Demonstrationen
Ostermärsche: Querfront ante portas?
Überschattet von Querfront-Debatten haben am Osterwochenende bundesweit Ostermärsche stattgefunden. Weil auch Querdenker, Verschwörungsgläubige und Rechte an die Proteste andockten, herrschte zuweilen Unfrieden.
Nach Ende der Corona-Schutzmaßnahmen und der Debatten um die Impfpflicht waren Querdenker, Reichsbürger, Rechtsextreme, Die Basis und die AfD auf der Suche nach neuen Themen für ihre Straßenproteste. Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine entdeckte man das Thema Frieden, zunächst jedoch oft eher im Sinne russischer Propaganda. Zudem nutzte man das Thema als Resonanzraum, um Stimmung gegen USA, NATO, die Bundesregierung und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu machen. Die AfD inszeniert sich nun sogar als einzig wahre „Friedenspartei“, während andere Protagonisten Querfront-Bestrebungen propagieren.
In Nordrhein-Westfalen sorgt seit einigen Wochen das „Friedensbündnis NRW“ für Streit und spaltet die Friedensbewegung. Das Bündnis setzt sich aus Gruppen und Aktivisten zusammen, die oft schon seit den „Corona-Demos“ aktiv sind, rechtsoffen agieren und Antifaschisten als „Faschisten“ oder „Nazis“ diffamierten. In Düsseldorf demonstrierten bei der ersten Demo vor einigen Wochen dennoch auch Vertreter der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) mit. Im Vorfeld der Ostermärsche stellte VVN-BdA-Landessprecher Falk Mikosch angesichts der maßgeblichen Beteiligung der Partei Die Basis an dem neuen Bündnis in einem Rundbrief fest: „Mit sehr großer Mehrheit wird eine Beteiligung an Aktivitäten der rechtsesoterischen Partei dieBasis abgelehnt.“
Stärkung der Militaristen und Militanten
Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im sächsischen Parlament, stellte in einem Gastkommentar für „nd-aktuell“ – zuvor „Neues Deutschland“ – die Frage: „Ist es den betreffenden Linken schlicht egal, mit wem sie marschieren?“ Die Öffnung der Friedensbewegung nach rechts stärke letztlich nur das rechte Spektrum, so Köditz´ Resümee. Zu Ende gedacht stärken Pazifisten also auch Militaristen und Militante. Nach ähnlichen Vorwürfe durch Antifaschisten gegen die „Berliner Friedenskoordination“ stellte diese in einer Stellungnahme fest: „Kein Frieden mit Rechten!“ Antifaschisten würden bei ihren Vorwürfen gegen Gruppen und Parteien wie Die Basis aber „in keinem Fall ihre rechte oder gar faschistische Ausrichtung“ belegen. Mit „tatsächlich rechten Gruppierungen“ kooperiere man nicht.
Die Gretchenfrage lautet: Was oder wer ist rechts? War dies etwa der Ostermarsch in München aus dem verschwörungsideologischen Spektrum? Involviert waren darin auch Vertreter des „Friedensbündnis NRW“, etwa die Bühnenmoderatorin Mona Aranea (Die Basis). Als frühere Lokalpolitikerin der Grünen in Mönchengladbach verließ sie im erbitterten Streit über die Corona-Schutzmaßnahmen die Partei und nutzt seitdem jede Gelegenheit, um nach zu treten. Sie betonte am Samstag, man distanziere sich von Verfassungsfeinden. Gemeint waren damit aber nicht Teilnehmer, die der Journalist Robert Andreasch in einem Tweet als „krasses Füllhorn an NS-Relativierung, Querfront-Aufrufen, 11.9.-Verschwörungsideologie, Pandemieleugnung, Antiamerikanismus und Putin-Propaganda“ umschrieb. Mit den Verfassungsfeinden, von denen man sich distanzieren wollte, waren Araneas kruder Weltsicht nach die Bündnis-Grünen gemeint.
Man kennt sich von „Pegida-Spaziergängen“
Politisch eindeutiger war der Ostermarsch in Chemnitz an Ostermontag geprägt, den auch die rechtsextreme Regionalpartei „Freie Sachsen“ beworben hatte. Einer der Redner war Stefan Hartung, aktiv bei der NPD und den „Freie Sachsen“. Viele Teilnehmer trugen bei dem späteren Umzug Fahnen und Symbole der Friedensbewegung, also die hinlänglich bekannte weiße Friedenstaube auf blauem Grund. Auf dem im Stile der Friedensbewegung aufgemachten Frontbanner stand die Losung „Frieden schaffen ohne Waffen“.
Zwischen solchen Flaggen und Bannern waren Schilder und Fahnen der „Freien Sachsen“ und der AfD zu sehen. Ein Redner betonte, er kenne viele Teilnehmer von den „Pegida-Spaziergängen“, den „Corona-Demos“ und von den „Friedensdemos“. Auch ein Aktivist der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB) hielt eine Rede. Die Rede war mit völkischen und rassistischen Andeutungen gespickt. Der „Identitäre“ lobte zudem den Kampfeswillen der Germanen und der „Ahnen“. Er gab am Ende zu, das Thema der Demonstration wohl leicht verfehlt zu haben. Nach seiner Rede wurde der IB-Aktivist zwecks Aufnahme seiner Personalien von der Polizei abgeführt.
„Steinzeit-Kommunisten“ und „Querdenker“
Welche obskuren Symbiosen diese Unklarheiten schaffen, war in Düsseldorf beim Ostermarsch zu sehen. Obschon er seit vielen Jahren traditionell maßgeblich von der DKP organisiert und geprägt ist, mischten sich am Samstag auch hier Personen aus dem Spektrum des rechtsoffenen und anti-antifaschistischen „Friedensbündnis NRW“ sowie „Querdenker“ und Verschwörungsgläubige unter die Teilnehmer. In Köln kam es vor laufender WDR-Kamera zum Streit, weil Antifaschisten mit Plakaten über Verbindungen ins rechte Spektrum informierten.
Ein Anhänger des dubiosen „Friedensforschers“ und Verschwörungsgurus Daniele Ganser störte die WDR-Aufnahmen und behauptete, die Antifaschisten würden „andere Leute […] diffamieren“. Zum Abschluss des Ostermarsches Rhein-Ruhr in Dortmund zeigte der WDR Aufnahmen von Die Basis-Aktivisten, die wie bei einem Karnevalsumzug mit einem Banner schunkelten. Zu lesen war auf dem Banner: „Verhandeln statt schießen! Frieden schließen!“ Seit langem begleiten Neonazis aus Dortmund diesen Ostermarsch um zu provozieren. In diesem Jahr höhnte die „Heimat Dortmund“, also der NPD-Kreisverband, via Telegram: „Steinzeit-Kommunisten von DKP und MLPD, kurdische Linksextremisten, Anarchos, Die Linke und Alt-Hippies marschierten in trauter Eintracht mit Anhängern von Die Basis, Demokratischer Widerstand und weiteren Personen aus dem Querdenker-Spektrum.“
Dominante Rechtsoffenheit
Bundesweit fanden an diesem Wochenende viele Ostermärsche statt. Alleine das Netzwerk Friedenskooperative will mehr als 120 davon koordiniert haben. Das Netzwerk ist seit langen der Dachverband für die offiziellen Ostermärsche. In den Sozialen Medien und Telegram-Kanälen der Querdenker, Reichsbürger, Impfgegner, Verschwörungsgläubigen, Esoteriker sowie der rechten Szene(n) rief man Mitstreiter dazu auf, sich den Ostermärschen der Friedenskooperative anzuschließen. In anderen Fällen fanden eigene Ostermärsche aus den genannten Spektren statt. Zuweilen wurden die üblichen „Montagsspaziergänge“ an Ostermontag kurzerhand als „Ostermärsche“ umbenannt.
Übersichtlich war an diesem langen Wochenende zwischen Karfreitag und Ostermontag wenig bei den traditionellen Kundgebungen und Demonstrationen der Friedensbewegung. Ähnlich wie bei den rechtsesoterischen und vom Querfront-Gedanken geprägten „Friedensmahnwachen“ 2014 wurde betont, man demonstriere für den Frieden – gleichwohl wurden auffallend oft eher USA, NATO, Bundesregierung und Selenskyj kritisiert. Zuweilen waren russische Flaggen oder solche der DDR und der Sowjetunion zu sehen.
An der Seite eines nationalistischen Autokraten
Mit derlei Agieren und Symbolik stellte man sich während einer Friedensdemo an die Seite eines Aggressors. Ebenso stellte man sich an die Seite eines nationalistischen Autokraten wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dessen öffentlichen Reden hörten sich zuletzt in Teilen an, als habe er zu viel im rechtsextremen, verschwörungsideologischen „Compact“-Magazin gelesen oder sich gar mit wahnhaften QAnon-Mythen beschäftigt. Schon in ihrem Kommentar hatte Köditz, siehe oben, festgestellt: „Die Friedensbewegung war immer pluralistisch und nie nur links. Rechtsoffene Positionen sind jedoch nicht mehr marginalisiert.“