Pegida stellt sich in Europa auf

Im Februar wollen die selbst ernannten „Abendlandretter“ europaweit demonstrieren. Lutz Bachmann und Co. indessen lassen Stück für Stück alle Hemmungen fallen – am Montag sind Vertreter des extrem rechten Vlaams Belang in Dresden angekündigt.

Freitag, 04. Dezember 2015
Horst Freires

Die Pegida-Bewegung in Dresden hat sich bis dato zwar noch nicht getraut, die NPD offiziell zu ihren Montagsdemonstrationen einzuladen, obwohl viele von deren Anhängern genau dort anzutreffen sind. Dafür wirbt sie aktuell für den nächsten so selbst titulierten Abendspaziergang in der sächsischen Landeshauptstadt am 7. Dezember mit führenden Vertretern des flämischen extrem rechten Vlaams Belang (VB). So werden als Gäste angekündigt der langjährige Kopf der belgischen Separatistenpartei Filip Dewinter aus Antwerpen sowie Anke van Dermeersch, eines von zwei belgischen parlamentarischen Senatsmitgliedern des VB.

Damit setzen die Pegida-Verantwortlichen in Dresden ihre Bemühungen fort, sich Vertreter anderer europäischer Gegner einer multikulturellen Gesellschaft sowie von muslimischer Zuwanderung und Asylbewerbern einzuladen. So versuchte sich Bachmann im April bereits mit der niederländischen Rechtspopulisten-Leitfigur Geert Wilders an seiner Seite zu schmücken und aufzuwerten. Von Marine Le Pen, der Chefin des Front National in Frankreich, holte sich Bachmann unterdessen einen Korb. Dafür wartete er am vergangenen Montag mit Stephen Yaxley-Lennon auf, besser bekannt unter seinem Pseudonym Tommy Robinson, dem Gründer der stramm ultranationalen „English Defence League“. Die bewegt sich allerdings auf absteigendem Ast und Yaxley-Lennon ist mit ihr seit über zwei Jahren zerstritten.

Enger Weggefährte der Pegida-Spitze

Yaxley-Lennon, der bereits am 19. Oktober in Dresden auf der Rednerliste stand, kann der rechtsgerichteten und gewaltbereiten Hooligan-Szene zugerechnet werden, die wiederum in Dresden ebenfalls einen kleinen Teil der Pegida-Bewegung ausmacht, und wenn sie nur Ordnerdienste wahrnimmt, wie es inzwischen Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling eingeräumt hat. Der Brite ist zum engen Weggefährten der Pegida-Spitze geworden. Zusammen mit Bachmann und Siegfried Däbritz weilte er im Oktober beim niederländischen Pegida-Ableger in Utrecht. In einem Interview forderte Yaxley-Lennon jetzt einen fünfjährigen Aufnahmestopp für Muslime.

Auf der jüngsten Zusammenkunft kündigte Bachmann für den 6. Februar nächsten Jahres termingleich europaweite Demonstrationen an, die alle nach Pegida-Stil ablaufen sollen. Seiner Ankündigung zufolge werden dann Pegida-ähnliche Gruppen in Österreich, Frankreich, Polen, Großbritannien, Tschechien, Portugal und Spanien auf die Straße gehen. Einem bei Pegida-Polen veröffentlichten Schreiben ist zu entnehmen, dass auch Aktionen in der Schweiz, Slowakei, Holland und Belgien geplant sind.

Verbindungen gibt es zur rechtsgerichteten italienischen Separatistenpartei Lega Nord. Ein Vertreter durfte zum Pegida-Geburtstag am 19. Oktober sprechen. Auch Pegida-Polen war zum einjährigen Bestehen zugegen, tauchte aber bereits am Ostermontag in Dresden sichtbar durch mitgebrachte Landesfahnen auf. Auf ihrer Facebook-Seite machen Polens selbst ernannte „Abendland-Retter“ keinen Hehl daraus, wer für sie ihr Held ist. Auf ihrem Erkennungsbild heißt es unter Falschschreibung des Vornamens „Je suis Victor Orban“. Unter Pegida-Schweden firmiert der ehemalige Dresdner Heiko Becker, während die Organisation von Pegida-Norwegen in den Händen von Harald Moen und Max Hermansen liegt. Letzterer ist aktuell zum wiederholten Mal wegen seiner Kommentare von Facebook gesperrt worden.

Umtriebig erscheinendes Maulheldentum auf Facebook

Nicht überall ist die angestrebte internationale Vernetzung aber eine Erfolgsgeschichte. Versuche in Dänemark zum Beispiel, in Pegida-Manier auf die Straße zu gehen, entpuppten sich als kapitaler Reinfall. Auch Yaxley-Lennon muss wohl daheim auch noch viel Überzeugungsarbeit leisten, denn alle bisherigen Pegida-Mobilisierungsversuche in Großbritannien waren ebenfalls ein Flop, auch wenn den Facebook-Aktivitäten ein umtriebig erscheinendes Maulheldentum nicht abzusprechen ist. Tatsächlich gefestigter erscheinen die Pegida-Strukturen in den Niederlanden, obwohl noch gar nicht so lange auf der Bildfläche. Deren nächste Aktion auf der Straße wird für den 12. Dezember in Rotterdam angekündigt.

Am 28. Oktober war Bachmann Redner auf einer Pegida-Kundgebung in Prag. Der tschechische Ableger existiert seit nunmehr 13 Monaten. Er hat aber bisher bei weitem nicht die Strahlkraft entwickelt wie sein deutsches Vorbild. In Belgien hatten sich Anfang März gerade einmal 200 Anhänger in Antwerpen auf die Straße begeben und schwangen zum Teil flämische Fahnen. Die Stadt ist VB-Hochburg.

In Spanien ist Pegida seit dem 18. Dezember des Vorjahres unterwegs. Der bedeutsamste regionale Zweig kommt dabei aus dem katalanischen Llobregat, nach Medienberichten offensichtlich maßgeblich gesteuert und unterstützt durch die seit 2002 existierende extrem rechte und islamfeindliche Regionalpartei namens „Plattform für Katalonien“ (PxC). In Portugal findet Pegida dagegen eigentlich nur auf einer Facebook-Seite statt.

Regionalveranstaltung von „Pegida-Dreiländereck“ am Sonntag

In der Schweiz bleibt die Pegida-Gruppe eine marginale Kraft. Etliche Versuche, Demonstrationen anzumelden, wurden behördlich unterbunden. Die Köpfe der Pegida-Eidgenossen zieht es daher häufig zu Veranstaltungen nach Österreich oder Deutschland. Als dortiger Pegida-Drahtzieher gilt Mike Spielmann. Ihm zur Seite stehen Tobias Steiger, ehemals Mitglied der national-populistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP), und Ignaz Bearth. Letzterer pflegt Medienberichten zufolge eine Freundschaft zu Lutz Bachmann und war Mitglied bei der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) sowie bei der SVP. Zusammen mit Steiger war er am 28. September Redner bei Pegida in Dresden.

Für Sonntag, den 6. Dezember lädt Bearth zur mittlerweile vierten Regionalveranstaltung von „Pegida Dreiländereck“ nach Weil am Rhein ein, wo er bereits im Vormonat regelmäßig als Redner auftauchte. Dort sollen zudem einmal mehr Klaus Springer, ein mehrfach gescheiterter, parteiloser Kandidat bei diversen Oberbürgermeisterwahlen, und der Österreicher Hannes Germ Ansprachen halten. Bearth hat 2012 die rechtsaußen anzusiedelnde Direktdemokratische Partei Schweiz (DPS) gegründet und ist deren Präsident. Bei den jüngsten Nationalratswahlen scheiterten alle DPS-Kandidaten kläglich, Bearth inklusive.

In Österreich verfügt Pegida über regionale Strukturen wie etwa in Wien, Graz oder Linz. Der Zulauf ist dennoch bescheiden, weil das Thema Anti-Islam seit langem und insbesondere schon vor Gründung von Pegida von der FPÖ besetzt wird. Bachmann hat bereits häufiger versucht, auch den FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nach Dresden zu locken, doch der hat trotz verbaler Sympathiebekundungen für Pegida bisher gezaudert. Die Pegida Hungary-Facebook-Seite ist ein umfangreiches Propaganda- und Meinungsorgan, allerdings kein Mobilisierungsportal. Die xenophoben Pegida-Inhalte werden vom regierenden ungarischen Ministerpräsidenten Orban und seiner Fidesz-Partei besetzt.

Auf der Facebook-Seite von Pegida-Russia herrscht seit einigen Wochen Sendepause. Neuer Ableger auf der europäischen Pegida-Karte ist dafür Estland.

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