bekannte Sozialdemokraten mit der JF geführt hatten. Zuvor hatte der Berliner Landesverband auf einem Parteitag bereits einen Antrag der Jusos angenommen und alle Mitglieder aufgefordert, „nicht oder nicht mehr mit der Jungen Freiheit zusammenzuarbeiten und ihr insbesondere keine Interviews zu geben“.
Interviews hatten zuvor noch der Bezirksbürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky, und der langjährige Weggefährte Willy Brandts, Egon Bahr, gegeben. Während Buschkowsky dies ungehend bedauerte, verteidigte sich Bahr: „Soll man sich als Sozialdemokrat von dem Versuch ausschließen, mit dem, was sich am rechten Rand bildet, zu diskutieren?“ Bis zur aktuellen Ausgabe der „Jungen Freiheit“ hatten sich die Sozialdemokraten von diesem Versuch ausgeschlossen. Mit Peter Brandt kommt erstmals seit über fünf Jahren wieder ein prominenter Sozialdemokrat auf Seite 3 zu Wort.
Peter Brandt ist aber nicht nur Mitglied der SPD, er hat auch einen berühmten Vater mit SPD-Tradition: Den ersten von der SPD gestellten Bundeskanzler – Willy Brandt. Peter Brandt selbst hat es in die Wissenschaft verschlagen. Als Historiker hat er einen Lehrstuhl für deutsche und europäische Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts an der Fernuniversität Hagen inne. Eines der Themen, mit denen sich Brandt seit Jahren befasst, ist das Verhältnis der Linken zur Nation. Mit Herbert Ammon, der mittlerweile regelmäßig für die „Junge Freiheit“ schreibt, hatte er schon 1981 das Buch „Die Linke und die nationale Frage“ veröffentlicht.
Auch in der aktuellen Ausgabe, die Eigenangaben zufolge in einer Auflage von 40.000 Exemplaren gedruckt wird (das ist fast doppelt so viel wie zuvor), geht es natürlich um die Nation. Brandt macht in dem Interview überzeugend deutlich, dass seine Beziehung zum Vaterland anders sei als die eines Konservativen. Ihm ginge es nicht „vorrangig um den Gefühlshaushalt, sondern um ein stabiles Verhältnis zum ,Boden, auf dem wir stehen und streiten‘, um August Bebel zu zitieren.“ Ein Verhältnis, das noch in den 1950er Jahren etwa in Bezug auf die Teilung Deutschlands im „Zentrum der sozialdemokratischen Politik“ gestanden habe. „Die anationale oder sogar antinationale Einstellung von beträchtlichen Teilen der Kräfte links der Mitte ist eher ein Produkt der letzten Jahrzehnte“, so Brandt. Den Vorwurf, dass doch auch die neue Ostpolitik seines Vaters zur Entnationalisierung beigetragen habe, weist Peter Brandt zurück. Eine Intention der Ostpolitik habe gerade darin bestanden, „dem Prozeß der Auseinanderentwicklung beider deutscher Staaten entgegenzuwirken, namentlich im Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation“.
In der SPD habe sich Brandt daher auch „niemals isoliert gefühlt“. Was nicht zuletzt auf eben jenes anders gelagerte Nationalbewusstsein Brandts zurückzuführen sein dürfte, für das er in der JF wirbt: „Wenn man Nation als den höchsten, gar absoluten innerweltlichen Wert versteht, dann ist Nation und Linkssein in der Tat schwer vereinbar.“ Ein „realistisches und positives – was nicht heißt unkritisches – Verhältnis zu Volk und Nation“, gibt Brandt indes seiner Partei mit auf den Weg, „würde zwar nicht alle Probleme der Sozialdemokratie lösen, wäre aber hilfreich.“
Egon Bahr liegt richtig und hat es gar nicht nötig, sich zu "verteidigen", wie behauptet. Schönes Bahr-Zitat auch das:
Ohne Stolz auf die eigene Nation „kann ich gar nicht leben“.
http://www.hdg.de/lemo/objekte/pict/KontinuitaetUndWandel_plakatBrandt1972/index.html
Ob Willy Brandt wegen solch "nationalistischer" Töne heute nicht vielleicht sogar mit einem Parteiausschlußverfahren rechnen müßte?!
http://www.youtube.com/watch?v=jvZ_fuFQcpY
Nach dieser Logik lesen sich folgende Sätze in den Grundsatzprogrammen der SPD besonders interessant:
"Wir sind stolz darauf, in der Tradition einer Bewegung zu stehen, die niemals Krieg, Unterdrückung oder Gewaltherrschaft über unser Volk gebracht, sondern aus dem rechtlosen Proletariat selbstbewußte Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gemacht hat." [Berliner Programm]
"Wir sind stolz darauf, niemals
Krieg, Unterdrückung oder Gewaltherrschaft über unser Volk gebracht
zu haben." [Hamburger Programm]
"Stolz" und "unser Volk" in jeweils einem Satz! Aber, dürfen heutige Sozialdemokraten sich auf Vergangenes berufen und auch noch darauf stolz sein wollen?
Statt sich über Thilo Sarrazin und Peter Brandt zu ereifern, sollten sich heutige Sozialdemokraten lieber ereifern, das obige Sätze nicht zum Hohn werden, angesichts der deutschen Kriegsbeteiligung in Afghanistan mit sozialdemokratischem Mandat, gegen den mehrheitlichen Willen des Volkes.
Man kann das deutsche Volk verachten, man kann es auch verleugnen, aber dann sollte man es nicht in seinem Namen beherrschen wollen und sich auch sonst niemals auf das Volk berufen.
"Statt sich über Thilo Sarrazin und Peter Brandt zu ereifern,"
so richtig ereifern tut sich hier vor allem...
"...angesichts der deutschen Kriegsbeteiligung in Afghanistan mit sozialdemokratischem Mandat, ..."
voll ihr lieblingsthema. sarrazin und afghanistan muss unbedingt in jeden wendt-beitrag.
Zu dem Liedchen:
Im Umkehrschluß ist daraus zu folgern, daß dann ebenso gut die nach dem Krieg geborenen Deutschen sagen können: was geht uns Auschwitz an, damit haben wir nichts zu tun, also haben wir deswegen keine Schuldgefühle oder sonst irgendeine Verantwortung.
Denn wenn man für etwas, das man nicht selbst getan hat, nach Ihrer Auffassung keinen Stolz empfinden kann, so kann man spiegelbildlich wegen einer derartigen Sache auch keine Schuldgefühle oder Scham empfinden.
Ich antworte Ihnen gern im laufe des Wochenendes wenn es meine Zeit zulässt. Aber eine Frage würde mich vorab interessieren. Haben Sie das Interview gelesen?
Mich interessieren weder die JF, noch Sarrazin, aber mich ärgern jedwede Bevormundung und vorauseilender Gehorsam, zumal in der SPD. Von oben verordneter "Antifaschismus" hat in der DDR nicht funktioniert und das funktioniert auch in Zukunft nicht. Wer Extreme verhindern will, wird auf die Überlegenheit einer pluralen Gesellschaft setzen müssen.
Aber auch in der SPD muss es möglich sein, dass Menschen - auch Autoren! - Ihre eigene Meinung haben und auch vertreten dürfen.
Denn wenn Sie diese Freiheit der eigenen Entscheidung für sich in Anspruch nehmen (und das tun Sie) dann gestehen Sie auch anderen Menschen diese Freiheit der eigenen Entscheidung zu. „Ihr dürft auf ER eure eigene Meinung nicht in eure Artikel mit einfließen lassen, denn ich empfinde das als Bevormundung“ ist aus meiner Sicht nicht das gewähren von Freiheit zur eigenen Entscheidung.
Der erste Schritt ist zu lernen sich die Freiheit zu nehmen, sich ihrer Bewusst zu werden und ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass jeder Mensch diese Freiheit für sich in Anspruch nehmen kann und darf. Der zweite Schritt ist zu lernen, diese Freiheit auch anderen Menschen zu gewähren, sie im Alltag zu respektieren und achten zu lernen. Ich glaube erst wenn die Mehrheit der Menschen beides gelernt hat, erst dann werden wir als Menschheit insgesamt ein Verständnis davon entwickeln können, was wir tun müssen um die dringendsten Probleme dieser Welt in den Griff zu bekommen.
Allerdings widerspreche ich Ihren schönen Worten des letzten Absatzes. Das geht in der realen Welt leider nämlich nicht um das Zuhören, sondern um Profit und Macht. Und während wir uns hier alle mehr oder weniger nett unterhalten, werden draußen die Fakten gesetzt.
Zum Thema Achtung des anderen möchte ich anhängen, daß ich einen idealistischen Nationalisten (u.v.a.a.) mehr schätze, als einen heuchelnden Opportunisten. Auch Verachtung bleibt gelegentlich erlaubt.
"Wer Extreme verhindern will, wird auf die Überlegenheit einer pluralen Gesellschaft setzen müssen."
deshalb platzt wahrscheinlich auch die kommentarfunktion in ihrem persoenlich gepflegten blog aus allen naehten. dass es mit dem gelebten pluralismus bei ihnen nicht so weit her ist, habe offensichtlich nicht nur ich erfahren. autokratisches auftreten hat ihnen auch schon jemand anderes attestiert.
"Zum Thema Achtung des anderen möchte ich anhängen, daß ich einen idealistischen Nationalisten (u.v.a.a.) mehr schätze, als einen heuchelnden Opportunisten."
am ende ist es vielleicht gar nicht so eindeutig, wer der opportunist ist. ist es der vermeintlich rebellische sarrazinverteidiger oder der dem volkssport politikbashing froenende?
mal sehen, mit welch geoelter worthuelse sie uns noch so begluecken. manchmal kommt ja auch was komisches bei raus (siehe "tucholsky" gedicht).
http://www.sudelblog.de/?p=379
Es geht immer und überall um Macht, nicht nur "da draußen in der realen Welt". Jeder Mensch entwickelt seine eigenen Machtstrategien und nutzt diese auch munter, ob nun bewusst oder unbewusst.
"Und während wir uns hier alle mehr oder weniger nett unterhalten, werden draußen die Fakten gesetzt."
Ich glaube wenn ich das so sehen würde, wäre mir meine Zeit hier zu lesen und zu schreiben zu schade. Die sogenannte "reale" Welt - wie Sie es so schon ausdrücken pflegen - existiert so leider nicht, denn wir können die Welt immer nur unzulänglich Wahrnehmen und übersehen dabei leider auch oft die tatsächlichen Fakten (Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt, Richard H. Thaler (Autor), Cass R. Sunstein (Autor), Christoph Bausum (Übersetzer, Verlag: Econ (1. August 2009)).
Menschen haben alle den lebenslangen Weg des Lernens vor sich, man könnte also sagen dass das alle Menschen gemeinsam haben. Und wenn wir uns hier "alle mehr oder weniger nett unterhalten", dann helfen wir uns auch mehr oder weniger nett dabei, dass wir mit und voneinander lernen und das wiederum hat Auswirkungen auf unsere Bewertungen/Entscheidungen in der "realen Welt da draußen".
"Auch Verachtung bleibt gelegentlich erlaubt."
Alle Emotionen bleiben erlaubt, denn sie haben eine Bedeutung/Aufgabe. Wenn ein Mensch Wut, Angst, Neid, Eifersucht, Verachtung u.s.w. empfindet, dann liegt es nicht immer nur an dem auslösenden Menschen (echte durch Fakten nachweisbare Schieflagen möchte ich hierbei ausdrücklich ausgeschlossen wissen), sondern es kann auch ein Fingerzeig der eigenen Potentiale sein. Es soll schon vorgekommen sein, dass ein Mitarbeiter, der sich ständig über die Fehlentscheidungen seines Chefs geärgert hat, wieder ausgeglichener wurde nachdem er sich selbständig gemacht hatte und damit erfolgreich wurde. Seine Verärgerung könnte also mehr als eine Bedeutung gehabt haben und Auslöser für eine Veränderung/Weiterentwicklung gewesen sein. Menschen lieben die Trägheit und behalten Gewohnheiten auch dann bei, selbst wenn sie z.B. damit verbundene Risiken sehr genau kennen. Vielleicht denken Sie mal drüber nach.
Was die Authentizität angeht kann und möchte ich Ihrer Einschätzung nicht folgen.