Nord-AfD bleibt im Streitmodus

Der ehemalige und der derzeitige AfD-Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein treffen sich vor dem Landgericht Kiel – bei dem Landesparteitag am kommenden Wochenende in Kaltenkirchen dürfte es erneut  Zoff geben.

Dienstag, 10. Januar 2017
Horst Freires

Das Hauen und Stechen innerhalb der AfD Schleswig-Holstein kommt nicht zur Ruhe. Immer neue Auseinandersetzungen prägen das Bild einer Partei, die nach außen doch so sehr Eigenschaften wie Disziplin, Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit und Ordnungsliebe als Tugenden vorne weg stellt, sich mit diesen Ansprüchen selbst aber offenkundig ziemlich schwer tut. Ein Rechtsstreit ist mittlerweile vor dem Landgericht Kiel gelandet, der gestrigen Montag zur Verhandlung anberaumt, aber noch nicht entschieden wurde. Verkündungstermin wird nun am 30. Januar sein.

Im voll besetzten Verhandlungssaal 374 saßen sich am 9. Januar der ehemalige Landesvorsitzende Thomas Thomsen und sein Nachfolger Jörg Nobis gegenüber. Thomsen moniert, dass der jetzige AfD-Landesvorstand nicht satzungsgemäß gewählt wurde, weil zum Landesparteitag am 16. April des Vorjahres nicht alle Mitglieder korrekt eingeladen worden sein sollen. Laut Thomsen waren rund 35 Mitglieder betroffen. Unter Protest verließ er mit Gefolgsleuten im vergangenen Jahr die Parteiversammlung. Daraufhin legte der Lübecker parteiinterne Anfechtungsanträge ein, blieb bis jetzt aber in der Schiedsgerichtsbarkeit der AfD hängen.

Etliche Monate sind seither ohne eine Entscheidung vergangen, und das auch, weil nach einem Rücktritt das Landesschiedsgericht Schleswig-Holstein nicht beschlussfähig war. Dann landete der Vorgang beim Bundesschiedsgericht, das wiederum kurzzeitig das Hamburger Schiedsgericht mit der Angelegenheit betraute. Zwischendurch wurde über einen Befangenheitsantrag beraten und ein Vergleichsvorschlag erörtert. Eine endgültige Entscheidung steht weiterhin aus.

Rechtsanwalt Björn Clemens an der Seite von Landeschef Nobis

Thomsen geht das alles nicht schnell genug. Er wittert eine Verzögerungstaktik und sieht nun ein ordentliches Gericht am Zuge. Nach Vorberatung des Kieler Landgerichts tendiert dieses eigenen Angaben zufolge dahingehend, dass die Parteigerichtsbarkeit erst ausgeschöpft werden müsse, ehe ein ordentliches Gericht angerufen werde. Der Ausschöpfungsrahmen und damit eine entsprechende Zumutbarkeit für Parteimitglieder liege jedoch angepasst an die Vorstands-Amtszeit bei rund zwei Jahren, so jedenfalls urteilte der Bundesgerichtshof bereits einmal.

Gegen Thomsen läuft ein Parteiausschlussverfahren. Er erschien in Kiel mit Markus Kompa (Köln) als Rechtsbeistand, bis Anfang Dezember des Vorjahres noch Mitglied bei der Piratenpartei. Nobis, der für den aktuellen Vorstand mit Landesschatzmeister Bernhard Noack den Gerichtssaal betrat, saß an der Seite von Björn Clemens aus Düsseldorf, in rechtsgerichteten Kreisen oft als Anwalt geschätzt und lange Zeit politisch als Funktionär der Republikaner aktiv. Im Januar 2015 trat Clemens an der Seite der rechtsextremen Aktivistin Melanie Dittmer in seiner Heimatstadt als Redner des Düsseldorfer Pegida-Ablegers „Dügida“ auf.

Gegenseitig mit Abwahlanträgen überzogen

Die Unruhe bei der AfD im hohen Norden bleibt allerdings ein Dauerthema, auch wenn Thomsen mit seinem Vorstoß scheitern sollte. Stress ist bereits jetzt am kommenden Wochenende angesagt, wenn auf dem Landesparteitag in Kaltenkirchen (Kreis Segeberg) eigentlich die Fortsetzung der Aufstellung der Landeslisten für die Landtagswahl im Mai und für die Bundestagswahl im September erfolgen soll. Schon zu Beginn der Zusammenkunft ist bei der Aufstellung und Verabschiedung der Tagesordnung Zoff vorprogrammiert. So liegen diverse Abwahlanträge vor, unter anderem für den gesamten Landesvorstand, aber auch für den bereits als Listenkandidat fünf geführten Landes-Vize und Pressesprecher Volker Schnurrbusch. Dieser soll seinen Erstwohnsitz in Hamburg haben und nicht wie selbst angegeben in Ostholstein.

Über genau das Hindernis stolperte bereits der neue Kreisvorsitzende von Herzogtum-Lauenburg, Christian Waldheim, der seine Wahlkreis-Direktkandidatur zurückgeben musste. Es rumort auch im Kreis Schleswig-Flensburg. Der alte und neue Kreisvorsitzende dort haben sich gegenseitig mit Abwahlanträgen für ihre Kandidaturen zur Landtagswahl überzogen.

Wahlumfrage bei rund sechs Prozent

Bei einem Neujahrsempfang des AfD-Kreisverbandes Ostholstein am 8. Januar in Eutin übernahm Hamburgs AfD-Vorsitzender Bernd Baumann die Gastansprache. Laut „Ostholsteiner Anzeiger“ soll er dort das Flüchtlingsthema für die Stimmungsmache seiner Partei folgendermaßen bedient haben: „Für den Unterhalt eines Syrers mit fünf Frauen und 23 Kindern müssten 95 Handwerksgesellen arbeiten gehen.“

Einen AfD-Aktivisten aus dem Kreis Plön könnte der Düsseldorfer Anwalt Clemens indessen durchaus kennen: Sebastian Pella. Beide sind in der Vergangenheit laut Medienberichten bei der rechtsextremen „Gesellschaft für freie Publizistik“ aufgetaucht. Pella war kurzzeitig Mitglied im AfD-Kreisvorstand, den er nach offizieller Lesart aus „familiären Gründen“ wieder verlassen hat. Denkbar ist aber auch, dass seine bekannt gewordene Tätigkeit für das rechtsorientierte Magazin „Zuerst!“ aus dem Hause des Verlegers Dietmar Munier Einfluss auf die Rückzugsentscheidung hatte.

Die Nord-AfD zählt nach eigenen Angaben derzeit knapp 1000 Mitglieder, Tendenz steigend. Bei der jüngsten Wahlumfrage für die am 7. Mai anstehende Landtagswahl kam die Partei auf sechs Prozent.

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