NSU-Prozess: Ex-NPD-Funktionär Wohlleben als Strippenzieher im Hintergrund?

Bislang bestand der Münchner NSU-Prozess vor allem aus juristischem Fingerhakeln. Nun könnte es zum ersten Mal spannend werden. Der Angeklagte Carsten S. will auspacken, seine Aussage wird wahrscheinlich den Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben schwer belasten. Unterdessen wurde bekannt, dass die Vergangenheit von Wohllebens Anwältin Nicole Schneider brauner ist, als bislang angenommen.

Montag, 03. Juni 2013
Marc Brandstetter
NSU-Prozess: Ex-NPD-Funktionär Wohlleben als Strippenzieher im Hintergrund?
Vor Gericht sitzen sie einträchtig nebeneinander, wirken vertraut. Ein Eindruck, der nicht täuscht. Denn der im Münchner NSU-Prozess als Mitverschwörer angeklagte Ralf Wohlleben und seine Anwältin Nicole Schneider teilen eine gemeinsame Vergangenheit. Beide kennen sich aus der Thüringer Neonazi-Szene, Schneider gehörte sogar für eine kurze Zeit zum Vorstand der Jenaer NPD – als Stellvertreterin des Vorsitzenden Wohlleben. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist sie nach eigener Aussage kein Parteimitglied mehr. 

Laut dem Stern wollte das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz Schneider, die derzeit auch einen Anklagten im Prozess gegen das als kriminelle Vereinigung eingestufte Neonazi-Netzwerk „AG Mittelrhein“ vertritt, 2003 als Quelle gewinnen. Das Blatt beruft sich auf vorliegende Akten. Informationen hätte die spätere Anwältin sicherlich liefern können: Bereits als 16-Jährige habe sie ihre ersten Gehversuche in der Szene gemacht, damals als Besucherin einer Veranstaltung der später verbotenen FAP.

Schneider blieb umtriebig, der Inlandsgeheimdienst stufte sie als Anhängerin der „Kameradschaft Karlsruhe“, einer der aktivsten Gruppierungen im Südwesten, ein. Zeitweise, genauer bis Ende 2011, arbeitete die gebürtige Pfedelbacherin (Hohenlohekreis) in der Kanzlei „H3“, zusammen mit dem ehemaligen Sänger der Rechtsrockband „Noie Werte“, Steffen Hammer, sowie Alexander Heinig. Heinig ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Er war Frontmann der Neonazi-Kapelle „Ultima Ratio“, der eine Nähe zum militanten Neonazi-Netzwerk „Blood&Honour“ nachgesagt wurde.   

Für Aufregung sorgt derweil die Ankündigung von Wohllebens Mitangeklagtem Carsten S., vor Gericht auszusagen. Einige belastende Aussagen sind bereits durchgesickert und liegen dem Focus vor. Demnach sei der Ex-NPD-Vize von Thüringen in die Aktionen der rechtsterroristischen Gruppierung NSU eingebunden gewesen. Die 2.500 DM für die von S. besorgte und übergebene Waffe, mit der neun Menschen getötet worden sein sollen, kamen S. zufolge von Wohlleben. Laut dem Nachrichtenmagazin umfassen die Aussagen von S., der später Sozialpädagogik studierte und sich 2001 von der Szene abgewandt haben will, 50 Seiten. Der mutmaßliche NSU-Unterstützer fährt schweres Geschütz auf: „Jeder Auftrag des Trios [an S., die Red.] hat die Einbindung und Entscheidung des Ralf Wohlleben bedingt“, sagte er dem BKA.

Bestätigen sich diese Aussagen, könnte Wohhleben als Drahtzieher im Hintergrund angesehen werden. Der 38-Jährige sitzt derzeit, ebenso wie die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, in U-Haft. Drei weitere Beschuldigte befinden sich auf freiem Fuß. Die Szene hingegen unterstützt Wohlleben weiterhin, trotz der neuen Vorwürfe, die auch ein bezeichnendes Licht auf die NPD werfen.

Foto: Thomas Witzgall
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