Nürnberg: "Tiroler Höhe" als zentraler Nazitreff und Kristallisationspunkt der extrem rechten Szene der 1990er Jahre

Sonntag, 16. Dezember 2012
Rüdiger Löster
Ralf Ollert, NPD
Ralf Ollert, NPD

Dass die Mörder des „Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“ Kontakte zu Nazis in Nürnberg gehabt haben müssen, wird von Beobachtern der Naziszene schon länger vermutet. Nun hat aber das „Nürnberger Bündnis Nazistopp“ bei einer Pressekonferenz am 14. Dezember Dokumente vorgelegt, die den Verdacht erhärten, dass die Nürnberger NPD schon in den 90er Jahren Kontakte zu gewaltbereiten Nazis aus dem „Thüringer Heimatschutz“ gehabt hat, der Gruppierung, aus der der NSU hervorging.

So wurde ein Foto aus dem Jahr 1997 vorgelegt, das Ralf Ollert (Stadtrat der rechtsextremen „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ in Nürnberg und ehemaliger bayerischer Landesvorsitzender der NPD) zeigt: bei einer Nazi-Demonstration in Neuhaus am Rennweg, direkt neben Beate Zschäpe, Uwe Bönhardt und Tino Brandt. Brandt hat die Naziszene in Thüringen maßgeblich mit aufgebaut und mit den Geldern, die er vom Verfassungsschutz für seine Spitzeltätigkeit erhielt, finanziert. Ollert bestätigte gegenüber den „Nürnberger Nachrichten“, dass er „etliche Male“ bei Demonstrationen in Neuhaus teilgenommen habe, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt will er aber nicht gekannt haben.

Allerdings war Uwe Mundlos auch in Nürnberg in der Gaststätte „Tiroler Höhe“ zu Gast. Dies wurde durch kürzlich aufgetauchte Akten aus dem Polizeipräsidium Nürnberg bestätigt: Am 18. Februar 1995 wurde Mundlos nach einer Naziveranstaltung in der „Tiroler Höhe“, bei der es zu einem Polizeieinsatz kam, auf der Rückfahrt von der Polizei kontrolliert.

Diese Gaststätte war in den 90er Jahren der zentrale Treffpunkt der Nazis in der Region, dort fanden – auch von der NPD organisierte – Veranstaltungen und interne Treffen statt. Nach einem anonymen Hinweis auf diese Nazitreffen fand sich regelmäßig eine „Schafkopfrunde“ von Antifaschisten im Lokal ein und beobachtete dort das Nazitreiben.

Das „Nürnberger Bündnis Nazistopp“ schreibt dazu: „Es begann alles sehr dubios: Ein gut informierter Mann, der seinen wirklichen Namen und seine Funktion nicht nennen wollte, rief im Mai 1994 einen damals antifaschistisch aktiven Nürnberger an und berichtete ihm sehr detailliert über regelmäßige Neonazitreffen in der Gaststätte "Tiroler Höhe". Diese Mitteilungen bestätigten sich in den darauf folgenden Monaten weitgehend. (...) Bei den Recherchen wurde die zentrale Rolle der wohl meist unter NPD-Federführung laufenden nicht-öffentlichen Treffen Mitte der 1990er Jahre in der "Tiroler Höhe" deutlich: Auf der Basis der Organisation der laufenden NPD-Aktivitäten erfolgte eine intensive Vernetzung mit der militanten (bzw. noch militanteren) Neonaziszene, auch über die Region hinaus. Höhepunkt der überregionalen rechten Vernetzung war der "Nazi-Gipfel" am 25. März 1995 unter Anwesenheit von etwa 60 Neonazis. Neben NPD-Funktionären wie dem jetzigen Stadtrat der "Bürgerinitiative Ausländerstopp" Ralf Ollert waren auch VertreterInnen extrem rechter, "rechtspopulistischer" Parteien sowie die crème de la crème der militanten Naziszene anwesend, beispielsweise Friedhelm Busse, militanter Altnazi und u.a. ehemaliger Chef der zum Zeitpunkt des "Nazi-Gipfels" bereits verbotenen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP).“ Auch der ehemalige NPD-Vorsitzende Günter Deckert, der Funktionär der „Jungen Nationaldemokraten“ Rainer Hatz und der spätere DVU-Sprecher Bernd Dröse tauchten bei Treffen in diesem Lokal auf.

Nach der Veröffentlichung der Neonaziumtriebe und einer antifaschistischen Demonstration am 12. April 1995 endeten die Nazitreffen in der „Tiroler Höhe“.

Das „
Nürnberger Bündnis Nazistopp“ geht davon aus, dass die damals in Nürnberg geknüpften Netzwerke der Nazis zumindest in Teilen bis heute weiter existieren und stellt im Zusammenhang mit diesen Recherchen fest:

  • Die Szene, aus der sich der lokale Unterstützerkreis der terroristischen NSU rekrutierte, traf sich vermutlich Mitte der 1990er Jahre in der "Tiroler Höhe"
  • Die hiesige NPD/JN war eng mit der noch militanteren Naziszene verknüpft und stellte zu dieser Zeit ein wichtiges organisatorisches Rückgrat aller Alt- und Neonazis dar, auch über die Region hinaus
  • Warum waren die späteren NSU-Terroristen in den Jahren 1995 und 1996 im Visier der hiesigen Polizei (Autobahnkontrolle 18.2.95, handgeschriebene Liste der Polizeidirektion Nürnberg vom 21.9.96)? Wer saß außer Mundlos noch im Auto?
  • Sowohl Polizei als auch Verfassungsschutz (Süddeutsche Zeitung 10.4.95) hatten Kenntnisse vom "Nazi-Gipfel" in Nürnberg am 25. März 1995. Da wüsste man gerne Genaueres: Wer - neben den bisher bekannten Personen - nahm an dieser Veranstaltung teil? Waren darunter auch Personen aus dem späteren NSU-Umfeld bzw. NSU-Kern? Was genau wurde diskutiert? An welchen anderen Treffen in der "Tiroler Höhe" nahmen NSUlerInnen teil?
  • Last but not least wäre auch interessant zu wissen: Wer informierte damals die lokale antifaschistische Szene über die Nazitreffen in der "Tiroler Höhe" und warum?

Weitere Infos:

[extern]Nürnberger Zeitung

[extern]Nürnberger Bündnis Nazistopp

sowie die Printausgaben von "Nürnberger Zeitung" und "Nürnberger Nachrichten" vom 15.12.2012

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