Neuer rechter Hotspot in Hessen?
Der bekannte Rechtsextremist Meinolf Schönborn will aus einem ehemaligen Hotel in Nordhessen eine „Schutz- und Trutzburg“ errichten.
Der Name Schönborn steht bereits an der Klingel. An den Gebäuden auf dem über 3.300 Quadratmeter großen Grundstück sind Bewegungsmelder und eine Wildkamera installiert. Rechtsextremist Meinolf Schönborn hat sein neues Quartier am Rande der nordhessischen Gemeinde Gieselwerder bereits bezogen. Laut einem Anschreiben an den Interessentenkreis der Zeitung Recht & Wahrheit soll aus dem ehemaligen „Appartement Hotel Waldmühle“ die „Residenz Ludenbeck“ werden. Ein Altersheim für alte Kameraden.
Das weiße Gebäude mit zehn in sich abgeschlossenen Wohnungen im hessischen Landkreis Kassel gelegen stand zuletzt leer, doch es befindet sich in einem guten Zustand. Der Brandschutz wurde aufwändig erneuert, da das Gebäude in der Vergangenheit als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde. Fotos zeigen eine zweistöckige, weiß getünchte Flachdachunterkunft zwischen zahlreichen Bäumen, innen ausgestattet wie ein Hotel günstiger Preisklasse. Mit einem Mindestgebot von 79.000 Euro stand das Anwesen nahe der Landesgrenze zu Niedersachsen zur Versteigerung.
„Auf jeden Fall sehr gut zu verteidigen“
Ein „Gemeinschaftsprojekt verschiedener Patrioten“ soll es werden, wie es in einer internen Bewerbung heißt. Hier soll nicht bloß ein geistiges „Deutsches Kulturzentrum“ aufgebaut werden, sondern auch ein „modernes Wohnangebot für Senioren, Menschen mit Behinderung, junge Familien, Alleinerziehende und Singels“ entstehen. Die Anlage soll für eine „patriotische Gemeinschaft“ mit angestrebter Selbstversorgung auch als „Schutz- und Trutzburg“ dienen, „für schlimme Zeiten, die ohne Zweifel auf uns Deutsche schon in naher Zukunft zukommen werden“, heißt es. Und Schönborn ergänzt, dass „die Lage optimal“, sei, „es ist fast Alleinlage und auf jeden Fall sehr gut zu verteidigen“.
Für die Gemeinde Wesertal kam der Kauf überraschend. Mit dem Clou kann der mehrfach verurteilte Schönborn erneut eine größere Immobilen für seine politischen Ambitionen nutzen. Der Kauf verbreitete sich in der extrem rechten Szene. Fotos von Journalisten zeigen zudem einen Offenbacher AfD-Politiker bei einer Kundgebung der „Russlanddeutschen Konservativen“ im August 2020 in Friedland mit einem Zettel in der Hand, auf dem die Adresse in Gieselwerder stand. In der Vergangenheit führte Meinolf Schönborn bereits ein paramilitärisches Schulungszentrum in Detmold-Pivitsheide.
Weitere Immobilie
Ab Dezember 2015 lud Schönborn dann zu rechtsextremen Veranstaltungen nach Nordhessen ein. Er übernahm den ehemaligen „Reichshof“ des verstorbenen Altnazis Manfred Roeder. Von den 1990er bis Mitte der 2000er Jahre fanden dort fast monatlich die sogenannten Heimabende statt. Nationale und internationale Größen der Neonaziszene gingen aus und ein, der Hof war ein generationsübergreifender Treffpunkt, dessen Bedeutung auch den hessischen Behörden nicht entging.
Das Landesamt für Verfassungsschutz soll eigene „Quellen“ auf den Veranstaltungen bei Roeder gehabt haben, wie die antifaschistische Zeitschrift „Lotta“ die Aussage eines ehemaligen Abteilungsleiters zitiert. Schönborn setzte die Veranstaltungstradition in Schwarzenborn dank der Hilfe von Holocaustleugnern im umbenannten Haus Richberg fort. Der Blick nach rechts berichtete über mehrere Treffen mit Schulungen und Brauchtum am Knüllköpfchen.
Schwierigkeiten mit Behörden
Ab 2017 bekamen Schönborn und seine Unterstützer Schwierigkeiten mit den zuständigen Verwaltungsbehörden, Zusammenkünfte wurden untersagt, Schönborn wich mit seinen Veranstaltungen ins „Hufhaus“ nach Ilfeld in Thüringen aus. Im Hinblick auf einen der umtriebigsten Aktivisten scheint es daher umso ungewöhnlicher, dass es keine Warnungen vor dem erneuten Immobilienkauf in Nordhessen gab.
Meinolf Schönborn ist nicht nur Herausgeber von Recht & Wahrheit und einer der zahlreichen rechtsextremen Youtuber, sondern sein Name tauchte in den letzten Jahrzehnten auch immer wieder im Zusammenhang mit Rechtsterror auf.
Kennverhältnis zu Corelli
Bereits Manfred Roeder wurde als Drahtzieher einer Terrorgruppe zu einer Haftstrafe verurteilt. 2012 wurde in Brandenburg in einem Haus etwa 70 Kilometer nördlich von Berlin gelegen eine Leiche mit einem Rucksack voller scharfer Waffen entdeckt. Der an einem Herzinfarkt verstorbene, ehemalige Söldner Jörg Lange hatte auch Hetzschriften einer Gruppe, die sich Die Neue Ordnung nannte, dabei.
Lange und Schönborn sollen damals versucht haben, mit dem „Weißen Haus“ ein Schulungszentrum in Brandenburg aufzubauen. Das Politik-Magazin Report aus Mainz berichtete, Schönborn habe die Kader der gefährlichen „Neuen Ordnung“ trainiert. Dann wurde aus den Ermittlungen gegen die Terrorgruppe NSU bekannt, dass Schönborn auch den auf dubiose Art und Weise verstorbenen V-Mann Thomas Richter alias Corelli kannte.
Interesse an weiterer Immobilie?
Richter, der Kontakt zum NSU hatte, wohnte Anfang der 1990er Jahre als Mitglied in Schönborns Nationalistischer Front in dessen Zentrum in Detmold-Pivitsheide. 2017 besuchte Schönborn den „Eichsfeldtag“ von Thorsten Heise und der Kameradschaft „Arische Bruderschaft“ im nahen Thüringen. An der Veranstaltung nahm auch der verurteilte Rechtsterrorist Martin Wiese teil, der jetzt erneut im Visier der Ermittlungsbehörden steht, auf der Bühne spielte die Schweizer Rechtsrockband Amok.
Die Verfassungsschutzbehörden bescheinigten Schönborn zudem einen Kontakt zur verfassungsfeindlichen Europäischen Aktion. 2018 verbreitete Recht & Wahrheit TV dann ein Statement von Aktivisten von „Nordadler“, einer Organisation, deren Zentrum sich mittlerweile unweit im thüringischen Mackenrode befindet. 2020 verbot das Bundesinnenministerium die rechtsextremistische Vereinigung „Nordadler“. Deren Anhänger planten nach eigenen Angaben eine nationalsozialistische Siedlung mit mehreren Häusern zu errichten. Organisatorische Angelpunkte in Sachsen-Anhalt und Thüringen sollten gebildet werden. Wesertal mit seinem Ortsteil Gieselwerder könnte mit dem Zuzug Schönborns ein neuer brauner Hotspot der Region werden. Es soll zudem Interesse an einer weiteren Immobilie im Ort geben. Ob dieses Mal ein Vorkaufsrecht erwägt wird, ist nicht bekannt.