NPD Thüringen unter Druck

Seit Mitte August ist der NPD-Landeschef und Spitzenkandidat Patrick Wieschke auf seiner „Thüringen-Rundfahrt“ unterwegs. Während das Konzept der „seriösen Radikalität“ in der Bundespartei gescheitert ist, will die NPD im Freistaat vor der Wahl dieses Image umsetzen.

Donnerstag, 04. September 2014
Kai Budler

Mit 4,3 Prozent bei den Landtagswahlen in Thüringen 2009 war der von der NPD anvisierte Einzug in den Landtag knapp gescheitert. Die Partei habe aber nicht aufgegeben, sondern sich nach der Niederlage an die Vorbereitung der diesjährigen Landtagswahl gemacht, erklärt Patrick Wieschke in der aktuellen Ausgabe der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ (DS). Mit einem Image als „Partei aus der Mitte des Volkes“ will die NPD am 14. September die Fünf-Prozent-Hürde überwinden, nach der Kommunalwahl im Mai nannte Landesgeschäftsführer Tobias Kammler den „Landtagseinzug greifbarer denn je“.

Der Druck auf den Thüringer Landesverband ist hoch, denn nach dem Ausscheiden der NPD aus dem sächsischen Landtag kann die Partei die verloren gegangenen finanziellen und personellen Ressourcen nur mit einer neuen Landtagsfraktion kompensieren. Den Antritt der „Alternative für Deutschland“ (AfD) muss die rechtsextreme Partei kaum fürchten, wie ein Blick auf die Ergebnisse der Bundestags- und Europawahl zeigt. Trotz der im Bundesvergleich überdurchschnittlichen Ergebnisse für die AfD stimmten bei der Bundestagswahl in Thüringen mehr Wähler für die NPD als in den anderen Bundesländern. Höhere Stimmanteile erzielte sie nur in Sachsen. Auch bei der Europawahl machten 3,4 Prozent der Stimmberechtigten im Freistaat ihr Kreuz bei der NPD, das bundesweite Ergebnis lag bei nur einem Prozent.

Inszenierung als „Kümmerer-Partei“

Auch bei den Kommunalwahlen im Mai dieses Jahres konnte die NPD in Thüringen punkten und ihre Sitze in Gemeindeparlamenten mehr als verdoppeln. Die vor fünf Jahren erwartete Entzauberung der Partei im Kommunalen blieb aus, längst kann sie offenbar ein nicht unerhebliches Potenzial von Stammwählern ihr eigen nennen. Beim Wählerfang zielt die NPD auf die Gruppe der extrem rechts eingestellten Thüringer, die seit 2010 unverändert bei etwa zwölf Prozent liegt. Knapp die Hälfte davon verfügt nach Angaben des „Thüringen Monitor“ über ein „geschlossen rechtsextremes Weltbild“. Es komme darauf an, sagt Wieschke im DS-Interview, „bereits vorhandenes Potenzial zu mobilisieren“ – dafür gibt sich die Partei ein Image als Underdog und verspricht im Wahlkampf ein Gegengewicht zu den „Etablierten“.

Dazu gehört auch die „Thüringen-Rundfahrt“, bei der Wieschke und sein Wahlkampfteam seit Mitte August auf den 87 Kundgebungen bis zur Landtagswahl versuchen, die NPD als vermeintlich „normale Partei“ darzustellen. Mit Schlagworten wie „Eltern stärken“, „Bildung stärken“ und „Tierschutz“ will die NPD landesweit um Wähler buhlen, doch rassistische Slogans wie „Kindergärten statt Asylheime“ und „Die kriegen alles und ihr?“ verweisen auf den rassistischen Hintergrund ihrer Politik. Um ihre „Bürgernähe“ zu demonstrieren, verbreitet die NPD auf ihrer Homepage Fotos des rechtskräftig wegen Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion verurteilten Wieschke mit kleinen Kindern und vermeintlich interessierten Bürgern. Auch von Spenden an Tierheime, Tafeln und Kinderverbänden redet der Landesverband, um sich als „Kümmerer-Partei“ zu inszenieren. Das Konzept der „seriösen Radikalität“ ist in der Bundes-NPD zwar gescheitert, im Freistaat versucht die Landespartei aber genau dieses Image umzusetzen.

Juristische Schritte gegen die Nutzung von Liedern

Im Gegensatz dazu steht die Beteiligung von Neonazis aus der teils militanten Kameradschaftsszene. Sie wird seit einem Aufruf Wieschkes an Neonazis außerhalb der NPD deutlich stärker. So scharten sich zum Beispiel in Gotha, Nordhausen und im Eichsfeld Neonazis aus Aktionsgruppen, „Freien Kräften“ und rechtsextremen Initiativen um den Stand der NPD. Vor Ort werden die Veranstaltungen regelmäßig durch Proteste übertönt, doch nicht nur sie stören die Strategie der NPD. Auch bei den Musikstücken, die zum Programm der Kundgebungen gehören, droht der Partei Ärger. Mit Liedern von elf Gruppen, die mit der NPD überhaupt nichts zu tun haben, versucht sie, „ganz normal“ zu erscheinen. Viele der betroffenen Formationen kündigten juristische Schritte an. Die Band „Wir sind Helden“ war mit einer einstweiligen Verfügung erfolgreich: Unter Androhung einer Geldstrafe ist es der NPD jetzt untersagt, den Song „Gekommen um zu bleiben“ zu nutzen. Für ihr Lied „Atemlos“ hat Schlagerstar Helene Fischer ihre Anwälte mit einer Unterlassungsklage ins Rennen geschickt.

Von den Problemen scheinbar unbeirrt, verfolgt die NPD ihr beim Landesparteitag ausgegebenes Ziel, mit der „Anschaffung von Immobilieneigentum“ zu beginnen, und eröffnet jetzt in Eisenach ihre Landesgeschäftsstelle. Der Kauf des zweistöckigen Hauses mit einem Ladenlokal im Zentrum der Wartburgstadt wurde über einen Neonazi aus Hamburg abgewickelt, der Kaufpreis soll sich in einem sechsstelligen Bereich bewegen. Der Standort des Hauses ist kein Zufall, denn in der Wartburgstadt konnte die NPD bei den Kommunalwahlen den landesweit stärksten Stimmenzuwachs verbuchen und ihr Ergebnis von 5,0 auf 7,4 Prozent steigern. Die Geschäftsstelle soll mit einem „Tag der offenen Tür“ eröffnet werden, doch schon im Vorfeld hat die NPD Behördenvertreter und „Personen, die der linken Szene beziehungsweise linken Parteien zuzuordnen sind“ von der Teilnahme ausgeschlossen. Doch die sind trotzdem gekommen – zumindest vor das Gebäude. Zu einer dort angemeldeten Demonstration gegen die Eröffnung der Geschäftsstelle erschienen rund 200 Menschen.

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