Bundesverfassungsgericht
NPD: Staatliche Gelder für Verfassungsfeinde?
Nach dem gescheiterten Verbot der NPD wurde heute am Bundesverfassungsgericht der u.a. von der Bundesregierung eingereichte Antrag verhandelt, der Partei die staatliche Finanzierung zu entziehen. Doch in den Genuss der Gelder kommt „Die Heimat“ seit zwei Jahren ohnehin nicht mehr.
Das letzte Mal, dass die NPD derart im Rampenlicht stand, war im März 2016 – da ging es um ein mögliches Verbot der Neonazi-Partei, die jetzt „Die Heimat“ heißt. Dazu kam es bekanntlich nicht. Diesmal soll der „Heimat“ die staatliche Finanzierung entzogen werden, dafür waren insgesamt zwei Verhandlungstage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anberaumt.
Zur Einordnung: Parteien, die bei Bundestagswahlen mindestens 0,5 Prozent der Stimmen erreichen und bei Landtagswahlen die Ein-Prozent-Hürde knacken nehmen an der staatlichen Parteienfinanzierung teil. So konnte „Die Heimat“ 2018 noch knapp 900.000 Euro vom verhassten Staat bekommen, was immerhin rund 42 Prozent ihrer gesamten Einnahmen ausmachte. Durch die anschließenden Pleiten an der Wahlurne hat die Partei seit 2021 allerdings keinen Anspruch mehr auf diese Gelder.
„Die Heimat“ bleibt in der Heimat
Während die NPD 2016 noch mit rund zwei Dutzend Funktionären nach Karlsruhe reiste, blieben die Plätze diesmal leer. Um 7.59 Uhr habe, so verlas es die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, „Die Heimat“ per Fax darüber informiert, der mündlichen Verhandlung fern zu bleiben, da man von keinem fairen Verfahren ausgehe.
Neben Parteichef Frank Franz und dem – wie bereits 2016 – Bevollmächtigten Peter Richter wurden 15 weitere Funktionäre erwartet, darunter die stellvertretenden Vorsitzenden Thorsten Heise, Sebastian Schmidtke und Udo Voigt sowie Bundesschatzmeister Stefan Köster. Als Auskunftspersonen wurden Ronny Zasowk und Claus Cremer gelistet.
Angeblich „missliebige Konkurrenz“
Man wolle sich nicht „zum Statisten einer Justiz-Simulation machen“, heißt es bei der Neonazi-Partei und begründet so das Fernbleiben von der Verhandlung. Dann folgt eine abenteuerliche Begründung für die zeitliche Verzögerung vom Entschluss zum Entzug der staatlichen Teilfinanzierung bis zur heutigen mündlichen Verhandlung. Es wird insinuiert, dass es kein Zufall sei, dass dies ausgerechnet kurz nach Umbenennung in „Die Heimat“ geschehen sei. So soll eine „missliebige Konkurrenz“ geschwächt werden. Es stellt sich unweigerlich die Frage: Konkurrenz zu wem?
Ein kurzer Rückblick: Das zweite Verbotsverfahren mündete nicht in einem Verbot der NPD, da der rechtsextremen Partei schlicht die konkrete Durchsetzungskraft fehle, das demokratische System in Deutschland zu beseitigen. Nichtsdestotrotz wurde der Partei eine Verfassungsfeindlichkeit attestiert. Kurz darauf wurde das Grundgesetz geändert, um einen Ausschluss von der staatlichen Parteifinanzierung in die Wege zu leiten. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor diese Möglichkeit ins Spiel gebracht.
„Irgendjemand von der NPD anwesend?“
2019 reichten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung schließlich den Antrag beim Bundesverfassungsgericht ein. Dann kam die Pandemie und wie bei vielen anderen Gerichten kam es auch in Karlsruhe zu Verzögerungen.
„Nur nochmal um sicherzugehen: Ist irgendjemand von der NPD hier anwesend?“, fragte die Verfassungsrichterin Doris König heute zu Beginn der Verhandlung und erntete dafür ein deutlich wahrnehmbares Schmunzeln im Saal. Es folgten Eingangsstatements u.a. von der Bundestagpräsidentin Bärbel Bas, Innenministerin Nancy Faeser oder Bundesratspräsident Peter Tschentscher.
Über 2.000 Belege vom Verfassungsschutz
Christoph Möllers und Christian Waldhoff, Bevollmächtigte der Antragsteller, gingen in Stellungnahmen auf „Die Heimat“ ein und bekräftigten die Bedeutung für einen möglichen Ausschluss von der staatlichen Finanzierung. Denn auch Steuervergünstigen würden dadurch wegfallen, so hätten allein vier kürzliche Erbschaften von Immobilien zu rund 200.000 Euro Erbschaftssteuerersparnis geführt.
Recht ausführlich wurden anschließend mögliche Verfahrenshindernisse thematisiert: Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang, der mit über drei Dutzend Vorsitzenden und Mitarbeitern der Landesebene vor Ort war, sprach von einer Staats- und Quellenfreiheit innerhalb der Führungsebenen der „Heimat“. Insgesamt hätten das Bundesamt und die Landesbehörden über 2.200 Belege zur Materialsammlung beigesteuert.
Smartphones von Frank Franz ausgelesen
Ein weiteres – aus Sicht der „Heimat“ - Verfahrenshindernis sei ein Vorgang in Nordrhein-Westfalen, der sich Anfang des Jahres zutrug, nachdem es dort zu Auflösungserscheinungen bei „Die Rechte“ und Übertritten zur „Heimat“ kam. Mehrere Parteimitglieder seien vom Verfassungsschutz angesprochen worden. Ein Verfassungsschutzmitarbeiter erklärte dieses Vorgehen – in der Szene verächtlich „Anquatschversuche“ genannt – damit, dass dies kein Anwerbeversuch gewesen sei und es auch nicht um Einflussnahme gehe, sondern sprach von einer offenen Befragung. Deshalb seien insgesamt immerhin 28 Personen kontaktiert worden.
Aber auch Parteichef Frank Franz witterte eine Ausspähung der Verfahrenstrategie, nachdem im März 2021 seine Wohnung durchsucht wurde. Hintergrund waren Ermittlungen wegen Geldwäsche, die mittlerweile eingestellt worden sind. Auch dazu wurde Stellung bezogen, in dem Fall vom Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Saarbrücken. So sei es im Falle der beschlagnahmten Laptops ohnehin nicht gelungen, den Passwortschutz zu knacken. Bei zwei iPhones und einem Tablet von Franz waren die Versuche dagegen von Erfolg gekrönt. Anhand von 38 sogenannten Keywords seien jedoch ausschließlich Inhalte im Zusammenhang mit den Ermittlungen durchsucht worden.
Politikwissenschaftler sieht keine Änderung
Die Stellungnahmen der „sachkundigen Auskunftspersonen“ - Steffen Kailitz vom Hannah-Arendt-Institut der Universität Dresden und dem Politikwissenschaftler Christoph Kopke nahmen die meiste Zeit in Anspruch. Hintergrund der Statements und anschließenden Befragung war auch, inwiefern sich „Die Heimat“ seit dem Verbotsverfahren gewandelt haben könnte. So attestierte Kailitz der Neonazi-Partei, es habe sich aus „programmatisch-ideologischer Sicht so gut wie nichts geändert“.
Auch die AfD kam am Rande mehrfach zur Sprache. Einerseits nehme man bei der „Heimat“ mit Freude zur Kenntnis, dass nationale Positionen so nun prominenter in der Öffentlichkeit vertreten seien. Andererseits bekäme eine Person wie Björn Höcke mit gleichen inhaltlichen Positionen wie "Die Heimat" deutlich mehr Zustimmung.
Gewinner: die AfD
Angesprochen auf den anhaltenden Bedeutungsverlust der Partei und wer in der extremen Rechten denn die Gewinner in dem Prozess seien: „die AfD“, so Christoph Kopke. Der Politikwissenschaftler ließ die Verfassungsrichter auch wissen, dass er das Nicht-Verbot der NPD für das falsche Signal gehalten habe. So würde das Bild vermittelt, man könne „dem Staat auf der Nase herumtanzen.“
Nach rund fünf Stunden wurde die mündliche Verhandlung am Bundesverfassungsgericht bereits am Dienstagnachmittag beendet. Die Verkündung der Entscheidung dürfte im besten Fall noch dieses Jahr erfolgen, im Fall des Verbotsverfahrens vergingen rund zehn Monate.