NPD-Liste in den Stadträten

Bei den Kommunalwahlen in Bayern hat die NPD-Liste„Bürgerinitiative Ausländerstopp“ in München und Nürnberg ihre Mandate gehalten — mit Verlusten in der Landeshauptstadt.

Dienstag, 18. März 2014
Johannes Hartl

Die rechtsextreme „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) verteidigte bei den Kommunalwahlen in Bayern ihre Mandate in München und Nürnberg. Damit ist die 2001 in Nürnberg und 2007 in München gegründete NPD-Liste auch in den nächsten sechs Jahren wieder in den beiden größten bayerischen Kommunalparlamenten vertreten.

Mit 0,7 Prozent konnte die BIA-München das von NPD-Landeschef Karl Richter besetzte Stadtratsmandat nur mit deutlichen Verlusten gegenüber 2008 halten. Das von den Rechtsextremisten angestrebte Ziel, zukünftig mit der Kameradschaftsaktivistin Vanessa Becker mindestens einen weiteren Sitz im Stadtrat einzunehmen, ist somit gescheitert. Insgesamt erhielt die NPD-Tarnliste 233 591 Wählerstimmen, als Oberbürgermeisterkandidat erzielte Richter zudem mit 0,4 Prozent (1876 Stimmen) das schlechteste aller Ergebnisse.

Die BIA war 2008 erstmals mit 1,4 Prozent der Stimmen in den Münchner Stadtrat eingezogen. Direkt bei seiner Vereidigung provozierte Richter damals mit der Andeutung des Hitlergrußes, wofür er wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe in Höhe von 2800 Euro verurteilt wurde. In den letzten sechs Jahren fiel der rechtsextreme Stadtrat vor allem mit provokativen Anträgen auf, die sich zumeist gegen Migranten, Asylbewerber oder Juden richten.

BIA-Nürnberg weitestgehend inaktiv

Beinahe konstant gegenüber der letzten Kommunalwahl blieb hingegen das Ergebnis der BIA in Nürnberg. Erzielte die NPD-Tarnliste 2008 dort noch 3,3 Prozent, verlor sie in diesem Jahr 0,2 Prozentpunkte. Demnach musste die rechtsextreme Gruppierung zwar einen kleinen Verlust an Stimmen verzeichnen, verteidigte aber mit 3,1 Prozent (332 468 Stimmen) dennoch ihre zwei bestehenden Stadtratsmandate. Als Oberbürgermeisterkandidat erzielte der frühere NPD-Landesvorsitzende Ralf Ollert in Nürnberg außerdem 2933 Wählerstimmen, was 1,7 Prozent bedeutet (minus 0,2%).

In Nürnberg war die BIA ein Jahr nach ihrer Gründung bei den Kommunalwahlen 2002 mit 2,3 Prozent mit ihrem Spitzenkandidaten Ralf Ollert in den Stadtrat der mittelfränkischen Metropole einzogen. Bei der darauffolgenden Wahl im Jahr 2008 gewann die BIA mit 3,3 Prozent gar einen weiteren Sitz im Stadtrat hinzu, der von dem „Freien-Netz-Süd“-Kader und verurteilen „Anti-Antifa“-Aktivisten Sebastian Schmaus eingenommen wurde. Anders als in München war der Nürnberger Ableger der BIA im Stadtrat – mit Ausnahme von wenigen Anträgen und Reden – allerdings weitestgehend inaktiv. Nachdem Schmaus wegen massiver Differenzen zwischen parteigebundener und parteifreier Neonazi-Szene 2014 nicht mehr auf Listenplatz zwei für die BIA kandidiert hat, zieht nun – neben Spitzenkandidat Ollert auf Platz eins – auch der Straßenbahnfahrer Fridrich Luft (Jg. 1963) in den Stadtrat ein.

Allen voran in München konnte die BIA von dem neu eingeführten Hare-Niemeyer-Verfahren profitieren, das insbesondere kleine Parteien bei der Sitzplatzverteilung im Stadtrat stärkt. Nur aufgrund dessen erhielt die BIA-München überhaupt einen Sitz,  was mit dem abgelösten D’Hondt-Verfahren bei einem Ergebnis von 0,7 Prozent der Stimmen nicht möglich gewesen wäre.

Rechtspopulistische „Freiheit“ scheitert

Trotz des neuen Verfahrens gescheitert ist dafür die rechtspopulistische Partei „Die Freiheit“ (DF), die seit mehr als zwei Jahren in München mit einem Bürgerbegehren und mehreren Kundgebungen pro Woche gegen ein geplantes Moscheeprojekt mobil macht. Bei den Kommunalwahlen wollte die inzwischen weitestgehend auf die Landeshauptstadt beschränkte Kleinstpartei um ihren Bundes- und Landeschef Michael Stürzenberger allen voran mit Ressentiments gegen Muslime den Einzug in den Münchner Stadtrat schaffen.

Doch mit insgesamt 202 997 Stimmen konnten die Rechtspopulisten am Ende nur ein prozentuales Ergebnis von 0,6 Prozent der Gesamtwählerstimmen erzielen, wodurch ihnen der Einzug in das Kommunalparlament knapp verwehrt bleibt.  Bei der Wahl um das Amt des Oberbürgermeisters erzielte „Die Freiheit“ lediglich 0,5 Prozent (2078 Stimmen), und damit das zweitschlechteste Ergebnis von allen 14 Parteien, die in München zur Wahl standen. Für DF-Chef Stürzenberger und seine Anhänger bedeutet dies eine schwere Niederlage -  trotz mehrerer Wahlkampfaktionen pro Woche.

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) errang in mehreren bayerischen Städten Mandate: So wird die Partei fortan mit zwei Sitzen (2,5 Prozent) im Münchner Stadtrat, mit vier Sitzen (6,4 Prozent) im Augsburger Stadtrat und mit einem Sitz im Forchheimer Stadtrat (1,54 Prozent) vertreten sein. Obwohl die junge Partei mit ihrem Ergebnis in Augsburg einen Achtungserfolg erzielt hat, dürfte das Gesamtfazit der AfD für die Kommunalwahlen insgesamt eher durchwachsen ausfallen: Denn in München erzielte sie deutlich weniger Mandate als von ihnen selbst erhofft, zudem konnte die AfD durch den gescheiterten Antritt in Nürnberg in Bayerns zweitgrößter Stadt nicht einmal kandidieren.

NPD-Landeschef Richter verliert Rückhalt

Das magere Wahlergebnis ist für NPD-Landeschef Karl Richter besonders bitter. Bereits im Vorfeld war öffentlich Kritik an seiner Person und der BIA laut geworden. So hielten Neonazis mutmaßlich aus der Kameradschaftsszene der BIA-München vor, ebenso wie die „anderen Parteien auch“ nur „Lügen, Heuchelei und Wertlosigkeit“ zu bieten. Innerhalb der parteigebunden extremen Rechten wiegt dieser Vorwurf schwer, wollen die Neonazis doch eine „Alternative“ zu den von ihnen so titulierten „Systemparteien“ sein. Ein anderes „halbdebiles Profil“, hinter dem Richter den verurteilten Rechtsterroristen Martin Wiese vermutet, wirft dem BIA-Stadtrat ferner vor, eine „Pappnase“ zu sein, der sich als „Nationalist verkleiden“ würde, um seine „eigenen Interessen umzusetzen“.

Die Solidarität für Richter scheint aber nicht nur virtuell zu bröckeln. Auch bei den Kundgebungstouren der BIA durch ganz München ließ die Unterstützung der Szene stark nach. War Richter in der Vergangenheit häufig mit mindestens zehn Personen aus NPD und Kameradschaften unterwegs, konnte er zuletzt nur noch vier bis fünf Aktivisten überwiegend aus dem Umfeld der Neonazi-Partei für die Wahlkampfaktionen mobilisieren.

Durch das schlechte Ergebnis der BIA dürfte Richter parteiintern erneut in den Fokus der Kritik rücken. Seit dem Versagen der NPD-Bayern bei den Landtagswahlen 2013, mehreren gescheiterten NPD-Veranstaltungen und seiner Entmachtung als Chefredakteur der Parteizeitung „Deutsche Stimme“ sowie seiner erfolglosen Kandidatur um Listenplatz zwei auf der Europawahl-Liste der NPD hat der Bundesvize Richter auch in der Partei erheblich an Rückhalt und Unterstützung eingebüßt.

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