Pastörs statt NPD

In Mecklenburg-Vorpommern führte die NPD zuletzt einen Personenwahlkampf allein mit Pastörs an der Spitze. Mit Erfolg, die rechtsextreme Partei zog wieder in den Schweriner Landtag ein. Doch ihr Wahlfest blieb verhalten.

Montag, 05. September 2011
Andrea Röpke

Der Wiedereinzug der rechtsextremen NPD in den Schweriner Landtag war keine Überraschung. Stammwähler vor allem in Vorpommern sowie die niedrige Wahlbeteiligung von rund 51 Prozent brachten gestern bei der Landtagswahl die Entscheidung: 6 Prozent für die NPD mit ihrem Spitzenkandidaten Udo Pastörs. Über eine Million Euro pro Jahr wird allein die Fraktion mit ihren fünf Abgeordneten in den nächsten fünf Jahren vom Staat kassieren.

Pastörs gab sich siegessicher, nur wenige NPD-Kader waren als Wahlhelfer nötig. Der flächendeckende Wahlkampf der Neonazis wurde von den Freien Kräften um Tino Müller und David Petereit organisiert. Landauf und landab säumten wohl rund 80.000 Plakate der Neonazis die Straßen, unzählige Infostände wurden vor allem in Kleinstädten abgehalten, Kinderfeste veranstaltet, kostenlose Überraschungstüten und Wecker in der Bevölkerung verteilt, sowie Stör- und Provokationsaktionen gegen die demokratischen Parteien unternommen.

Videobotschaften per Internet verbreitet

Die NPD verteilte in den Dörfern Werbezeitungen, stellte sich vor Werkstore und sprach viel mit jungen Leuten, Müttern und Rentnern. Über Pasewalk und Ueckermünde kreiste ein Werbeflugzeug. Auffällige Werbefahrzeuge wurden eingesetzt. Neonazis in einheitlichen rot-weißen NPD-Shirts  oder in blauen mit dem Schriftzug „Pastörs wählen“ klapperten die Wochenmärkte ab. Pastörs ließ sich überall filmen, ständig wurden neue kleine Videobotschaften per Internet verbreitet. Wahlhelfer und NPD-Kandidaten klammerten  kritische Stadtgebiete wie in Rostock oder Greifswald gleich aus. Auch Touristenorte wie Boltenhagen ließen sie links liegen. In ihrem Wahlkampf konzentrierte sich die NPD ganz und gar auf ihre Stammwählerschaft und die Wahlhochburgen der Kommunalwahl von 2009.

Mit Erfolg. Wieder war es der kleine Ort Koblentz in Südvorpommern, der mit 33 Prozent Zweitstimmen für die NPD zu den traurigen Rekordhaltern zählte. Und wieder punktete die NPD mit 15,4 und 12 Prozent in den beiden Wahlkreisen im Landkreis Uecker-Randow, dort leben zahlreiche junge Kameradschaftsanhänger. Ostvorpommern, die Müritzregion und Demmin sind längst Zielgebiete der Rechten. Fast wie gewohnt gehörte auch der Landkreis Ludwigslust mit 7,6 Prozent für die NPD im Westen zu den Spitzenreitern.

Ehrgeizige Anwärter auf den Posten des Parteichefs

Immerhin verlor die NPD im Vergleich zu den letzten Landtagswahlen 2006 um 1,3 Prozent, büßte also ein Drittel der damaligen Stimmen ein und fiel auf rund 40.000 Wähler zurück. Alle Wahlergebnisse sind vorläufig, weil am 18. September noch Nachwahlen im Wahlkreis Rügen I stattfinden. Für die NPD wird sich wohl nicht viel ändern, denn anders als die Insel Usedom gilt Rügen nicht als NPD-Gebiet.

Parteiintern kann Udo Pastörs jetzt mit Holger Apfel aus Sachsen gleichziehen. Beiden NPD-Fraktionen gelang der Wiedereinzug in ein Parlament. Beide Personen gelten als ehrgeizige Anwärter auf den Posten von Parteichef Udo Voigt. Der wirkte denn auch am Wahlsonntag ziemlich verlassen. Während Apfel tagelang in Mecklenburg-Vorpommern im Wahleinsatz war, zeigte sich Voigt nur kurz im Einflussgebiet seines Kontrahenten Pastörs. Eine „Wahlparty“ sollte es am 4. September nicht geben, nur ein kleines Zusammensein von Parteikadern im Pampower Hof bei Schwerin würde es werden. Presse war nicht erwünscht.

Mit dem Luftgewehr auf bunte Zielscheiben geschossen

Gegen drei Uhr am Nachmittag erreichten unter anderem die NPD-Landeschefs aus dem Saarland und Nordrhein-Westfalen das den regionalen Neonazis vertraute Lokal. Die Wirtin begrüßte ihre Gäste, ein Mitarbeiter half beim Aufhängen eines großen Transparentes. Holger Apfel und sein sächsisches Gefolge hatten bereits Zimmer im Nebengebäude bezogen. Als Ordner fungierten diesmal die Sachsen Maik Scheffler, Jens Baur und Marcus Großmann. Nervös rannte Udo Pastörs auf und ab. Eng vertraut tuschelte er mit Holger Apfel. Redete unermüdlich auf den langjährigen Parteifunktionär ein.

Ansprechpartner für die Medien war nicht mehr Peter Marx, sondern der Niedersachse Malte Holtzer. Ein Sendewagen des NDR postierte sich vor dem Pampower Hof. Polizeifahrzeuge standen überall in den umliegenden Straßen. Neugierige Anwohner fuhren vorbei, zeigten aber keine Regung. Nur wenige Straßen entfernt fand das dreitägige Volksfest in Pampow statt. Bereits am Morgen tanzten Paare beim Frühschoppen zur Blasmusik. Noch am Samstag hatten Pastörs und seine Wahlhelfer sich dort sehen lassen. Pastörs schoss mit dem Luftgewehr auf bunte Zielscheiben, während seine Unterstützer ihn begeistert mit dem Handy fotografierten.

Kameraden als Wahlbeobachter unterwegs

Sonntagnachmittags fuhr NPD-Chef Udo Voigt dann gemeinsam mit Uwe Meenen aus Berlin vor. Die Begrüßung zwischen den Parteikontrahenten war kurz und knapp, Pastörs eilte sofort weiter. Schien es kaum abwarten zu können, zum Landtag zu fahren. Voigt blieb auch später auf der Medienmeile vor dem Schweriner Schloss außen vor. Gelangweilt, mit einem Dauergrinsen auf den Lippen, unterhielt sich der in Bayern lebende Parteichef mit Claus Cremer aus Nordhein-Westfalen über das Wetter im Osten.

Besonders auffällig war, dass kein einziger der einflussreichen Kameradschafts-Aktivisten aus Mecklenburg-Vorpommern am späten Nachmittag zum Wahltreff nach Pampow kam. Auch später vor dem Landtag erschienen weder die wieder gewählten Landtagsabgeordneten Tino Müller und Michael Andrejewski noch der radikale Neuzugang David Petereit, der den fünften Abgeordnetenplatz belegen soll. Auch Fraktionsgeschäftsführer Michael Grewe fehlte. Viele Kameraden seien als Wahlbeobachter unterwegs, hieß es ausweichend auf Nachfrage. Und doch, eine einheitlich begangene Siegesfeier der „Bewegung“ schien es nicht zu sein. Eher ein Triumphzug für  Pastörs.  Überhaupt war der Wahlfeldzug immer mehr zur Personenwahl geworden, einzig orientiert an dem selbsternannten Volkstribun aus Lübtheen. Die Taktik schien zu lauten: Weniger NPD, mehr Pastörs. Und der genoss es sichtlich.

Wecker als NPD-Werbegeschenke

Bereits beim letzten Infostand der NPD am Samstagvormittag in Boizenburg war der ehemalige Edelsteinhändler außer Rand und Band. Aufgekratzt nutzte der 59-Jährige den Wochenmarkt gemeinsam mit seinen etwa  zehn Wahlhelfern und der Ehefrau, um letzte Wählerstimmen zu erhaschen. Während CDU, SPD, Die Linke und eine regionale Bürgerinitiative nebeneinander ihre Stände aufgebaut hatten, war die NPD ans Ende des Marktes bugsiert worden. Die NPD verschenkte Wecker an die Boizenburger Bürgerinnen und Bürger.

Pastörs eilte  auf die Menschen zu, drückte ihnen das Werbegeschenk in die Hand, klopfte Schultern und flüsterte verschwörerisch: „In der Wahlkabine, wo es keiner sieht, macht man dann schon mal was Vernünftiges“. Ein Zwinkern, dann konnten sie gehen. Kurz darauf schäkerte er mit jungen Müttern, guckte begeistert glucksend in Kinderwagen. Marianne Pastörs, Direktkandidatin der NPD. lächelte männliche Marktbesucher an, er sprang sofort dazwischen und krakeelte: „Nicht, dass sie mir die noch abwerben“. Kumpelstyle und Bürgernähe bestimmten den Wahlkampfauftritt.

Nicht alle Boizenburger waren begeistert, einige lehnten die Gratisgabe ab. Auch mit den Worten: „Man weiß, was man nicht wählt!“

SPD-Minister umzingelt und beleidigt

Irgendwann schien es  Pastörs zu langweilig zu werden. Mit dem Gefolge im Schlepptau versuchte er zunächst, am Infostand der Bürgerinitiative gegen Rechts zu provozieren, konnte sich dort jedoch nicht durchsetzen. Einer klebte ihm einen Anti-Nazi-Aufkleber ans Revers, alle lachten. Pastörs wetterte und ging. Am Stand der Linken fand er es zunächst lustig: „Hier ist ja richtig was los“. Doch die Neonazis waren nicht erwünscht. Zwei Polizisten erschienen. Pastörs gab die Parole aus, jetzt gehe es zum Tisch der SPD und zu „Till Eulenspiegel“, gemeint war der Landwirtschaftsminister und unermüdliche NPD-Warner Till Backhaus. Der befand sich im Gespräch mit drei Frauen und wurde von den Neonazis umzingelt.

Pastörs beleidigte Backhaus als „letzten Kastraten von Europa“, bediente sich wahllos am SPD-Stand und juchzte: „Frische Waffeln, frische Waffeln“. Auch NPD-Filmer Jörg Hähnel stieg in die Provokationen mit ein, bis Polizisten ihn wegdrängten. Backhaus und seine Mitstreiter reagierten empört. Pastörs rückte noch näher. Marianne Pastörs zupfte am Ärmel ihres Ehemannes, versuchte ihn wegzudrängen, auch Stefan Köster half und setzte noch einmal in Richtung Minister nach: „Sie sind doch eine politische Luftpumpe“.

Grill mit der Inschrift „Happy Holocaust“ im „Thinghaus“

In den letzten Tagen vor der Wahl hatte insbesondere Pastörs versucht, durch Provokationen – stets gefilmt und kurz danach veröffentlicht – auf sich aufmerksam zu machen. Eiskalt nutzten die Neonazis den gesellschaftlichen Spielraum, der ihnen gelassen wurde. Pastörs reizte das Thema Beleidigungen aus und scheute bei der Störung einer Veranstaltung mit Gregor Gysi (Die Linke) auch einen möglichen Hausfriedensbruch nicht.

Ins Stottern kam lediglich Stefan Köster, als eine junge Journalistin eines Online-Portals ihn im Gespräch konfrontierte. Die Internet-Reporterin hatte Jamel besucht, war dort verjagt worden. Von wütenden Hunden angebellt, hatte sie mutig einen Blick durch den Wachzaun des „Thinghauses“ in Grevesmühlen geworfen und dabei einen Grill mit der Inschrift „Happy Holocaust“ entdeckt. Sie fragte Köster, was das bedeute, er stotterte nur herum. Auf ihre Frage, ob er das denn witzig fände, entglitt ihm nur: „Nö“. Die Journalistin fragte nach dem Wachturm neben dem „Thinghaus“, Stefan Köster sagte, das sei nur ein Werbeturm, aber auch ein Spielturm für Kinder. Nur hinauf dürften sie aus Sicherheitsgründen nicht.

David Petereit feiert „basisnah“

Pastörs reagierte abgebrühter, als ihn ein Moderator der ARD am Wahlabend danach fragte, warum Kandidaten seiner Partei mit Adolf-Hitler-Signatur auf dem Shirt herumliefen, und ob er denn Hitler gut fände. Pastörs wiegelte ungeniert ab. Obwohl der Neonazi-Anführer ansonsten selten einen Hehl aus seiner Verehrung für  Volk und Führer macht, weiß er sich in der Öffentlichkeit bürgerlich zu geben. Angepasst und radikal, volksnah und provokant, scheinbare Widersprüche, die die NPD im Wahlkampf außer Kraft setzt. Pastörs prollt, prahlt und provoziert gegenüber den Medien. Aber er kann auch anders.

Die einflussreichen Neonazis aus den Reihen von Kameradschaften und Neonazi-Netzwerk „Freies Pommern“ suchten am Wahlabend seine Nähe nicht. Der frisch gebackene NPD-Landtagsabgeordnete David Petereit soll den Erfolg „basisnah“ in kleiner Runde in Grevesmühlen gefeiert haben. Auch die Feier im Pampower Hof währte nicht lange, gegen Mitternacht war dort der Spuk vorbei.

 

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