NPD vor dem Showdown

Für die NPD könnte es bald ernst werden – das Bundesverfassungsgericht verhandelt im März kommenden Jahres über den Verbotsantrag des Bundesrates gegenüber der rechtsextremen Partei.

Mittwoch, 16. Dezember 2015
Tomas Sager

Anfang März kommt es in Karlsruhe zum Showdown. In einer mündlichen Verhandlung über das Verbot der NPD treffen vom 1. bis 3. März vor dem Bundesverfassungsgericht die Rechtsvertreter des Bundesrates, die Professoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff von der Berliner Humboldt-Universität, sowie der Jurist der Partei, der Saarbrücker Rechtsanwalt Peter Richter, aufeinander.

Eine Vorentscheidung in der Sache ist mit der Terminierung nicht verbunden. Kurz und knapp teilte der Zweite Senat des Gerichts am 7. Dezember mit: „Die Verhandlung über die Anträge des Bundesrats ist durchzuführen.“ Allerdings: Mit der Ansetzung der Verhandlung machten die Richter deutlich, dass sie den Antrag, die NPD zu verbieten, jedenfalls nicht für unzulässig oder von vornherein unbegründet halten. Die Argumentation der Partei, die in ihren Reihen nach wie vor V-Leute am Werk sieht und moniert, die Prozessstrategie der NPD werde „ausgespäht“, zog – zumindest noch – nicht.

Beweisantrag auf Beweisantrag genauestens unter die Lupe nehmen

Drei Elemente umfasst die Strategie der Partei im Prozess. Gleich einleitend stehen in der Verhandlung potenzielle Verfahrenshindernisse im Mittelpunkt. Dabei werde es um „die Staatsfreiheit und die Abschaltung der Quellen, die informationsgewinnende Nachsorge sowie die Ausspähung der Prozessstrategie und Kommunikation der NPD mit dem Verfahrensbevollmächtigten gehen“, heißt es bei der NPD. „Hier ist von meiner Seite noch viel zu sagen“, droht Richter schon einmal. Bereits im Vorfeld der Terminierung hat er das Gericht mit einer Vielzahl von Schriftsätzen zum Thema eingedeckt. An solchen Verfahrenshindernissen war das erste Verbotsverfahren im Jahr 2003 gescheitert. Drei der sieben beteiligten Richter – und damit eine Speerminorität – stießen sich vor zwölf Jahren daran, dass V-Leute den Behörden nicht nur ihre Informationen aus dem Inneren der NPD lieferten, sondern zugleich auch handelnde Akteure in der Partei waren, die quasi selbst für Verbotsgründe gesorgt hatten.

Sollte das Gericht anders als damals diesmal keine Verfahrenshindernisse erkennen, droht nach dem Willen der NPD eine mühselige Beweisaufnahme, in der Beweisantrag auf Beweisantrag des 2013 eingereichten und später ergänzten Verbotsantrags des Bundesrates genauestens unter die Lupe genommen wird. Die NPD: „Es wird beantragt, über jeden einzelnen der fast 390 vorgelegten Belege umfassend Beweis zu erheben.“

Unabhängig von allen juristischen Einschätzungen werden sich die NPDler um eine breite politische Solidarisierung bemühen und zugleich suggerieren, dass es in der Verhandlung nicht allein um ihre Partei geht. NPD-Chef Frank Franz: „Ich werde in Karlsruhe mit der NPD nicht nur über das Fortbestehen meiner Partei verhandeln. In diesem Verfahren wird es darum gehen, ob die Meinungsfreiheit in Deutschland faktisch beseitigt wird oder nicht.“ Mit der NPD solle „jeder systemkritische Ansatz vollständig beseitigt und mundtot gemacht“ werden, klagt er. Die „Kritik an einer maßlosen Einwanderung, an der Europäischen Union oder an der Einheitswährung Euro“ solle ebenso aus der Öffentlichkeit verbannt werden wie „jede positive Bezugnahme auf das eigene Volk“.

Die NPD trägt zu einem gesellschaftlichen Klima des Hasses bei

Zugleich sieht die Partei aber das Verfahren, so bedrohlich es für sie auch werden könnte, als Zeichen eigener Stärke. Dass mit der NPD, nach Ansicht ihres Vorsitzenden Frank Franz, die „einzige tatsächlich systemkritische Partei“, verboten werden solle, lasse nur einen Schluss zu. Franz: „Die NPD ist gefährlich“ – gefährlich für die Regierenden. Doch das ist eher Wortgeklingel für die eigene Klientel. In einem Bericht der NPD-Monatszeitung „Deutsche Stimme“ über den Weinheimer Bundesparteitag vom November hieß es: „Die Mitgliederzahlen weisen ein Plus von 8-10 Prozent auf.“ Verschwiegen werden aber die exakten Zahlen und damit ein Hinweis, dass sich, selbst wenn die Angabe stimmt, die Zahl der Besitzer eines Parteiausweises deutlich unter 6000 bewegt. In eigener Sache weist das Parteiblatt zudem darauf hin, „die Abo-Zahlen wiesen ein Plus von netto 14 Prozent auf“.

Ein Beleg für eine wieder erstarkte NPD sind beide Zahlen nicht. Ihre Kernprobleme hat sie nicht gelöst. Die Partei hat einen steten Niedergang hinter sich: Etwas über 5000 Mitglieder zählte sie Ende letzten Jahres; ganze Landesverbände befinden sich in einem desolaten Zustand; in weiten Landstrichen ist sie nicht mehr vertreten; nur noch eine Landtagsfraktion ist ihr geblieben; nach wie vor nicht endgültig ausdiskutiert ist der Richtungsstreit; an der Spitze der Partei steht ein Vorsitzender, der nur mangels Alternative im Amt ist; neonazistische Kleinparteien wie „Die Rechte“ oder „Der III. Weg“ wildern in ihrem Revier. Und zu allem Überfluss gibt es mit der AfD auf dem rechten Flügel eine wahlpolitische Alternative, die weit mehr als die NPD von der Flüchtlings- oder Europapolitik profitiert.

Gefährlich ist die NPD weniger dank organisatorischer Stärke oder parlamentarischer Erfolge. Gefährlich ist sie, weil sie neben den Bachmanns und Höckes zu einem gesellschaftlichen Klima des Hasses und der Verachtung beiträgt, das andere motiviert, mit Steinen oder Brandsätzen zu werfen. Dieses Klima bliebe auch, wäre die NPD verboten.

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