NPD vor dem Finale
Die NPD gibt sich vor der Karlsruher Entscheidung am Dienstag optimistisch ob ihres weiteren Bestehens – der einflussreiche frühere Vorsitzende Udo Voigt drängt derweil auf einen Kurswechsel.
Wenn die Saarbrücker NPD am Samstag zum Neujahrsempfang einlädt, soll das nicht bloß ein lokales Ereignis im Saarland bleiben. Dort wird im März ein neues Landesparlament gewählt – die erste von drei Landtagswahlen vor der Bundestagswahl im September. Geht es nach der NPD, wird Peter Richter an diesem Samstag im Mittelpunkt stehen. Er ist an der Saar Spitzenkandidat seiner Partei. Vor allem aber ist er ihr Hausjurist. Gemeinsam mit Parteichef Frank Franz und dessen Vor-Vorgänger Udo Voigt gibt er eine Pressekonferenz im Saarbrücker Schloss, wo der Neujahrsempfang stattfindet. Mit welchen Botschaften sich die NPD gerne nachher in den Medien wiederfände, verrät sie in ihrer Einladung an die Journalisten: „Insbesondere können Sie Fragen an unseren Rechtsanwalt zum NPD-Verbotsverfahren stellen.“ Es folgt fettgedruckt der Satz: „Dieses dürfte gescheitert sein.“ Die NPD spricht in diesen Tagen gerne über das Verfahren – siegesgewiss.
Am kommenden Dienstag wird der Zweite Senat der Karlsruher Verfassungsrichter seine Entscheidung über das vom Bundesrat beantragte Verbot verkünden. Selten dringt aus dem Gericht ein Laut verfrüht nach draußen. Wie das Urteil ausfällt, ist daher momentan völlig unklar. Hoffnung schöpft die NPD freilich aus der Tatsache, dass sich Politiker und Sicherheitsexperten darauf einstellen, dass die Partei erlaubt bleibt. Den Aufschlag der Medienmeldungen zum Thema lieferte die „Bild“-Zeitung. Sie berichtete Ende Dezember, die Bundesregierung habe keine Hoffnung mehr auf ein Verbot. In einer internen Analyse komme sie zu der Einschätzung, dass die NPD in ihrem politischen Wirken und durch ihre ausbleibenden Wahlerfolge nicht die Schwelle zur Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung überschritten habe.
Eine „neue Zeit“ für die NPD
Es folgte ein Beitrag in „Berliner Zeitung“ und „Frankfurter Rundschau“. Der Autor zitierte einen „Insider“ der Bundesländer mit den Worten: „Wir sind nicht wahnsinnig optimistisch. Es kann sehr gut sein, dass wir das verlieren werden.“ Dass die NPD „ideologisch eindeutig verfassungswidrig“ sei, sei nicht zu bestreiten. Ein Verbot gelte aber mittlerweile als eher unwahrscheinlich, weil die Richter vermutlich zu der Einschätzung gelangen würden, dass die NPD zu unbedeutend sei, um sie verbieten zu müssen.
Mit einem Verbot sei nicht zu rechnen, freute sich denn auch vor ein paar Tagen NPD-Chef Franz. Von der Vermutung, dass sie wegen ihrer faktischen Bedeutungslosigkeit ungeschoren bleibt, mochte er freilich nichts wissen. Franz: „Die NPD wird nicht verboten, weil sie nichts Verbotswürdiges tut.“ Sie habe „gar nicht die Absicht, die Demokratie oder den Rechtsstaat zu beseitigen“. Mit dem Ende des Verbotsverfahrens beginne für die NPD eine „neue Zeit“, hatte Franz in einem Kommentar für die Januarausgabe des Parteiblatts „Deutsche Stimme“ geschrieben und an seinen „Drei-Jahres-Plan“ zum Wiedererstarken der NPD erinnert (bnr.de berichtete): mit der „sozialen Frage“ als thematischem Schwerpunkt, einem „Ausbau des kommunalen Fundaments“ und einer „deutlichen Akzentuierung der innerparteilichen Geschlossenheit“.
„Jetzt die Weichen richtig stellen“
Tatsächlich geht es in der NPD derzeit ruhiger zu als in den letzten Amtsjahren von Ex-Chef Voigt oder in der kurzen Zeitspanne unter Holger Apfel. Eine Garantie, dass das so bleibt, gibt es aber nicht. Die Gründe für Unzufriedenheit in den eigenen Reihen sind ja bekannt. Unter Franz' Regie dümpelt die Zahl der Mitglieder bei etwas über 5000 vor sich hin. Die beiden Landtagsfraktionen sind verloren. Auf der Straße bestimmen „Gidas“ und andere Gruppen das Bild; an den Wahlurnen wirbt die AfD der NPD ihre Kundschaft ab.
Aus der Ferne meldete sich nach den Berichten über ein mögliches Scheitern des Verbotsverfahrens der EU-Parlamentarier Udo Voigt zu Wort. „Jetzt heißt es für die Parteiführung die Weichen richtig zu stellen“, ließ er via Facebook wissen. Das klingt banal. Doch wer Voigts Tonfall kennt, der ahnt, dass es ein doppelter Tadel für Franz ist. „Jetzt“ die Weichen zu stellen, heißt, dass Franz bisher nur Makulatur abgeliefert hat. Die Weichen „richtig“ zu stellen, heißt, dass Franz' Kurs aufs falsche Gleis führt. Und wenn Voigt seine – nur scheinbare – Allerweltsaussage auch noch in Großbuchstaben in die Tastatur tippt, wirkt das wie ein Schrei nach Aufmerksamkeit, die er, der „Übervater“ der Partei, doch verdient zu haben glaubt.
Die kommunale Basis bröckelt
Florian Stein, Mitarbeiter Voigts im Europaparlament und mittlerweile in den NPD-Bundesvorstand aufgestiegen, macht sich Mut. „Die NPD ist heute stärker als beim ersten Verbotsverfahren 2003“, will er Glauben machen und nennt als Beispiel, sie halte doch fünf Mal mehr kommunale Mandate als damals.
Derlei Selbstbeschwörungen überzeugen freilich nicht einmal in den eigenen Reihen. Rechnerisch besetzt die NPD gerade einmal etwa jedes 700. Rats- und Kreistagsmandat. Ihre 360 Sitze in Gemeinden, Städten und Landkreisen weisen die rechtsextreme Partei als Regionalpartei mit Schwerpunkten in Sachsen, Thüringen und Vorpommern aus. Im Westen, wo die NPD lediglich ein Sechstel ihrer Mandate holte, hat sie bei Wahlen nichts zu gewinnen. Und im Osten droht die kommunale Basis weiter abzubröckeln, wenn die NPD nicht doch noch bis zu den nächsten Kommunalwahlterminen im übernächsten Jahr eine Gegenstrategie zur AfD findet – wofür freilich im Augenblick nichts spricht. Im Gegenteil.
Parteinachwuchs will weitere Radikalisierung
Leute aus Voigts Umfeld hätten es gerne radikaler. Karl Richter aus München etwa, wie Stein beim Ex-Parteichef im EU-Parlament beschäftigt, war dieser Tage wieder einmal demonstrieren. Zusammen unter anderem mit Philipp Hasselbach, dem bayerischen Landesvorsitzenden der neonazistischen Konkurrenzpartei „Die Rechte“. Die Riege um Franz sieht derlei Verbrüderungen nicht gerne. Richter feiert sie: „Dieser Schulterschluss unter Patrioten, der auch bei der Münchner Pegida schon gut funktioniert, sollte Schule machen: nur wenn wir zusammenhalten, werden wir das Ruder im Land noch herumreißen können.“ Es gebe keine „besseren“ und „schlechteren“ Patrioten. „Höchste Zeit, dass diese banale Einsicht endlich die Runde macht.“
Auch den Nachwuchs zieht es zur weiteren Radikalisierung. Ihm sei völlig egal, wie das Verfahren ausgehe, ließ etwa der baden-württembergische Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten, Maximilian Reich, wissen. „Unsere geschulten und charakterlich gefestigten Aktivisten werden nach einem Verbot selbstverständlich nicht mehr versuchen, in systemischen Organisationen oder Parteien zu partizipieren.“ Komme es zu einem Verbot, gebe der Staat damit „der deutschen Jugend keine Chance mehr, sich friedlich zu organisieren“. Reich: „In diesem Falle zwingt uns dieser Staat auf Felder auszuweichen, welche wir niemals betreten wollten.“ Bleibe die NPD hingegen erlaubt, zeige „uns alleine der Versuch eines Verbots, mit wem wir es zu tun haben und gegen wen sich unser politischer Kampf richten muss“. Dann müsse man „unsere Arbeit weiter machen – den aktuellen Zeiten entsprechend radikaler und konsequenter als je zuvor!“