„Parteialternative“ für Neonazis
Mit der Gründung eines „Stützpunkts Ostbayern“ hat das bayerische Neonazi-Netzwerk „Freies Netz Süd“ seine Strukturen fast komplett in die neue Kleinstpartei „Der III. Weg“ transferiert. Das drohende Verbot könnte damit schon jetzt an Wirkung verloren haben.
Die Ende September 2013 in Heidelberg gegründete Neonazi-Partei „Der III. Weg“ hat kürzlich einen weiteren „Stützpunkt“ in Bayern gegründet. „An einem idyllisch gelegenen See im Bayerischen Wald“ hätten sich am 21. Juni „junge und ältere heimatverbundene Deutsche“ getroffen, „um (…) eine politische Veränderung in der Region einzuläuten“, heißt es auf der Website der Partei. Gemeint war die Gründung eines eigenen „Stützpunkts Ostbayern“, der künftig unter der Leitung des wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilten Walter Strohmeier Niederbayern und die Oberpfalz abdecken soll. (bnr.de berichtete)
Diese neuerliche Gründung steht dabei auch exemplarisch für eine Entwicklung innerhalb der (ehemals) parteifreien Neonazi-Szene im Freistaat, die spätestens mit Beginn des Verfahrens zur Prüfung eines möglichen Verbots des „Freien Netz’ Süd“ (FNS) eingesetzt hat. Seit sich die Neonazis des Kameradschaftsdachverbands infolge einer Razzia im Juli 2013 mit Ermittlungen des bayerischen Innenministeriums konfrontiert sehen, wenden die sich Aktivistinnen und Aktivisten des FNS vermehrt der Partei „Der III. Weg“ zu. (bnr.de berichtete)
„Chance für den nationalen Widerstand“
Begonnen hatte diese Entwicklung subtil. Anfangs berichtete das Neonazi-Netzwerk FNS mit einem Monat Verspätung auf seiner Website über die Gründung der Partei, die damals wohlwollend als „eine neue Chance mehr“ für den „nationalen Widerstand“ bezeichnet wurde. Kurz darauf wurden dann erstmals in größerem Umfang Texte von „Der III. Weg“ durch das FNS übernommen. Im Zuge dessen wurden eigene Beiträge immer öfter durch solche der Partei ersetzt, sodass die Website des FNS bis zu ihrer Einstellung (bnr.de berichtete) beinahe vollständig aus übernommenen Beiträgen der „III.-Weg“-Homepage bestand.
Ungefähr im selben Zeitraum sind führende Aktivisten des Neonazi-Netzwerks nicht mehr im Namen des FNS, sondern als Vertreter der „neuen Parteialternative“ ‚Der III. Weg’“ aufgetreten. Neben dem einschlägig verurteilten FNS-Führungskader Matthias Fischer betrifft dies vor allem den bis Mai 2013 inhaftierten Tony Gentsch aus Oberprex, der sowohl im November im thüringischen Greiz als auch im Januar dieses Jahres im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen offiziell im Namen der Partei um Ex-NPD-Funktionär Klaus Armstroff gesprochen hat.
Parallel zu diesen Entwicklungen etablierte die Partei aber auch zusehends eigene Strukturen im Freistaat. Inzwischen, ein Jahr nach Beginn des Ermittlungsverfahrens, gibt es bereits fünf „Stützpunkte“ des „III. Wegs“ in Bayern, die einen Großteil des Aktionsraums der vormals parteifreien Neonazis abdecken. So entstand Ende November vergangenen Jahres in der Landeshauptstadt München der erste „Stützpunkt“ der neuen Partei im Freistaat. Bei dessen Gründung hielt der derzeit inhaftierte Rechtsterrorist Martin Wiese eine Rede. Wenig später gründete sich Anfang Januar ein zweiter „Stützpunkt“ in Hof, der seit April den neuen Namen „Hochfranken/Vogtland“ trägt. Als einer der maßgeblichen Aktivisten dieses Stütz-punkts gilt Tony Gentsch, früher Führungskader des FNS.
FNS-Aktivitäten komplett eingestellt
Besonders deutlich wird die enge strukturelle wie personelle Verknüpfung auch in der Region Mittelfranken, die seit jeher als einer der Hochburgen der bayerischen Neonazi-Szene gilt. Im März dieses Jahres gründete sich ein dritter „Stützpunkt“ für „Nürnberg/Fürth“, mit dem „der Ausbau der nationalrevolutionären Partei vom ‚III. Weg’ im Bundesland Bayern (…) kontinuierlich weiter“ geführt werden sollte. „Referent“ bei dieser Veranstaltung war Matthias Fischer. Der in Stadeln bei Fürth wohnhafte Neonazi war bis zu deren Verbot 2004 Aktivist der „Fränkischen Aktionsfront“ (FAF) und wurde später für einige Zeit Vorsitzender der Jungen Nationaldemokraten in Bayern. Nach Differenzen mit der NPD verließ er die rechtsextreme Jugendorganisation und gründete Anfang 2009 mit Gleichgesinnten schließlich das „Freie Netz Süd“, als dessen Führungsfigur der einschlägig verurteilte Fischer seitdem bundesweit bekannt ist.
Zur weiteren Verankerung im Freistaat haben außerdem der im Mai gegründete Stützpunkt in Schwaben sowie der jüngste Stützpunkt in Ostbayern beigetragen. Damit hat das FNS seine lokalen Strukturen in den für die Szene bedeutenden bayerischen Regionen fast vollständig in die braune Kleinstpartei transferiert. Zeitgleich scheinen Aktivitäten des „Freien Netzes Süd“ beziehungsweise seiner lokalen Ableger vielerorts komplett eingestellt worden zu sein. Und in Niederbayern macht die Szene sogar überhaupt keinen Hehl aus diesem Trend: Als das neonazistische „Infoportal Niederbayern“ im Juni die Einstellung seiner Internetseite bekannt gab, wurde dies ganz offen damit begründet, dass sich „die Schriftleitung“ der Website in der nächsten Zeit der Partei „Der III. Weg“ zuwenden wolle.
„Bürgerfest“ in der Immobilie in Oberprex am Samstag
Dementsprechend wenig überraschend ist es, dass „Der III. Weg“ auch verstärkt eigene Veranstaltungen in Bayern ausrichtet. So organisierten Mitglieder der Partei beispielsweise am 23. Mai dieses Jahres in Deggendorf ein rassistisches „Aktionswochenende“ gegen eine geplante Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge oder Flugblattverteilungen gegen Asylbewerber im niederbayerischen Kirchdorf am Inn. Verteilaktionen wurden ferner in der Region Oberfranken, in anderen Orten Niederbayerns und in Würzburg beschrieben.
Aktuell mobilisiert die Neonazi-Partei für ein „Bürgerfest“ in der von Tony Gentsch bewohnten FNS-Immobilie im oberfränkischen Oberprex, das am 12. Juli ab 14.00 Uhr stattfinden wird. Als Redner für Samstag angekündigt sind Matthias Fischer und Tony Gentsch sowie Rico Döhler, im Programm ist zudem von „Informationsständen“ und zwei nicht benannten „Liedermachern“ die Rede. Beworben wird die Veranstaltung schon jetzt vollständig unter dem Label von „Der III. Weg“.
Wenn sich am Donnerstag, zwei Tage vor dem rechtsextremen „Bürgerfest“ in Oberprex, die Razzia gegen das FNS dann zum ersten Mal jährt, dürfte dies kaum mehr einen Neonazi im Freistaat interessieren — die Ersatzstrukturen sind immerhin schon seit einiger Zeit etabliert.