NPD auf Kurssuche

In Weinheim richtet die NPD ihren Bundesparteitag aus. Die Wahlen im Westen scheint sie aufzugeben. Bei Protesten eskalieren die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gegendemonstranten.

Montag, 23. November 2015
Andreas Speit

Abwärtstrend gestoppt, Aufwärtsentwicklung begonnen: Keine andere Botschaft sollte vom Bundesparteitag der NPD in Weinheim ausgehen. Am vergangenen Wochenende bemühte sich der Bundesvorsitzende Frank Franz, seine Partei auch gleich als einzig „wahre Alternative“ darzustellen – brav und bieder. Die NPD sei die „Partei der Normalgebliebenen“, die „Deutsche in Deutschland“ bleiben und keine „Millionen Sozialtouristen“ ins Land lassen wollen, verkündete der Saarländer auf der Bühne, hinter der das Parteitagsmotto „Das Boot ist voll – Asylbetrüger abschieben!“ projiziert war. Die Mitgliederzahl sei erstmals wieder gestiegen, um acht bis zehn Prozent, die Abonnentenzahl der „Deutschen Stimme“ (DS) um elf Prozent angewachsen. Auch das YouTube-Format „DS-TV“ würde gut angenommen, legte Franz dar. Der Parteitag mit rund 200 Delegierten und Gästen vernahm es, spendete anschließend brav Applaus. Großen Zuspruch erfuhren andere: Einer von ihnen ist Udo Voigt.

Bei den Mitgliedern des Parteitags löste der langjährige Bundesvorsitzende und jetzige Europaabgeordnete stehenden Applaus aus. Nach dem Rechenschaftsbericht von Franz gratulierte der 63-Jährige ihm zu seinem 37. Geburtstag und seiner einjährigen Amtszeit: „Das hast du gut gemacht.“ Wichtige Worte von dem bis heute wichtigen Mann in der Partei, denn der amtierende Parteichef hat keine starke Hausmacht und ist umstritten. Vielen ist er zu smart, zu moderat, zu Internet-affin. Über 30 000 Fans hat der Vater von drei Kindern bei Facebook. Der Hamburger NPD-Landeschef Thomas Wulff witzelt über ihn als „Firle-Franz“.

„Nicht rechtsextrem, sondern extrem recht haben“

In der Stadthalle der baden-württembergischen Stadt schlug Udo Pastörs deutlichere Töne als Franz an. Das gefiel, auch der Landtagsfraktionsvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern bekam stehenden Applaus. Was wird Franz gedacht habe? Radikaler auftreten oder moderat bleiben? Große strategische Überlegungen, wie die NPD mit den neuen Konkurrenzen von weit rechts umgehen solle, entwarf Franz bisher auch nicht. In Saal versuchte er auf eine Frage, die die gesamte Partei bewegt, eine Antwort zu geben: Wie mit der AfD umgehen? Seit durch die Kandidatur der AfD in Sachsen der Wiedereinzug  der NPD in den Landtag misslang, sucht die Partei nach Handlungsstrategien. Die Wähler würden bald merken dass diese „Alternative“ keine weltanschauliche Basis hat, nur populistisch getrieben sei, meinte Franz auf der Bühne. In der aktuellen DS sagte er bemüht schmissig: „Wir erleben eine politische Lage, die den Bürger vor Augen führt, dass die NPD nicht rechtsextrem, sondern dass wir extrem recht haben – und immer schon hatten.“

Das Dilemma der Partei: Je moderater sie sich präsentiert, um Stimmen von der AfD zurückzugewinnen, desto mehr Zuspruch aus der rechtsextremen Szene verliert sie. Der Mitgliederzuwachs kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit den Parteien „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ bereits auch radikalere Konkurrenz entstanden ist. Die AfD, so reden sich einige Kader die Situation schön, würde konservative Wähler radikalisieren, rechte Themen setzen, die auch für sie den politischen Zuspruch steigern könnte. Im Saal hinterfragte ein Delegierter von 143 allerdings offen die Hoffnung: „Aber was, wenn die AfD diese Stimmen aufsaugt wie so eine Straßenkehrmaschine?“

Auf den Wiedereinzug in Mecklenburg-Vorpommern hoffen

Schon im Wahlkampfmodus war der baden-württembergische Landesvorsitzende Alexander Neidlein. In seinem Grußwort brachte er sogleich Kritik an der Berliner Bundesführung an, ihm fehle für die Landtagswahl die bundesweite Unterstützung. Die Parteiführung hat jedoch entschieden, sich 2016 auf die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zu konzentrieren. Hier hofft sie auf den Wieder- und Neueinzug. Den Westen scheint die NPD bei Wahlen aufgegeben zu haben.

In der Weinheimer Stadthalle verlief der Parteitag, bei dem unter anderem eine Nachwahl von Beisitzern für den Bundesvorstand anstand, währenddessen ohne öffentliche geführte Vorhaltungen. Als neue Beisitzer des Bundesvorstandes wählten die Delegierten Olaf Rose und Baldur Landogart.

Zum dritten Mal in Folge hielt die NPD in Weinheim ihren Bundesparteitag ab. Einen Rechtstreit um die Nutzung hatte die Stadt verloren. Auf den Straßen Weinheims eskalierten am Samstag vor Beginn des Parteitages die Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten und Polizeikräften. Schon gegen 8.00 Uhr gelang es mehreren hundert Demonstranten, drei Straßen zu der Stadthalle zu blockieren. Unter dem Slogan „stören, blockieren, verhindern“ hatte das antifaschistische Bündnis „Block NPD“ zu Gegenaktionen aufgerufen. Vermummte hätten Polizeiabsperrungen überwunden, Beamte geschlagen und mit Steinen und Pfefferspray angegriffen, sagt eine Polizeisprecherin. 16 Beamte seien verletzt worden, einer schwer. Auf YouTube finden sich Videoaufnahmen, die Polizeibeamte zeigen, wie sie auf friedliche Blockierer und Demonstranten mit Fäusten und Schlagstöcken einschlagen, Pfefferspray einsetzen und mit den Füßen voran anspringen. Von rund 120 verletzten Demonstranten spricht „Block NPD“, davon mindestens eine Schwerverletzte. 201 Demonstranten nahm die Polizei fest. Auf Facebook witzelte die NPD sogleich über die „linken Superdemokraten“.

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