Nordisches Brauchtum in völkischen Kreisen

Bekanntschaft im Verborgenen: Der wohl bekannteste Holocaust-Leugner Ernst Zündel besucht die Sonnwendfeier des „Zuerst!“-Verlegers Dietmar Munier.

Dienstag, 26. Juni 2012
Andrea Röpke/Andreas Speit

Der „Kastanienhof“ im 100-Seelen-Dorf Martensrade nahe Kiel umfasst ein weitläufiges Gelände. Von der Landstraße sind Verlagsgebäude, Wohnhaus, Hofanlagen oder Steinkreis, Teich und Zeltanlagen nicht erkennbar. Nur Spaziergängern oder Besuchern der Behinderteneinrichtung in der Nähe fallen schon mal der hohe Wachturm oder vergangene Woche der grüne Sichtschutz aus Plastik auf dem Anwesen des bekannten rechten Verlegers Dietmar Munier auf.

Am 23. Juni pünktlich um 14.00 Uhr reisten Fahrzeuge aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg an. Sie bogen in die kleine Zufahrt zum „Kastanienhof“ und parkten. Etwa eine Stunde später sammelte sich dann die Schar der vertrauten Gäste beim Ehepaar Gerlind und Dietmar Munier, die Sonnenwende sollte zelebriert werden. Einladungen waren verschickt worden, nicht nur vertraute Gäste seien erwünscht. In Absprache mit den Gastgebern durfte der Kreis erweitert werden.

Revisionist mit Kultstatus in der Neonazi-Szene

Der Regen hatte aufgehört und die ersten Fackeln wurden entzündet. Gleich einer völkischen Prozession zogen nun die Teilnehmer vom Parkplatz zum Steinkreis. Fanfarenklänge erklangen. Junge Frauen mit Haarkränzen und Zöpfen schoben mühsam Kinderwagen über die Wiese. Männer in altmodischer Kleidung gingen hintereinander her. Einer mit Bart lief von einer Person zur nächsten und verteilte Zettel. Ganz hinten folgte ein lächelnder älterer Mann mit Glatze und Brille. Er sah braungebrannt aus und hatte eine Fotokamera vor dem Bauch hängen. Aus Wildbach bei Calw war der wohl bekannteste Holocaust-Leugner, Ernst Zündel, an die Küste gereist, um nordisches Brauchtum zu feiern.

Vor zwei Jahren wurde der international bekannte Holocaust-Leugner von begeisterten Anhängern wie Ursula Haverbeck und Rigolf Hennig nach seiner Haftentlassung gefeiert. Er war 2007 in Mannheim wegen Volksverhetzung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seitdem renoviert der 73-Jährige sein Elternhaus im Schwarzwald. Videobotschaften seiner Fans halten seinen Ruf als Staatsfeind am Leben. Auch in der jüngeren Neonazi-Szene – von der NPD in Brandenburg bis zu den  „Volksfront-Medien“ in Hessen – genießt der Revionist schließlich Kultstatus.

„Lesertreffen“ im fernen Bayern

Nach dem rituellen Entzünden des Feuerstoßes hatte das Ehepaar Munier „Spiel, Sport, Tanz, Singen, Gespräche, Essen und Trinken“ angekündigt. Im „Zeltbereich“ sei campen möglich, „fließend kaltes Wasser und „Donnerbalken“ würden zur Verfügung stehen.

Der Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein warnt im aktuellen Bericht für 2011 nur noch mit wenigen Sätzen vor dem Verlagsimperium des einflussreichen rechten Verlegers. „Lesen und Schenken“ aus Martensrade nehme eine „herausragende Rolle“ ein, heißt es. Doch Muniers Hochglanz-Magazine, „Zuerst!“ und „Deutsche Militärzeitschrift“ (DMZ), erhältlich an zahllosen Bahnhofskiosken, finden keine Erwähnung.

Vor fast 40 Jahren begann der 58-jährige Munier mit seiner publizistischen Tätigkeit, im Laufe der Jahre schluckte er auch das langjährige rechtsextreme Kultorgan „Nation&Europa“. Der ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten scheut die Öffentlichkeit. Seine Kontakte zur NPD und zu kulturellen völkischen Hintergrundorganisationen gelten als vielfältig. Zu den „Lesertreffen“ seines Verlages „Lesen und Schenken“ auf einem Schloss erschienen nach Recherchen des a.i.d.a-Archivs in München im vergangenen Jahr und Ende März 2012 auch Rechtsextremisten wie Frank Rennicke, Peter Marx oder Hans Püschel als Referenten und Teilnehmer. Nicht ohne Grund wird Munier diese Treffen seit Jahren im fernen Bayern abhalten.

In Martensrade haben sich die Anwohner an den völkisch orientierten Verleger und dessen Szene-Mitarbeiter gewöhnt. Mit einem mehrfach vorbestraften Gast wie dem Deutsch-Kanadier Ernst Zündel hätten sie wohl kaum etwas anfangen können. Denn auch der gibt sich äußerlich unauffällig und bürgerlich.

Der NDR hat am 26. Juni über die Sonnenwendfeier berichtet.

 

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