NPD in Jamel

„Hammerskin“-Party unter dem Motto „Freiheit für Sven Krüger“ – mit dabei auch Landeschef Stefan Köster und mehrere Direktkandidaten der rechtsextremen Partei für die Landtagswahl am 4. September.

Montag, 01. August 2011
Andrea Röpke

Willkommen in Jamel“ stand in großen schwarzen Lettern auf dem Transparent über der Straße. Daneben eine Lebensrune in einer leuchtend gelben Sonne. Musik dröhnte aus den vor dem Wohnhaus aufgebauten weißen Zelten. Ordner liefen herum und wiesen die Fahrzeuge der über 200 Besucher des geheimen Hammerskin-Konzerts am Samstag ein. „Freiheit für Sven Krüger“ und „Jamel bleibt deutsch“ prangte auf ihren roten Shirts. Bullige Männer, manche mit Vollbärten und Glatzen, entstiegen den Autos, begrüßten sich cool. Mit einschlägigen Parolen wie „One for all – all for one“, „European Hammerskin“, „Prospect of the Nation“ oder „Bruderschaft Berlin“ auf ihrer Kleidung kennzeichneten sie ihre Zugehörigkeit zum rassistischen Club der zwei gekreuzten Hämmer.

„Hammerskins, die Elite aus der Masse, Skinheads aus der Arbeiterklasse, den Hammern immer treu verbunden, im Kampf um unsere weiße Rasse, wir sind Nationalisten aus der ganzen Welt, unsere Bruderschaft uns ewig zusammen hält“, besingt die Bremer Band „Hetzjagd“ den braunen Underground. Die Feier am 29. Juli im Landkreis Nordwestmecklenburg war wohl als Solidaritätsveranstaltung für den inhaftierten Neonazi Sven Krüger gedacht. Der mehrfach vorbestrafte ehemalige NPD-Kommunalpolitiker muss sich zur Zeit wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und Waffenbesitz vor dem Landgericht in Schwerin verantworten. Nachdem Krüger am ersten Verhandlungstag ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, schwiegen vor allem seine sonst so nahen NPD-Gefährten. Macht sich doch im Wahlkampf der direkte Umgang mit einem Straftäter in Handschellen und Fußfesseln nicht gut. Die NPD habe Krüger fallengelassen, spekulierten bereits Medienvertreter.

Wahlkampffahrzeug in der Scheune abgestellt

Zuhause im Landkreis Nordwestmecklenburg gilt der Abrissunternehmer, der früher mit einem „ambulanten Gemüsehandel“ unterwegs war, längst als abgebrühtes „Schlitzohr“. Manche sehen in dessen öffentlich bekundeter Reue eher eine Strategie, um das Gericht zu beeindrucken. Tatsächlich ist Krüger keineswegs politisch isoliert. Immer noch unterstützt er die NPD, und die Kameraden danken es ihm. Hier in Jamel zeigten sie sich. Vor Ort waren unter anderem NPD-Landeschef Stefan Köster, ebenso die NPD-Direktkandidaten Tino Streif, Mitglied im Kreistag, Mathias Schuldt aus Wismar oder der Strelitzer Hannes Welchar. Während eine Live-Band startete und die ersten Biere gezapft wurden, werkelte Neonazi-Drahtzieher David Petereit noch mit Plakaten in der blauen Firmenscheune von Krüger herum. Auch das NPD-Wahlkampffahrzeug war dort abgestellt.

Ein älterer Mann gab sich als Mitglied des Motorradclubs „Gremium East District“ aus Brandenburg zu erkennen. Autos aus Darmstadt, dem fränkischen Spessart und Ludwigshafen kamen an. Einige Firmenfahrzeuge von Handwerksbetrieben oder Transportunternehmen standen auf der Wiese mitten in Jamel. Die Besucher kamen auch aus der Prignitz, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Berlin und Hamburg. Ein glatzköpfiger Jamelner Familienvater verließ mit Frau und zwei kleinen Kindern die Feier. Neonazis standen überall auf der einzigen Straße des Ortes herum.

„Zugezogene“ schuld am schlechten Ruf

Zivile Polizeikräfte schützten das Forsthaus in Jamel. Dort wohnen Birgit und Horst Lohmeyer, sie engagieren sich seit Jahren gegen den braunen Spuk im Dorf. An diesem Wochenende glich ihr Alltagsleben dort einem Spießrutenlauf. Fremde ankommende Fahrzeuge hupten wie wild, junge tätowierte Männer hingen aus den Fenstern. Immer wenn sie ihr Anwesen verließen, grölten die rechten Partybesucher gleich neben dem Auto.

Von Idylle kann in Jamel nicht die Rede sein, dabei ist die Gegend sanft hügelig und saftig grün. Ein Anwohner mähte Rasen, dabei zeigte er immer wieder schimpfend in Richtung Forsthaus. Seine Frau schwieg, zupfte weiter in den Blumenrabatten. Manche Anwohner geben den „Zugezogenen“ die Schuld am schlechten Ruf des Dorfes. Für sie ist nicht der alteingesessene Neonazi Krüger mit seinen Kameraden ein Unruhestifter, sondern das mutige Künstler-Ehepaar aus Hamburg.

„Wir erobern die Städte vom Land aus“

Wenige Wochen vor den Wahlen ist die Stimmung in zahlreichen Orten in Mecklenburg-Vorpommern nicht gut. Viele Menschen haben Angst oder sind genervt. Denn sie wollen vor allem eines: ihre Ruhe. Früh morgens beginnen NPD-Anhänger zu plakatieren, sie treffen sich vor dem Parteibüro in Ueckermünde oder mitten in Anklam vor dem Gebäude des „Pommerschen Buchdienstes“. Meistens hängen die Plakate tief, in Städten wie Schwerin, Neubrandenburg oder Rostock dagegen höher. Sie sind nicht beschmiert, leuchten noch frisch. Über weite Strecken sind Landstraßen noch NPD-los, aber dann tauchen sie plötzlich auf, die rot-weißen Plakatträger mit Parolen wie „Volksgesundheit statt Ärztemangel“ und „Arbeit statt Einwanderung“, in Benz bei Bad Doberan oder in Grevesmühlen.

Die NPD zwischen Ostsee und Elbe setzt im Wahlkampf selbstbewusst auf die eigenen Leute vor Ort. Vor allem in den ländlichen Regionen sind ihre Anhänger aus den Reihen der Freien Kräfte gut aufgestellt. Dennoch sind einige routinierte sächsische Helfer wie der Landtagsabgeordnete Andreas Storr und Sicherheitsprofi Klaus Wartenfelser angereist. Auch der erfolglose Bremerhavener NPD-Kandidat Jens Pühse war beim Einsatz an der Küste dabei. Sie erlebten am Samstag, wie die Kundgebung ihrer Partei mit nur knapp 40 Anhängern in der Universitätsstadt Greifswald im Protest unterging. Von der Rede des NPD-Fraktionschefs und Spitzenkandidaten Udo Pastörs drang kaum etwas nach außen. Greifswald ist eher Pflichtprogramm. Ihre Wahlschwerpunkte liegen dort, wo sie mit bis zu zweistelligen Stimmergebnissen punkten konnten. „Wir erobern die Städte vom Land aus“ – dieses einstige Motto ging in Vorpommern oder an der polnischen Grenze bisher auf. In Stralsund sprach vergangene Woche auch NPD-Chef Udo Voigt.

„Brüder“ sorgen sich um braunes Dorfleben

Auf der Homepage der NPD präsentieren sich seit Ende Juli die Direktkandidaten. Unter ihnen mehrere Köche, ein Möbel-Doktor, Handwerker, Arbeitslose, Studenten und Unternehmer. Zwei Frauen sind dabei: Marianne Pastörs und Fanny Arendt, beides Ehefrauen langjähriger NPD-Kader. Viele der Kandidaten sind polizeibekannt, einige ihrer Anführer bereits verurteilt wie Michael Grewe, Stefan Köster, Tino Müller oder Andreas Theißen. Gegen den Kandidaten und Mandatsträger Dirk Bahlmann aus Löcknitz erging Anfang dieses Jahres ein Gerichtsurteil, diesmal wegen Beleidigung. Bahlmann soll einen Journalisten als „Judensau“ und „Drecksau“ beschimpft haben. Auch Christian Mau, Kandidat von der Insel Rügen, soll bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein, nicht minder der Einzelhandelskaufmann Tony Lomberg. Der Nordwestmecklenburger Kandidat Alf Börm, ursprünglich aus Lüneburg, zählte zur 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ und sammelt zur Zeit scheinbar junge Anhänger in Naschendorf, einem Nachbardorf von Jamel.

Einige der NPD-Kandidaten wie Karsten Münchow aus Stralsund, Tino Streif, Alexander Wendt aus Salchow bei Anklam und Mathias Schuldt stehen auch der umtriebigen „Hammerskin Nation“ beziehungsweise deren Unterstützer „Crew 38“ nahe. Gegen die Gruppierung, deren Mitglieder bundesweit Versände, Geschäfte und die Organisation von Rechtsrock-Konzerten betreiben, gab es vor einigen Jahren mehrere Razzien und auch den Versuch, ein Verbot der „arischen Bruderschaft“ zu erwirken. Der 1976 geborene Münchow soll im Szeneladen „Sonnenbanner“ beschäftigt sein. Die Kandidaten Streif und Schuldt aus Jamel wie auch Stephan Jandzinsky-Joecke aus Teldau gelten als enge Vertraute von Sven Krüger. Und während der im Gefängnis sitzt, sorgen sich, bewährt konspirativ, die „Brüder“ um braunes Dorfleben, Thinghaus und NPD. An diesem Samstag stört ihr Treiben nur der Regen.

 

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