Betroffenenberatungsstelle ezra

Neuer Hotspot rechter Gewalt in Thüringen

Obwohl in Thüringen im vergangenen Jahr weniger rechte Angriffe gezählt wurden, bleibt die rassistische Gewalt auf einem hohen Niveau. Mit einer Vervielfachung der Angriffe im Landkreis Sonneberg hat der Freistaat einen neuen Hotspot rechter Gewalt.

Mittwoch, 10. April 2024
Kai Budler
Angriffe nach Landkreisen, der Landkreis Sonneberg ist als neuer Hotspot zu erkennen, Grafik: ezra
Angriffe nach Landkreisen, der Landkreis Sonneberg ist als neuer Hotspot zu erkennen, Grafik: ezra

In Thüringen hat sich 2023 an jedem dritten Tag mehr als ein rechter Angriff ereignet. Dies geht aus der Statistik für das vergangene Jahr hervor, die die Betroffenenberatungsstelle ezra jetzt vorgelegt hat. Demnach registrierte ezra 2023 landesweit insgesamt 147 rechte Angriffe, das sind 39 Attacken weniger als im Vorjahr, als die Beratungsstelle von einem „Höchststand bei rechter und rassistischer Gewalt“ gesprochen hatte. Dennoch liegt die Gesamtzahl über den Werten der drei vorangegangenen Jahre.

Trotz des leichten Rückgangs im Vorjahresvergleich bleibt besonders die rassistische Gewalt auf dem hohen Niveau der Vorjahre. Mit mehr als der Hälfte der gesamten Angriffe in Thüringen war wie in den vergangenen Jahren auch 2023 Rassismus das häufigste Tatmotiv. Angestiegen ist die Zahl der Angriffe auf politische Gegner*innen: Sie machten 2023 knapp ein Viertel der gesamten Angriffe aus.

AfD-Hochburg neuer Hotspot

Bei der regionalen Zuordnung der Angriffe macht ezra einen neuen Hotspot rechter Gewalt in Thüringen aus. Zwar führte 2023 wie in den vergangenen Jahren auch die Stadt Erfurt die Liste von Städten und Landkreisen mit rechten Angriffen an, die die Betroffenenberatungsstelle ezra registriert hat. Während dort rechte Angriffe von 57 auf 33 zurück gingen, explodierte ihre Zahl im Landkreis Sonneberg. Sprach ezra 2022 noch von insgesamt vier Angriffen im Landkreis, verfünffachte sich ihre Zahl im vergangenen Jahr. Die Ursache dafür sieht die Beratungsstelle in den hohen Zustimmungswerten für die AfD und deren Erfolg bei der Landratswahl im vergangenen Jahr.

Die Anzahl der Angriffe für die Jahre 2013 bis 2023, Grafik: ezra
Die Anzahl der Angriffe für die Jahre 2013 bis 2023, Grafik: ezra

Im Juni 2023 hatte der AfD-Kandidat Robert Sesselmann die Stichwahl um das Landratsamt mit knapp 53 Prozent für sich entschieden und damit für seine Partei bundesweit erstmals ein kommunales Spitzenamt erobert.

Zunahme rechter Bedrohungen im Kontext des Wahlkampfs befürchtet

Der Projektleiter von ezra, Franz Zobel, erklärte: „Hier wird wie unter einem Brennglas sichtbar, wie rechte Gewalt dort zunimmt, wo Täter*innen erkennen, dass ihre Taten eine breite Unterstützung in der Bevölkerung haben“. Die Thüringer AfD müsse als zentrale Unterstützungsgemeinschaft für rechte Gewalttäter*innen benannt werden. Schon jetzt sei sie „eine konkrete Bedrohung für die durch das Grundgesetz garantierte Menschenwürde und damit für Leib und Leben aller Menschen, die von ihr als Feindbild markiert werden“, so Zobel bei der Vorstellung der Jahresstatistik.

Er verweist dazu auf eine Analyse des Bundesverbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, VBRG. Dort heißt es, im Kontext der Kommunal- und Europawahl sowie der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen werde vielerorts „die Präsenz und Bedrohung durch die militante Anhängerschaft der AfD im öffentlichen Raum zunehmen“. Auch gewählte Abgeordnete und Mandatsträger*innen träten als „brutale Schläger“ auf Damit drohe eine Ausweitung der Gefahrenzonen für Journalist*innen, demokratisch Engagierte und Betroffene von Rassismus.

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