NPD in der Zange

Nach außen geben sich die Nationaldemokraten angesichts der Diskussion über Verbindungen zu Rechtsterroristen und ein Verbot der Partei gelassen. Intern freilich scheint der neue Vorstand unter Holger Apfel reichlich nervös zu sein.

Montag, 05. Dezember 2011
Tomas Sager

Gleich bei der ersten Sitzung des Gremiums Ende November in Berlin sah sich die NPD-Spitze zu der Beteuerung veranlasst, dass man Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ablehne. Parteichef Apfel selbst versicherte darüber hinaus, man sehe dem „Verbotsgeschrei“ gelassen entgegen. „Für die Nationaldemokraten gibt es auch angesichts der jüngsten Hysteriewelle keinen Grund, inhaltliche Positionen preiszugeben“, hieß es in einer Erklärung des Vorstands unter dem Titel „Die NPD bleibt auf Kurs!“ Inhaltlich war tatsächlich nichts Neues von der NPD zu vernehmen, aber zumindest personell fasste die Partei Beschlüsse, die den radikaleren Flügel schwächen.

Öffentlich mitgeteilt wurde, dass Uwe Meenen als Hauptgeschäftsführer des parteieigenen Deutsche Stimme -Verlages abgelöst werde. Meenen, zugleich Landesvorsitzender in Berlin, war verantwortlich für den Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus. „Gas geben“-Plakate und ein Kreuzworträtsel, bei dem als Lösungswort „Adolf“ gesucht wurde, hatten für Empörung in der Öffentlichkeit und für Kopfschütteln sogar in den eigenen Reihen gesorgt. Selbst nach der Pleite am Wahltag hatte Meenen die Kampagne vehement verteidigt und im Vorfeld des Bundesparteitags Anfang November alles dafür getan, die Wahl von Apfel zu verhindern.

Martin Wiese und Karl-Heinz Hoffmann jetzt unerwünscht

Nicht öffentlich kommuniziert wurde von der Partei eine weitere Entscheidung des Vorstands. Das „Freie Netz Süd“, ein Neonazi-Netzwerk aus Bayern, berichtete unter der Überschrift „Muffensausen beim NPD-Parteivorstand“, die Parteispitze habe den „nationalen Aktivisten“ Martin Wiese sowie Karl-Heinz Hoffmann zu „unerwünschten Rednern bei NPD-Veranstaltungen“ erklärt. Wiese war nach dem geplanten Sprengstoffanschlag auf das Jüdische Zentrum in München zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Hoffmann war Gründer und Anführer der nach ihm benannten rechtsterroristischen „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Dass Hoffmann ein solches Verdikt treffen könnte, mag manchen in der Szene überrascht haben. Denn noch in der Oktober-Ausgabe des Parteiblatts „Deutsche Stimme“ war er in einem ausführlichen Interview umfänglich zu Wort gekommen. Befragt wurde er seinerzeit im Übrigen durch den inzwischen im Verlag inzwischen kaltgestellten Uwe Meenen.

Doch nicht nur um konkrete Personen ging es offenbar in der Sitzung. Dem Bericht des „Freien Netzes Süd“ zufolge wurde ganz grundsätzlich beschlossen, dass künftig alle Veranstaltungen, zu denen Nicht-Mitglieder der NPD als Referenten eingeladen werden, vorab dem zuständigen Landesorganisationsleiter gemeldet werden müssen. Dass die NPD negativ in die Schlagzeilen gerät wie unlängst wegen einer schließlich abgesagten Veranstaltung mit Karl-Heinz Hoffmann in Leipzig, soll künftig vermieden werden. Oder wie es das „Freie Netz Süd“ ausdrückt: „Man erhofft sich so beim neuen PV, dass durch die Überwachung mit systemgetreuen Argusaugen, jene Personen mit der Partei nicht mehr in Verbindung gebracht werden können, die man für schädliche Elemente hält.“ Gar eine „Blockwartmentalität“ wittern die Neonazis aparterweise hinter dem Beschluss. Die Nerven lägen bei der Parteispitze wohl blank, mutmaßen die süddeutschen Neonazis.

Niemals Kontakt zur Neonazi-Terrorzelle gehabt

„Schon die erkennbare Faktenlage wird im Zuge der laufenden Ermittlungen immer dürftiger und macht alle Bemühungen, die NPD in die Nähe des behaupteten rechten ,Terror’-Netzwerkes zu rücken, mit jedem Tag unglaubwürdiger“, hatte der Vorstand bei seiner Sitzung am 26. November gemutmaßt. Er sollte sich irren. Drei Tage später wurde Ralf Wohlleben festgenommen. Der frühere NPD-Landesvize in Thüringen ist nach Ansicht der Bundesanwaltschaft verdächtig, das rechtsterroristische Trio Mundlos/Böhnhardt/Zschäpe unterstützt zu haben. „Wohlleben ist bereits seit September 2010 nicht mehr Mitglied der NPD und hat nach meiner Kenntnis auch keine Kontakte mehr zur Partei“, erklärte Landeschef Frank Schwerdt. Generalbundesanwalt Harald Range und BKA-Chef Jörg Ziercke machten derweil in der vorigen Woche deutlich, dass sie mit weiteren Belegen für die Nähe der Neonazi-Terrorzelle zur NPD rechnen.

Zwei Funktionäre, deren Namen in diesem Zusammenhang genannt wurden, meldeten sich inzwischen öffentlich zu Wort. Patrick Wieschke, Landesvize in Thüringen und Präsidiumsmitglied auf Bundesebene, wurde vorgehalten, in Kontakt mit Beate Zschäpe gestanden zu haben. Wieschke versicherte, er habe „noch nie ein einziges Wort mit Frau Zschäpe gewechselt“. Er habe „diese Frau Mitte der 90er Jahre zwar mal gesehen, aber niemals persönlichen Kontakt zu ihr gepflegt, geschweige denn einen solchen nach ihrem Untertauchen gehabt“. Maik Scheffler, vom einstmals „parteifreien“ Neonazi zum stellvertretenden Vorsitzenden und Organisationsleiter der NPD in Sachsen aufgestiegen, beteuerte im Gespräch mit der extrem rechten Internetplattform „Deutschlandecho“, er könne „mit reinem Gewissen eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass ich weder Mundlos noch Böhnhardt oder die Zschäpe kannte“.

„Ausgrenzungsvorhaben gegen Nationalisten“

Die NPD in der Zange: Statt den Neustart mit dem frisch gewählten Vorsitzenden Holger Apfel zelebrieren zu können, muss sich die Partei auf der einen Seite der Frage widmen, wie nahe einige ihrer (Ex-)Funktionäre einer Terrorgruppe standen und wie sie auf die Verbotsdiskussion reagieren soll. Auf der anderen Seite steht sie unter dem Druck „parteifreier“ Neonazis, die ihr dabei ein zu defensives Vorgehen vorwerfen. „Reflexartig“ reagiere die Mehrheit des Vorstands auf die Diskussion, meint etwa das „Freie Netz Süd“: „Allerdings nicht mit den gebotenen Angriffen auf das System und seine linken Scheißhausmedien selbst, sondern mit hektisch-planlosen Repressionswellen innerhalb der eigenen Partei“. Die „Ausgrenzungsvorhaben gegen Nationalisten“ – gemeint ist unter anderem die Absage an Leute wie Wiese oder Hoffmann – seien „ebenso für freie Kameradschaften, wie weite Teile der Partei politisch nicht nachvollziehbar und werden wohl die NPD-Arbeit an vielen Orten lähmen“.

 

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