NPD-Verbotsverfahren – Mecklenburg-Vorpommern als Achillesferse
Wesensverwandschaft mit dem Nationasozialismus - so lautet einer der Vorwürfe gegen die NPD (Foto: Oliver Cruzcampo, Archiv)
Das Timing hätte kaum schlechter gewählt sein können. Gestern, nur wenige Stunden bevor das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung, im März in ein NPD-Verbotsverfahren einzusteigen öffentlich machte, orakelte der Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Stefan Köster, auf der „Weltnetz“-Seite seiner Gliederung über ein mögliches Scheitern des Prozesses. Eine nicht ausgeschlossene Nichteröffnung sei auch Innenminister Lorenz Caffier (CDU) anzulasten, dem das Verfahren auf die Füße fallen könnte. Die Belege für die angeblich aggressiv-kämpferische Haltung seiner Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung stünden auf tönernen Beinen, so der Landtagsabgeordnete sinngemäß.
Grund für Kösters „Abrechnung“ war die Razzia gegen zwei Aktivisten der rassistischen „Deutschland wehrt sich“-Kampagne vor wenigen Tagen, denen die Staatsanwaltschaft die „Verabredung zu einer schweren Brandstiftung“ vorwirft. In seiner bekannten Sichtweise wollte der wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilte 41-Jährige vielmehr ein gezieltes Vorgehen von „Überfremdungsfanatikern“ gegen die nationale Opposition erkannt haben.
Hardliner von der Küste
Tatsächlich wird in dem Verfahren in Karlsruhe die von Köster geführte Gliederung in den Fokus rücken. Eine Vielzahl des von den Prozessbevollmächtigten des Bundesrates aufgeführten Materials gegen die NPD stammt aus Mecklenburg-Vorpommern, wo die Partei traditionell besonders eng mit den militanten Freien Kameradschaften zusammenarbeitet und einen ebenso radikalen Kurs fährt. Zu den wichtigsten „Kronzeugen“ der Antragssteller gehören in der Neuauflage des Prozesses die bekannten Spitzenfunktionäre der Partei aus Mecklenburg-Vorpommern. Udo Pastörs findet gleich mit einer Vielzahl von Zitaten auf den insgesamt 264 Seiten Erwähnung. Vor Gesinnungsgenossen trägt der Hardliner sein Herz auf der Zunge. Deshalb verwundert es kaum, dass er im März 2011 einen Systemumsturz forderte: „Das was vor uns liegt, ist die Reststrecke eines korrupten Systems, was beseitigt gehört, weil es den Volkserhalt gefährdet, liebe Freunde.“ (S. 44). An anderer Stelle äußerte der vorbestrafte 63-Jähige Verständnis für einen „aktiven Widerstand“ (S. 45).
Die #NPD muss verboten werden - die Bundesländer fordern das. Jetzt kommt das Verfahren, aber nicht ohne Risiko. https://t.co/zseWJ0oMwx
— NDR Info (@NDRinfo) 8. Dezember 2015
Im August hatte der Berichterstatter der Verfassungsgerichts, der frühere Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, von den Antragstellern Nachbesserungen gefordert – und sie bekommen. Es galt, den Vorwurf, die NPD wirke „durch ihr aggressives – nicht selten auch strafbares – Handeln auf politische Gegner und Minderheiten so ein, dass deren Grundrechtsgebrauch gehemmt oder beeinträchtigt wird“, zu untermauern. Nach Schätzungen des NDR stammen drei Viertel der Beweise, die u. a. im Teil „Atmosphäre der Angst: Einschränkung demokratischen Handelns“ angeführt werden, aus dem Ostsee-Bundesland. Für den ursprünglichen Antrag zogen die Verfasser dann auch vier Artikel von ENDSTATION RECHTS. heran.
Die NPD wird nach eigener Aussage zu jedem der fast 390 Belege „umfassende Beweise“ fordern. Ferner werde sich die Partei mit einem Schriftsatz gegen die Anschuldigung, sie schüchtere die Zivilgesellschaft ein, verwahren, kündigte ihr Anwalt, der saarländische Landesvize Peter Richter, an. Zunächst steht vermutlich der Antrag der NPD über mögliche Verfahrenshindernisse auf der Tagesordnung. Konkret geht es um die von der extrem rechten Partei geäußerte Vermutung, sie werde ausgehorcht und nicht alle V-Leute seien abgeschaltet. Dies aber hatten die Innenminister versichert: Die nun eingebrachten Aussagen seien nicht aus dubiosen Quellen gewonnen, sondern aus öffentlichen Papieren der Partei. Das erste Verbotsverfahren war 2003 an der Durchsetzung der NPD mit Spitzeln des Verfassungsschutzes bis in die höchsten Gremien hinein gescheitert.
Peter Richter, NPD-Prozessvertreter, hier auf einer Demonstration (Foto: Oliver Cruzcampo, Archiv)
Wahlchancen schwinden Für die mündliche Verhandlung hat Karlsruhe in seinem am 2. Dezember, also rund zwei Jahre nach der Antragsstellung, gefassten Beschluss zunächst drei Tage anberaumt. Ab dem 1. März werden die acht Richter des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts unter Präsident Andreas Voßkuhle über die Verfassungsfeindlichkeit der NPD beraten. Nicht einmal zwei Wochen später sind die Bürger in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt aufgerufen, neue Landesparlamente zu wählen. Während Westdeutschland in den Planungen der Partei keine Rolle zu spielen scheint, hoffen die „Macher“ nach eigener Aussage, in Sachsen-Anhalt über die Fünf-Prozent-Hürde zu springen. Ein laufendes Verfahren könnte diese Chancen verkleinern – genauso wie in Mecklenburg-Vorpommern, wo im September gewählt wird.