Neurechter „Zwischentag“ auf Sparflamme

Ziemlich „rechts“ ging es am Samstag beim Vernetzungstreffen „Zwischentag“ im Haus der Erlanger Burschenschaft „Frankonia“ zu. Zu neurechten Schreibtischtätern, Rechtspopulisten und Burschenschaftlern gesellten sich NPD-Anhänger, Kameradschaftsaktivisten und Karl-Heinz Hoffmann. Von den erwarteten 200 Besuchern war wenig zu sehen. Gegenproteste begleiteten die Veranstaltung.

Montag, 06. Juli 2015
Redaktion
Die vierte Auflage des Vernetzungstreffens „Zwischentag“ ist nur noch ein Schatten früherer „Messen“. Gab es bei der Premiere 2012 noch 40 Aussteller, benannte die auf der Veranstaltungsseite angegeben Liste zuletzt nur 14. 200 Besucher hätten Platz, es gäbe nur noch wenige Karten, versuchte Initiator Felix Menzel die Werbetrommel zu rühren. Eine Schätzung der Gesamtteilnehmerzahl ist schwierig. Einige Teilnehmer übernachteten im Haus der Burschenschaft. Bis zum Beginn um 11.00 Uhr passierten knapp 50 Personen die südliche Polizeiabsperrung, die als Zugang empfohlen worden war. Bis 18.30 Uhr verließen rund 80 Messeteilnehmer und Aussteller das Versammlungsgebäude. Zu dem Zeitpunkt hielten sich neben den dort wohnenden Burschenschaftern vermutlich noch weitere Personen im Haus auf. Deutlich mehr als 100 Interessierte wird der „Zwischentag“ wahrscheinlich nicht nach Erlangen gelockt haben. Der Oberbürgermeister der mittelfränkischen Stadt, Florian Janik (SPD), bezweifelte im Gespräch mit ENDSTATION RECHTS., dass überhaupt 200 Personen in dem Anwesen Platz finden könnten.

Ganz Bandbreite von neurechts bis extrem rechts

Die Organisatoren der Gegenveranstaltung behielten Recht: Der Teilnehmerkreis umfasste alle Schattierungen des rechten Randes, von der Neuen Rechten bis zur extremen Rechten. Zu Personen aus dem Pegida-Umfeld und Verbindungsstudenten gesellten sich tätowierte Teilnehmer mit teilweise Symbolen verschiedener Truppenteile der Waffen-SS. Für die Polizei aber kein Grund, genauer hinzusehen. Verspätet erschienen Politically Incorrect-Autor Michael Stürzenberger samt Ester Seitz (Widerstand Ost/West). Hassblogger Karl-Michael Merkle (Michael Mannheimer) verlief sich erst einmal in den Straßen Erlangens und fand das Haus nur durch Hinweise der Polizei. Deutlich mehr Ortskenntnis bewies NPD-Landesgeschäftsführer Axel Michaelis, der schon bei der Pirinçci-Lesung wie ein alter Bekannter der Hausherren wirkte. Zeitgleich erreichte der Kopf der nach ihm benannten Wehrsportgruppe, Karl Heinz Hoffmann, den Tagungsort. Hoffmanns Person könnte im Zuge der wieder aufgenommenen Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat erneut in den Fokus rücken. Ein vom früheren NPD-Landesvorsitzenden Ralf Ollert erlassenes Auftrittsverbot für Hoffmann sowie Rechtsterrorist Martin Wiese auf Veranstaltungen der rechtsextremen Partei hatte im Mai 2012 mit zum Austritt etlicher Kameradschaftsaktivisten geführt. Wie sich die Zeiten ändern: 2015 stehen Michaelis und der Ex-Wehrsportler gemeinsam an der Eingangspforte. Im Schlepptau haben sie jüngere Aktivisten, die schon an Aktionen der Neonazis vom Dritten Weg teilgenommen hatten.

Auch Aussteller vom Verfassungsschutz beobachtet

Diskussionen gab es im Vorfeld um zwei Aussteller, die in Verfassungsschutzberichten aufgeführt sind. Menzel, Gründer der „Blauen Narzisse“, hatte sich gegenüber der Süddeutschen Zeitung damit gerechtfertigt, beide Vereine würden gegen ihre Nennung klagen. Recherchen der Zeitung ergaben aber, dass dies nur für den Fall des Magazins „Umwelt und Aktiv“ gelte. Für den „Verein Gedächtnisstätte“ sei die Klage dagegen schon entschieden. Im Verfassungsschutzbericht zu stehen, sei ihm egal, zitiert die SZ den Vereinsvorsitzenden. Auf dem Grundstück des Vereins in Guthmannshausen will demnächst der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt ein Sommerfest feiern. Für Menzel steht der Verein dennoch auf dem Boden des Grundgesetzes, wie die Vorstellung des Ausstellers verrät.

Zahlreiche Gegenveranstaltungen und Wohlfühlprogramm für Burschenschafter

Gegen den neurechten „Zwischentag“ engagierte sich die „Aktion Courage Erlangen“, die ein umfangreiches Gegenprogramm auf die Beine stellte. Bereits am Freitag gab es auf dem Schlossplatz ein großes kulturelles Programm und parallel einen von den Jusos organisierten Vortrag über Burschenschaften und die rechte Szene. In einer Stellungnahme distanzierte sich auch die in Erlangen sitzende Verbindung Germania vom „Zwischentag“. „Fremdenhass, Respektlosigkeit gegenüber der Würde jedes Menschen, die Verbreitung von Unwahrheiten und das Projizieren einer Utopie auf eine verklärte, menschenverachtende Vergangenheit“, seien nicht mit ihren Grundsätzen vereinbar.


Tätowierungen mit Divisionsabzeichen der Waffen-SS, Foto: Thomas Witzgall

Am Samstag protestierten Gegendemonstranten nahe am Haus der Burschenschaft in der Loewenich-Straße. Am Bürgermeistersteg organisierte die Studierendenvertretung ein buntes Straßenfest. Südlich des Verbindungshaues versuchten einzelne Gruppen Sitzblockaden zu formieren, wurden aber von der Polizei unter Einsatz von Zwang gehindert. SPD-Stadtrat Munib Agha berichtet auf seiner Facebook-Seite, dass die Polizei Gegendemonstranten lange in der prallen Sonne eingekesselt hätte, und dass zur Durchsuchung von Frauen zunächst keine Polizistinnen vor Ort gewesen seien. Insgesamt kam die Polizei den Burschenschaftern weit entgegen. Auf Nachfragen von Bürgern bekamen diese die verharmlosende Auskunft „Buchvorstellung“ als Antwort. Auch hielt die Polizei den öffentlichen Bereich vor dem Verbindungshaus von Medienvertretern weitgehend frei. Begründet wurde die Maßnahme unter anderem mit Sicherheitsbedenken, „Zwischentags“-Besucher könnten sich provoziert fühlen. Der Einsatzleiter negierte damit sämtliche gesetzliche Vorgaben. Zu einer Auseinandersetzung kam es am frühen Nachmittag. Ein bekannter Erlanger Anwalt verließ den „Zwischentag“, um wenig später im Rücken der Gegendemo wieder in Richtung Tagungsort zu gelangen. Dabei soll es nach Schilderungen von Augenzeugen anfangs zu einem verbalen Schlagabtausch gekommen sein. Danach sei der Jurist tätlich gegenüber Kontrahenten geworden. In der folgenden Auseinandersetzung soll die Polizei zunächst gegen die möglichen Opfer vorgegangen sein. Aber auch der Anwalt wurde mitgenommen. Über diesen doch gravierenden Vorfall schweigt sich die polizeiliche Pressemitteilung aus. 300 Personen sollen laut ihrer Zählung in der Spitze an den Protesten in der Loewenich-Straße beteiligt haben. Zuerst erschienen auf ENDSTATION RECHTS.-Bayern
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