Thüringen

Opferberatung geht von hoher Dunkelziffer aus

Die mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, ezra, kann bei der Vorstellung der Jahresstatistik für 2021 keine Entwarnung geben, sondern geht vielmehr von einer hohen Dunkelziffer unbekannter Vorfälle aus. Regional wurden die meisten gewaltsamen Vorgänge in Erfurt erfasst.

Mittwoch, 06. April 2022
Horst Freires
Die Mehrheit der Angriff fand aus rassistischer Motivation heraus statt, Grafik: ezra
Die Mehrheit der Angriff fand aus rassistischer Motivation heraus statt, Grafik: ezra

Die unabhängige Monitoring-Stelle erfasste im vergangenen Jahr insgesamt 119 Gewalttaten, vornehmlich mit rassistischem Hintergrund (80 Fälle/67 Prozent). Im vorhergehenden Berichtsjahr waren es 102 Gewalttaten und darunter 62 mit rassistischer Motivationslage. 177 Menschen waren 2021 direkt betroffene Opfer, darunter 27 Kinder. Übergriffe und Drohszenarien erfolgten sowohl im privaten Umfeld als auch im öffentlichen Raum wie zum Beispiel an Bushaltestellen oder in der Straßenbahn.

Es hat sich bei den Straftaten größtenteils um Körperverletzungsdelikte (84/71) gehandelt. 14 registrierte Taten der ezra-Auflistung hatten dabei Corona als Ursprung. Als Hotspot in Sachen rechte Gewalt hat sich abermals Erfurt mit 28 Fällen erwiesen, gefolgt von Jena (16), Weimar (11) und Gera (8). Bereits für das Jahr 2020 war die Landeshauptstadt mit 29 erfassten Übergriffen als statistischer Spitzenreiter ausgemacht worden.

Mehr Zivilcourage

Insgesamt begaben sich im Vorjahr 234 Menschen in die Betreuung und Beratung von ezra. Die Opferberatung verzeichnete eine deutliche Zunahme von Attacken und Anfeindungen gegen Journalist*innen, insbesondere im Verlauf der Berichterstattung im Zuge von Protesten aus dem Querdenken-Milieu – für ezra Ausdruck einer jahrelangen Feindmarkierung durch extrem rechte Akteur*innen wie der AfD.

Anzahl der Angriffe über die letzten zehn Jahre betrachtet, Grafik: ezra
Anzahl der Angriffe über die letzten zehn Jahre betrachtet, Grafik: ezra

Die Beratungsstelle verweist darauf, dass die Größenordnung rassistischer Übergriffe wieder an das Niveau von 2015 anknüpft. In diesem Zusammenhang appellieren die Opferberater*innen an die breite Öffentlichkeit, sowohl mehr Empathie als auch mehr Zivilcourage an den Tag zu legen. An die Landesregierung und die Justizspitze im Land geht die bereits im Vorjahr erhobene Forderung, für diese Kategorie von Delikten eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft gegen Hasskriminalität einzurichten.

Im Zuge der Vorstellung ihrer Arbeit warnte ezra vor einer gerade allgemein zunehmend wahr zu nehmenden antislawistischen Stimmung. „2022 halten wir die Gefahr einer weiteren Eskalation von Rassismus wie zum Beispiel rassistischer Terroranschläge für extrem groß“, lautete eine abschließende Einschätzung des Thüringer Beratungsteams.

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