Rechts-„alternative“ News

NIUS als populistisches Portal für manche Echokammern

Seit einigen Wochen ist NIUS aktiv, Untertitel „Die Stimme der Mehrheit“. Das Portal ist eine Art Nachfolger des „Pleitetickers“ um den ehemaligen „Bild“-Chef Julian Reichelt. NIUS ist eine populistische, laute und rechte „Stimme“, versucht aber seriöser zu agieren als der AfD-nahe „Deutschland-Kurier“ oder als das extrem rechte Medienprojekt AUF1.

Mittwoch, 26. Juli 2023
Michael Klarmann
NUIS - Stimme der angeblichen Mehrheit (Screenshot)
NUIS - Stimme der angeblichen Mehrheit (Screenshot)

Reichelt war in den vergangenen Tagen wegen zweier Vorfälle in den Schlagzeilen. Der Ex-„Bild“-Chef hatte dem Herausgeber der „Berliner Zeitung“, Holger Friedrich, Informationen zugespielt. Anders als von Reichelt erhofft, machte dieser daraus keine Exklusiv-Story. Friedrich informierte stattdessen Reichelts ehemaligen Arbeitgeber. Im Rechtsstreit darüber hat das Berliner Landgericht nun entschieden, dass sich der Ex-„Bild“-Chef nicht auf Informantenschutz berufen kann. Und da sind die vielen Medienberichte, weil der Berliner Queer-Beauftragte Alfonso Pantisano Reichelt wegen Volksverhetzung angezeigt hat.

Anlass dafür war ein hämisch-polternder Tweet über das Hissen der Regenbogenfahne vor dem Berliner Polizeipräsidium. Diese Schlagzeilen dürften dem einstigen Leitwolf des Boulevards gerade recht kommen. Sein ursprünglicher Tweet stammt aus der Zeit rund um die ersten, teils kritischen Meldungen und Berichte über das neue NIUS – und wurde von Reichelt dazu genutzt, um ein klassisch populistisches Opfernarrativ zu konstruieren. Er, der für Meinungsfreiheit und freie Berichterstattung kämpfe, werde von einem queeren, woken und mit öffentlichen Geldern alimentierten Aktivisten drangsaliert. Für die Echokammern der „Querdenker“, Rechtsradikalen, AfD-Anhänger und Verschwörungsgläubigen eine Top-Erzählung.

NIUS bündelt Internetprojekte

NIUS, ausgesprochen wie News, ist ein vor wenigen Wochen gegründetes Medienprojekt des CDU-nahen Milliardärs und Unternehmers Frank Gotthard. Er hatte sich im vergangenen Jahr mit Reichelt zusammengetan. NIUS bündelt mehrere Portale und Internetprojekte wie „Achtung, Reichelt“, „Pleiteticker“ oder „Schuler“. Chefredakteur ist der Journalist Jan David Sutthoff, der unter anderem für die Funke Mediengruppe gearbeitet hat.

Zu den Mitarbeitern von NIUS gehören unter anderem der langjährige Journalist und Kolumnist Jan Fleischhauer, der ehemalige Leiter der „Bild“-Parlamentsredaktion Ralf Schuler, die neurechte Influencerin Anabel Schunke sowie die Anti-Queer- und Anti-Woken-Journalisten Judith Sevinc Basad und Jan A. Karon. Auch weitere ehemalige „Bild“-Mitarbeiter arbeiten für NIUS. Die Berichterstattung folgt dem Prinzip: Empörungspotenzial! Diese Art von Journalismus gleicht dabei jenem, den rechte Kreise ihren Kritikern gerne andichten: Aktivismus. Ein Themenfeld wird populistisch, der eigenen Agenda folgend zuspitzt und via Wort attackiert.

Gegen alles Linksrotgrüne

Rhetorisch gekeilt wird gegen die „etablierte“ Politik und eine vermeintliche Diktatur des linksrotgrünen „Establishments“, wozu auch die queere Community und die „Klimakleber“ gezählt werden. NIUS wirkt bisweilen wie eine parteifreie Ausgabe des AfD-nahen „Deutschland-Kuriers“. Es dürfte ein Nackenschlag für die Expansionspläne in Richtung Deutschland des extrem rechten und verschwörungsideologischen Medienprojekts AUf1 aus Österreich darstellen. In den Echokammern der Szene werden die Inhalte von NIUS nach anfänglichem Zögern inzwischen ebenso gestreut. Dies geschah zwar auch schon vorher mit Inhalten von Reichelt und Co., fällt aber unter dem neuen Label inklusive der markanten Corporate Identity nun stärker ins Auge.

Über Telegram wurden in den letzten Tagen NIUS-Inhalte in Chats und auf Szene-Kanälen gestreut. Die ehemalige Tagesschausprecherin Eva Herman verbreitete auf ihrem Kanal (knapp 188.000 Abonnenten) seit Anfang des Monats etwa vier bis acht Postings pro Tag mit NIUS-Inhalten. In Chats der verschwörungsideologischen und rechten Szene(n) weitergeleitet, liegt die Reichweite jener Postings bei rund 30.000 Zugriffen. Auch in Chats und Kanälen von „Querdenkern“ und „Reichsbürgern“ werden Inhalte von NIUS geteilt, unter anderem solche, die sich gegen die queere Community richten oder aber Klimawandel-Leugner, Rassisten oder Impfgegner ansprechen.

Noch zu seriös für das Paralleluniversum

Allerdings werden NIUS-Inhalte in jener Telegram-Parallelwelt noch nicht so häufig geteilt oder empfohlen, während etwa Posts von AUF1, „Tichys Einblick“ oder „Reitschuster“ und solche anderer Medienaktivisten weiterhin sehr viel häufiger verbreitet werden. Derzeit (*) hat der NIUS-Telegram-Kanal noch bescheidene rund 1.750 Abonnenten. Für das deutlich radikalere und verquere Paralleluniversum der entsprechenden Telegram-Szene(n) scheint das neue Medienprojekt eher noch irrelevant. Möglicherweise liegt das auch daran, dass Reichelt auch als Feindbild für „Reichsbürger“, QAnon-Ideologen und Antisemiten dient.

Die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herrman scheint Gefallen am neuen Portal gefunden zu haben
Die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herrman scheint Gefallen am neuen Portal gefunden zu haben

So kursierte Mitte Juli auf Kanälen jener Szene(n) eine Serie offen antisemitischer Hassbotschaften, die den Berliner Rabbiner Yehuda Teichtal verunglimpfen. In einem Post jener Serie wird die Falschinformation verbreitet, Reichelt sei „ein Mitglied der schwerkriminellen Chabad-Lubawitsch-Mafia“. Es überrascht daher vorerst wenig, dass NIUS in dieser Telegram-Bubble eher noch selten rezipiert wird. In anderen sozialen Netzwerken ist das teilweise anders. Denn in den Twitter-Trends schneidet das Portal als Suchbegriff und Hashtag konstant gut ab. NIUS selbst hat hier etwas mehr als 31.000 Follower, Reichelt folgen rund 235.000 Nutzer, anderen Mitarbeitern zirka 25.000 bis 50.000 User.

Glücksfall für „Rechtstwitter“

Twitter scheint in den sozialen Medien das Spielfeld von NUIS zu sein. Inhalte werden geteilt oder geliked von jenen, die sich selbst unter dem Schlagwort „Rechtstwitter“ einordnen: „Patrioten“, „Identitäre“, AfD-Anhänger, -Verbände und -Politiker sowie die Rechtsaußen-Fraktion aus dem Umfeld der Unionsparteien. „Rechtstwitter“ war einst nur ein Schlagwort, um den angeblichen Hegemon „Linkstwitter“ anzugreifen. Ähnliches Publikum bespielt man bei Facebook, wo sich NIUS jedoch noch mit bescheidenen rund 2.600 Likes und rund 4.500 Followern begnügen muss. Kommentare, geteilte Inhalte und Likes sind für ein Portal, das auf Empörungswellen setzt und skandalisierend und polemisierend agiert, eher gering.

Vergleicht man das neue Portal auf Facebook mit den Seiten von AUF1 (über 9.000 Likes und knapp 14.000 Follower), „Tichys Einblick“ (über 60.000 Likes und knapp 70.000 Follower) und der „Jungen Freiheit“ (knapp 128.000 Likes und gut 136.000 Follower), so ist NIUS hier nur ein Pimpf. Demgegenüber zeigt die Interaktion auf den Facebook-Seiten der anderen oder etwa das Agieren der AfD via Facebook mit einem ähnlichen Social-Media-Ansatz das virtuelle Erfolgsmodell – wobei selbst kleine AfD-Ortsverbände oft mehr Zuspruch erhalten und Interaktion ernten als NIUS derzeit. Auf Instagram (rund 23.000 Follower) und YouTube (knapp 50.000 Abonnenten) erreicht NIUS eine größere Reichweite und Interaktion als auf der Facebook-Seite.

Gratwanderung neben der Brandmauer

NIUS verbreitet auf seinen Social-Media-Kanälen fast die gleichen Inhalte, ähnlich einem Newsfeed. Lediglich aktuelle Eindrücke bei laufenden Recherchen oder polemische Tweets werden vorab auf Twitter veröffentlicht und gerne geteilt. NIUS und Reichelt samt Anhang scheinen denn auch bei „Rechtstwitter“ beliebter zu sein als etwa in den Echokammern von Telegram. NIUS ist dabei zwar in bestimmten Spektren des Rechtsaußen-Lagers und teilweise auch bei Verschwörungsgläubigen angekommen. Zugleich fällt deren Zuspruch in Teilen noch verhalten aus.

Sinnbildlich dafür dürfte der Gastbeitrag des Politikwissenschaftlers Werner J. Patzelt vom Dienstag stehen. Solcherlei Statements lesen und diskutieren AfD-Anhänger und Neue Rechte sicher gerne und eifrig. Für „Reichsbürger“ oder QAnon-Gläubige gehören Patzelt und Reichelt aka NIUS allerdings zu den „Eliten“. „Reichsbürger“ und Verschwörungsgläubige mögen also eher, wenn überhaupt, das Destruktive bei NIUS und wie eine solche Berichterstattung und Kommentierung Teile der Gesellschaft triggert, empört, aufwiegelt und spaltet.

Kategorien
Tags