Nürnberger Nazischläger muss für 5 Jahre und 6 Monate ins Gefängnis
Vor einem nazifreien Zuschauerraum fand heute der letzte Verhandlungstag gegen Peter R. statt. Das Gericht verurteilte ihn wegen schwerer Körperverletzung zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis. In seiner Begründung machte der Richter deutlich, dass die Tat – entgegen dem Plädoyer des Verteidigers – sehr wohl einen politischen, rechtsextremen Hintergrund hatte und dass gerade in einer Stadt mit der Vergangenheit wie Nürnberg so eine Tat nicht geduldet werden kann.
Die Staatsanwaltschaft und die Anwälte des Opfers hatten vorher in ihrem Plädoyers eine Verurteilung zu sieben Jahren und neun Monaten Haft wegen versuchten Totschlags gefordert. Den versuchten Totschlag sah das Gericht allerdings nicht als erwiesen an, der Richter konnte keine Tötungsabsicht bei der Tat erkennen.
Der Verteidiger des Angeklagten, Anwalt Axel Graemer, begann sein Plädoyer mit einem „Selbstgespräch“, in dem er versuchte zu erklären, warum er als Sozialdemokrat einen vorbestraften und seit Jahren aktiven Nazi verteidigt. Er sei wegen dieses Mandates „kein Komplize“ des Angeklagten und bekämpfe als Sozialdemokrat dessen politische Ansichten. Allerdings verneinte er im Gegensatz zu Anklage und Gericht jeglichen politischen Hintergrund der Tat. Das Opfer habe den Angriff auf sich mit der Kritik an der Thor-Steinar-Tasche der Freundin des Angeklagten selbst provoziert, die Freundin des Angeklagten sei er „aggressiv“ angegangen. Einen Tritt des Angeklagten, der Kampfsportler ist, gegen den Kopf des Opfers verneinte der Verteidiger, einen entsprechenden Zeugen nannte er „theatralisch begabt“.
Allerdings gab Graemer auch zu, dass im Gegensatz zu missverständlichen Äußerungen in den vergangenen Prozesstagen sich der Angeklagte keineswegs von der Naziszene distanziert habe und weiterhin darin eingebunden sei.
Im Gegensatz zu der Verteidigung machten die Staatsanwaltschaft und die Anwälte des Nebenklägers deutlich, dass in ihren Augen mit dem Tritt an den Kopf des Opfers eine Tötungsabsicht verbunden war. Gerade als Kampfsportler musste sich der Angeklagte, der bereits wegen Körperverletzung vorbestraft war und dessen Akte über vierzig Einträge enthält, über die Gefährlichkeit einer solchen Attacke im Klaren sein. Und immerhin musste das Opfer 45 Minuten lang wiederbelebt werden, lag längere Zeit im Koma und trägt immer noch an den Folgen des Angriffs im April 2010. Es war lt. Staatsanwaltschaft nur den Ersthelfern und dem Notarzt zu verdanken, dass das Opfer nicht starb. Und der politische Hintergrund der Tat wurde schon dadurch deutlich, dass Peter R., der „Spezialist für Körperverletzung“ (so der Aufdruck auf einem T-Shirt, das der Angeklagte als Zuschauer in einem anderen Prozess trug), das Opfer aufgrund der Kritik an Thor Steinar unmittelbar nach der Tat als „linke Zecke“ bezeichnete.
Im Verlauf des Prozesses kam es von Seiten der Nazis zu wiederholten Versuchen, Zeugen einzuschüchtern, die Familie des Opfers wurde bedroht, die Adresse auf einer Naziseite im Internet veröffentlicht. Inzwischen ist die Familie umgezogen, verschiedene Zeugen waren wegen der Bedrohung nicht bereit, öffentlich in der Verhandlung ihren Namen und ihre Adresse zu nennen.
Bisherige Berichte:
Nürnberg: Teilgeständnis des Nazi-Schlägers
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