NPD auf dem Weg ins Aus

Ab Dienstag wird vor dem Bundesverfassungsgericht über den Verbotsantrag gegen die NPD verhandelt. Die rechtsextreme Partei hat indes angekündigt, dass sie noch „mit der einen oder anderen Überraschung aufwarten“ werde.

Freitag, 26. Februar 2016
Tomas Sager

Die Riege der Ex-NPD-Vorsitzenden trifft sich vor Gericht: Udo Voigt kommt, ebenso Holger Apfel, der Voigt stürzte, nach einem bis heute nicht geklärten „Sex-Skandal“ aber wieder zurück- und aus der Partei austrat, und auch dessen Nachfolger Udo Pastörs wird erwartet. Das Trio zählt zu den Auskunftspersonen, die das Bundesverfassungsgericht zur mündlichen Verhandlung über den NPD-Verbotsantrag geladen hat. Vom 1. bis 3. März tagen die Richter des Zweiten Senats, Vertreter des Bundesrates, der den Verbotsantrag gestellt hat, und der NPD in Karlsruhe.

Ginge es nach Frank Schwerdt, NPD-Vize und Leiter ihres Amtes Recht, wäre sofort am ersten Tag schon wieder Schluss. Denn gleich nach den einführenden Stellungnahmen der Prozessbeteiligten geht es am Dienstag um mögliche Verfahrenshindernisse. Solche Hindernisse hatten im März 2003 das erste Verbotsverfahren zum Platzen gebracht. Zum einen stützte sich der damalige Antrag gegen die NPD auch auf Äußerungen von Parteifunktionären, die als Verbindungsleute für den Verfassungsschutz arbeiteten. Zum anderen saßen V-Leute noch nach dem Start des Verfahrens in Vorständen der Partei. Von der geforderten „Staatsfreiheit“ könne keine Rede sein, befanden drei der sieben beteiligten Richter. Ihr Votum stoppte vor 13 Jahren das Verfahren, da für eine Fortsetzung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erforderlich gewesen wäre.

Bild einer antidemokratischen, rassistischen und menschenverachtenden Partei

Zwar haben die Landesinnenminister diesmal versichert, ihre Verbindungsleute „abgeschaltet“ zu haben, und entsprechende Dokumente vorgelegt – der Verfahrensbevollmächtigte der NPD, der Saarbrücker Rechtsanwalt Peter Richter, hofft aber auf ein ganz ähnliches Ergebnis wie 2003. „Auch im ersten Verbotsverfahren hatte das Gericht – so wie jetzt auch – zunächst das ,Hauptverfahren' eröffnet, es nach mündlicher Erörterung aber letztlich eingestellt. Im aktuellen Verfahren wird es sich wahrscheinlich nicht anders verhalten“, erklärte Richter, NPD-Vize im Saarland und Mitglied des Bundesvorstands, nach der Terminierung der Verhandlung im vorigen Dezember. Die NPD werde „in der mündlichen Verhandlung noch mit der einen oder anderen Überraschung aufwarten“, kündigte er an.

Seither wird gerätselt, ob es solche „Überraschungen“ tatsächlich gibt oder ob die Ankündigung lediglich ein Bluff ist. Der FAZ sagte Richter: „Die V-Mann-Problematik ist aus unserer Sicht die einzige Baustelle, um die es überhaupt gehen kann.“ Einerseits fragt er, ob tatsächlich alle V-Leute in seiner Partei „abgeschaltet“ worden seien. Es gehe aber auch darum, so Richter gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen“, ob abgeschaltete V-Leute, die zuvor in die Partei „eingeschleust“ worden seien, nach ihrer Abschaltung wieder „zurückgezogen“ wurden – etwa auch aus Ämtern, die sie als V-Leute angestrebt hätten. Weil der Rückzug von eingeschleusten Privatpersonen, die es nachweislich gegeben habe, von den Landesinnenministern nicht bestätigt worden sei, sei die Argumentation des Bundesrates „unschlüssig“. Zweites potenzielles Verfahrenshindernis aus Sicht Richters ist seine Behauptung, er könne gar nicht vertraulich eine Prozessstrategie erarbeiten, weil er den Verdacht haben müsse, dass diese Strategie von Geheimdiensten ausgespäht werde.

Der Bundesrat hatte den Verbotsantrag im Dezember 2013 eingereicht. Auf 264 Seiten und untermauert mit mehr als 300 Belegen wird darin das Bild einer antidemokratischen, menschenverachtenden und rassistischen Partei skizziert, die in der Tradition des Nationalsozialismus stehe. Auf der rassistischen und biologistischen Ideologie der NSDAP beruhe etwa der ausländerfeindliche Volksbegriff der NPD: Die Menschenwürde werde infrage gestellt, ganze Gruppen würden von Grundrechten ausgeschlossen. Die NPD lehne die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland konsequent ab und bekämpfe sie militant. (bnr.de berichtete)

„Gesellschaftliches Klima hat sich verändert“

Zur Sache hat sich die NPD dem Gericht gegenüber bislang noch nicht geäußert. Musste sie auch nicht. Noch in der Verhandlung selbst kann sie Stellungnahmen abgeben. Offen ist daher, ob es bei den bisher angesetzten drei Verhandlungstagen bleiben kann. Wie die NPD argumentieren könnte, deuteten ihr Rechtsamtsleiter Schwerdt und der als Auskunftsperson geladene sächsische Ex-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel an. Vor allem geriert man sich als – unschuldiges – Opfer, das stellvertretend für andere abgestraft wird. Schwerdt: „Beim Verbotsverfahren geht es gar nicht so sehr um einzelne Aktivitäten der NPD. Es geht um den Versuch, Freiheitsrechte einzuschränken und die etablierte Politik der multikulturellen Gesellschaft zur Staatsraison zu erheben.“ Wenn im Verbotsantrag beklagt werde, die NPD erzeuge eine „Atmosphäre der Angst“, so seien die meisten der Belege „nichts weiter als eine Bestätigung, dass die NPD ihre Pflichten aus dem Artikel 21 des Grundgesetzes ernst nimmt und an der politischen Willensbildung des deutschen Volkes mitwirkt“.

Gansel hofft, von einer allgemeinen gesellschaftlichen Verrohung profitieren zu können. Die NPD werde argumentieren, so zitiert ihn die FAZ, dass sich der „Meinungskorridor“ in Deutschland durch Pegida und AfD „erweitert“ habe: „Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert, Begriffe wie ‚Volksverräter‘ und ‚Lügenpresse‘ sind mittlerweile salonfähig geworden.“ Die NPD werde sich deshalb darauf berufen, dass man sie nicht für Aussagen bestrafen dürfe, die bei anderen Parteien und Bewegungen geduldet würden.

Sicher dürfte sein, dass das Verfahren bei einer Verbotsentscheidung durch das Verfassungsgericht noch nicht zu Ende ist. In diesem Fall könnte sich die Partei noch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden.

„Schweigespirale der Medien“ durchbrochen

Offen hingegen bleibt, was das Verfahren kurzfristig für die NPD bedeutet. Gerade erst scheint sie ihren Niedergang, was die Mitgliederzahlen anbelangt, gestoppt zu haben. Anti-Flüchtlingskampagnen verschafften ihr Aufwind – wobei allerdings eine rechtspopulistisch operierende Partei wie die AfD davon weit kräftiger profitieren kann als die NPD. Eineinhalb Wochen nach der mündlichen Verhandlung wählen Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt neue Landtage. Im Südwesten wird die Partei absehbar ohne jede Chance bleiben. In Sachsen-Anhalt allerdings hatte sich die NPD trotz des desolaten Zustandes des dortigen Landesverbands – wohl der schwächste im Osten der Republik – erhofft, über die Fünf-Prozent-Hürde springen zu können.

Richter meint, in Karlsruhe bekomme die NPD „die große Bühne aufgebaut“. Die „Schweigespirale der Medien“ werde durchbrochen, zitiert ihn der Berliner „Tagesspiegel“. Auf der anderen Seite könnte das Verfahren aber auch potenzielle Wähler zweifeln lassen: wegen der notorischen Verfassungsfeindlichkeit der NPD, die in der Verhandlung einmal mehr deutlich werden dürfte, aber auch ganz praktisch wegen des Risikos, dass es die von ihnen gewählte Partei über kurz oder lang überhaupt nicht mehr geben könnte.

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