Ostritz: Wenn militante Neonazis feiern


„Der Revolver ist geladen“
Heise sprach am Samstag im politischen Teil der Versammlung von reiner Schikane. Er forderte Teilnehmer auf, die sich hier ungerecht behandelt fühlten, etwa wegen ihres Alkoholgehalts – die Polizei ließ wohl tatsächlich einige Neonazis „pusten“ – ausgeschlossen werden sollten, sich bei Kadern die Dortmunder Rechten zu melden. Die würden „den Rechtskampf“ führen, im Hinblick auf weitere Veranstaltungen vor Ort. Ein Dorn im Auge war Heise auch der volle Zugang für Journalisten zum Veranstaltungsort, der von der Polizei jederzeit gewährt und auch abgesichert wurde. Für den ersten größeren Besuch von Medienvertretern am Samstag hatte er sich einen besondere Provokation ausgedacht. Das folgende Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bedrohung dürfte er also mit eingeplant haben. Heises besondere Abneigung gilt einem Journalisten, der für den NDR schon einige Beiträge über den NPD-Bundesvize erstellt hatte. Er sprach ihn direkt an: „Der Revolver ist schon geladen.“ Eine unverhohlene Drohung. Heise relativierte diese im Anschluss, der Mann hätte die Waffe selbst gefüllt. Zudem ermittelt die Polizei gegen einen weiteren Neonazi wegen Körperverletzung, der einen Fotografen getreten haben soll.Als weiterer Redner trat Tobias Schulz, Künstername Baldur Landgart, auf, vor wenigen Tagen erst aus dem NPD-Parteivorstand ausgetretener Künstler und Publizist; er erklärte die soziale Frage für die nationale Bewegung für beendet. Selbst Hartz IV-Empfänger könnten sich heute Dinge leisten, die früher nur Fürsten vorbehalten gewesen seien. Schon fast neoliberal legte er hier einen absoluten Armutsbegriff an den Tag und erklärte damit Kampagnen der völkischen Szene für irrelevant. Seiner Meinung nach sollte sich die Szene auf eine Verbindung der „völkischen Frage“ mit dem Umweltschutz bemühen. Auch hier wählte er – wenig überraschend – das Jahr 1945 als Zäsur. Danach habe die große Umweltzerstörung erst so richtig begonnen. NPD-Kader Sebastian Schmidkte sprach über das in der rechten Szene an Bedeutung gewinnende Thema „Preppen und Krisenvorsorge“. Für Teile der rechten Szene ist ein Bürgerkrieg kein Schreckensgespenst. Mit Waffen und Listen mit unerwünschten Personen sehen sie in dem „Tag X“ eine Möglichkeit zur Abrechnung und eingebildeter „Reinigung“ des „Volkskörpers“.„Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“
— Oliver von Dobrowolski (@vonDobrowolski) 22. Juni 2019
Häufiger Spruch auf Patches der Templer oder Kreuzritter. So in vielen Militär-/Polizeishops erhältlich.
Der abgebildete Kollege trägt ein Templerpatch.
Indiziert das seine Haltung zur Deeskalation?#Ostritz https://t.co/Jeo9XEqPEt
Combat 18 und Brigade 8 feiern mit
Für Aufsehen sorgte auch die Teilnahme einiger Neonazis in der Kluft der Brigade 8 und teilweisen Bezügen zur in Deutschland nicht verbotenen Terrororganisation Combat 18. Auch Stephan E., der mutmaßliche Mörder des Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, soll sich im Umfeld der Gruppen bewegt haben. Ungeachtet der Erkenntnisse zeigten sich die Anhänger in ihren typischen Kutten recht unbeeindruckt. Unter einer dieser Westen war auch deutlich ein Combat 18-Shirt zu sehen.
Personen aus dem Umfeld von Brigade 8 mit dem Logo von Combat 18 auf ihren T-Shirts
Ansonsten bot das Festival an der Grenze zu Polen den Neonazis die bekannten Vorteile gegenüber anderen Veranstaltungsorten. Das Gründstück ist weitläufig genug, um Autos abzustellen und zu campen. Ein Teil wurde erneut von der öffentlichen Versammlung als Privatgrundstück abgegrenzt. Dort befanden sich auch die Verkaufsstände, etwa vom NPD-nahen DS-Warenhaus, von Ansgar Aryan, Black Legion – und auch Tommy Frenck war mit einem Stand vertreten. Medienvertreter, die den Bereich auf dem Weg zum öffentlichen Versammlungsgelände passieren mussten, wurden von den Ordnern, uniformiert in den Shirts der „Arischen Bruderschaft“ kritisch beäugt und sofort angegangen, wurde doch mal eine Kamera in Position gebracht.Nächster Rechtsrock-Event folgt
Kleinere Scharmützel gab es auch vor dem Eingang. Ein Neonazi, der mit lauten Rufen in Richtung Medienvertretern aufgefallen war, näherte sich bedrohlich einer Medienvertreterin, konnte jedoch aufgehalten und im Anschluss von der Polizei abgeführt werden.Insgesamt zog die Auflage von Schild und Schwert wieder auch ein internationales Publikum aus zahlreichen europäischen Ländern an. Ab den frühen Abendstunden erfolgt dann vor allem eine regionale Anreise. Ein Mitglied der „Lunikoff-Verschwörung“ sieht sich einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt, weil er den Auftritt teilweise vermummt absolvierte. Die Beamten warteten mit dem Zugriff bis nach dem Auftritt und stellten die Personalien fest. In zwei Wochen findet in Themar das nächste Rechtsrock-Festival statt. Am Ende des Tages ließ Heise noch Spendensammler herumgehen. Die Mittel würden in Hausprojekte der Dortmunder Szene fließen. Update, 24. Juni, 14:15 UhrOstritz in Sachsen: Bürger kaufen Biervorräte auf - aus Protest gegen Neonazis https://t.co/ektLXuPW3T pic.twitter.com/DHDmGlaGBN
— DER SPIEGEL (@DerSPIEGEL) 22. Juni 2019
Offenbar nahm der Tatverdächtige Stephan E. dieses Jahr doch nicht an einem Szene-Veranstaltung in Sachsen teil, laut Spiegel TV sei es zu einer Verwechslung gekommen. Wir haben den Part angepasst.