Pegida-Ableger in Hessen

Rechtspopulisten, Neonazi-Hooligans und NPD-Anhänger marschieren im hessischen Kassel gemeinsam bei den Protestaktionen unter dem Motto „Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Kagida). Auch die AfD ist dabei.

Donnerstag, 11. Dezember 2014
Julian Feldmann

Zum zweiten Mal versammelten sich am Montagabend Anhänger der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) im nordhessischen Kassel. Erneut blieb die Teilnehmerzahl hinter den Erwartungen des Veranstalters zurück, lediglich rund 80 Rechte kamen. Sie sahen sich etwa 500 Demonstranten eines Anti-Rechts-Bündnisses gegenüber. Am Zugang zum abgesperrten Scheidemannplatz nahe des Hauptbahnhofs begrüßten zwei Männer mit Ordner-Binden die ankommenden Gäste mit Handschlag. Jüngere Männer in rechter Szenekleidung, aber auch Mittfünfziger und Rentner kamen. Die Ordner gaben sich pressefeindlich, wollten nicht fotografiert werden.

Initiiert wurde „Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Kagida) von Michael Viehmann aus Kassel, der ehemalige Eventmanager hatte bereits an den „Hooligans gegen Salafisten“-Demos in Köln und Hannover teilgenommen. Er koordinierte die Anreise aus Nordhessen mit und trat in Hannover als Ordner auf. „Es geht um die Zukunft Europas, es geht um die Zukunft von Deutschland“, tönte Viehmann am Montag. Er möchte nicht, dass Weihnachtsmärkte in Wintermärkte umgewandelt werden.

Facebook-Eintrag mit NS-Parole

Ein Neonazi will Viehmann nicht sein, auch wenn der „Hessische Rundfunk“ ihn einen nannte. Bei seiner Demo spricht er sich „gegen jegliche Art von Radikalismus“ aus. Wie die „Frankfurter Rundschau“ berichtet, begann Viehmann jedoch ausgerechnet am 9. November einen Facebook-Eintrag mit der NS-Parole „Deutschland erwache!“. Als er sich in einem anderen Post über das „Judenpack“ echauffierte, schrieb er an die Adresse von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „man sollte dich steinigen du Vieh“. Ein vermeintlicher „Massenmord“ Israels an Palästinensern wäre Auslöser von neuem Antisemitismus. Er hoffe, dass „hier bald eine Revolution ausbricht und dem ganzen Deutschen Politpack der Schädel eingeschlagen wird“ (alle Fehler im Original).

Der Vorsitzende des örtlichen Kreisverbands der „Alternative für Deutschland“ (AfD), Manfred Mattis, schreckt ein solcher Anmelder offensichtlich nicht. Er trat bei der jüngsten Kagida-Demonstration gar als Redner ans Mikrofon, wurde als „Linksextremismusexperte“ angekündigt. Zu den „Demokraten und Freunden unseres Rechtsstaates“ sprach der AfD-Chef über seine Erfahrungen mit den Medien. Denn Ende der 90er Jahre war Mattis Vorsitzender einer „Bürgerinitiative Kassel gegen Euro 99“. Deren Montagsdemos seien ähnlich wie die heutigen umstrittenen Kagida-Kundgebungen in die Kritik geraten. Und deshalb warnte er in seiner Rede gar vor Agents Provocateurs unter den Teilnehmern der Demonstration, die dem Anliegen nur schaden wollten.

Auch der Gründer der Kasseler „Friedensmahnwachen“, Victor Seibel, trat als Redner bei Kagida auf und wetterte: „Zionismus ist eine rassistische Ideologie.“ „Deutschland muss sich von der Schuldkultur befreien!“, rief der den rund 80 Zuhörern entgegen. Die „Hochfinanz“ und die „EU-Diktatur“ seien das Problem, deshalb herrsche in Deutschland nur eine „Scheindemokratie“. Auf Facebook tritt Seibel mit dem Wehrmachts-Spruch „Gott mit uns“ auf. Neben der geklauten Parole „Wir sind das Volk“ skandierten die Kagida-Demonstranten auch „Antifa – Hurensöhne“, als sie auf Gegendemonstranten trafen.

NPD-Funktionär kommt zur Kadida-Demo am Montag

Bei der ersten Kundgebung am 1. Dezember waren auch NPD-Mitglieder vertreten. Bekannte hessische NPD-Funktionäre wie Daniel Lachmann und Stefan Jagsch nahmen teil. Trotzdem behauptete Viehmann: „Es gibt keine NPD-Leute unter uns!“ Laut Medienberichten nahmen auch Mitglieder der „Freien Kräfte Schwalm-Eder“, rechter Burschenschaften und Hooligans aus dem Umfeld des KSV Hessen-Kassel an der ersten Kagida-Aktion teil. Die Hooligan-Szene des Regionalliga-Clubs ist seit Jahren mit Neonazi-Kreisen verbandelt.

Während die Kagida-Anhänger sich während ihres Marsches durch die Stadt friedlich verhielten, steht bei einigen Teilnehmern dennoch juristischer Ärger ins Haus. Die Polizei griff nach Beendigung der Demo einzelne Personen heraus und nahm mindestens einen Mann vorläufig in Gewahrsam. Die Beamten leiteten Verfahren wegen Vermummung und so genannter Schutzbewaffnung ein.

Für den kommenden Montag ist die nächste Kagida-Demo angekündigt. Daniel Lachmann kündigte bei Facebook bereits seine Teilnahme an. Auch NPD-Mann Marcel Weifenbach aus Kaufungen (Kreis Kassel), der zur Europaparlaments-Wahl noch für „Ab jetzt... Demokratie durch Volksabstimmung“ kandidiert hatte, will dann dabei sein.

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