Verhaftung nach Rückkehr aus Frankreich
Neue Wendungen im Prozess gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A.
Seit einem Dreivierteljahr bereits schleppt sich der Prozess gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. vor dem Frankfurter Oberlandesgericht dahin. Viel ist währenddessen über die rechtsextreme Gesinnung des 33-Jährigen bekannt geworden, viel auch über sein Doppelleben als falscher Geflüchteter, eher wenig Konkretes dagegen über die Attentatspläne, die er laut Bundesanwaltschaft geschmiedet haben soll: Die Anklage wirft dem Oberleutnant aus Offenbach vor, dass er seine Tarnidentität als vermeintlicher Syrer „David Benjamin“ nutzen wollte, um Mordanschläge auf prominente Feindbilder der Rechten zu begehen. Als ein Urteil endlich in greifbare Nähe gerückt schien, dann die Überraschung: Das Gericht erließ gegen Franco A., der nach anfänglicher Untersuchungshaft seit Ende 2017 wieder auf freiem Fuß war, erneut einen Haftbefehl. Seit zwei Wochen sitzt der Offizier wieder hinter Gittern.
NS-Devotionalien in der Aldi-Tüte
Am Abend des 11. Februar 2022 war der Angeklagte in einer S-Bahn-Station nahe seiner Offenbacher Wohnung von der Polizei kontrolliert worden. Dabei, so teilte das Gericht zunächst nur kryptisch mit, sei „festgestellt worden, dass dieser Gegenstände mit sich führte, die als Beweismittel in Betracht kommen“. Das klang nach Zufall. Doch wie jetzt im Prozess deutlich wurde, war es wohl keiner. Senatsvorsitzender Christoph Koller verlas eine Mitteilung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), dass Franco A. an jenem Freitag einen Freund und Bundeswehrkameraden in Straßburg besucht habe – und dass er bei der Rückreise neben der Umhängetasche, mit der er gekommen sei, auch noch eine „Aldi-Tüte“ getragen habe. Für deren Inhalt scheinen sich die Behörden interessiert zu haben.
Nicht zu Unrecht, wie sich erwies: Franco A., der partout kein Neonazi sein will, wie er immer wieder betont, hatte bei der Polizeikontrolle 23 Abzeichen und Anstecknadeln mit Hakenkreuzen sowie einen „goldenen Kranz mit Hakenkreuz“ dabei. So ging es aus dem Beschlagnahmebeschluss hervor, den Richter Koller ebenfalls verlas. Außerdem seien schriftliche Unterlagen sichergestellt worden. Und bei einer Hausdurchsuchung kurz darauf dann neben Laptops unter anderem noch 21 Handys, 50 ungenutzte Prepaid-Karten, sieben zum Teil angespitzte Macheten und ein gefälschter Impfausweis. „Das klingt alles nicht so gut“, kommentierte Koller knapp. „Das wird weitere Verfahren nach sich ziehen.“
Datenträger könnten Hinweise für das Verfahren liefern
Die Computer und anderen Unterlagen sollen nun kurzfristig ausgewertet und nach Schlagworten durchsucht werden – nach den Namen von Menschen, die der Angeklagte als Anschlagsziele ausgewählt haben könnte, nach den Waffen, die er illegal besaß, zu deren Herkunft und Verbleib er jedoch hartnäckig schweigt. In den laufenden Prozess könne dabei nur einfließen, was älter ist als April 2017, erklärte der Senatsvorsitzende. Denn da endet der Zeitraum, auf den sich die Anklage bezieht. Trotzdem: Die Luft wird dünner für Franco A. Und das scheint von ihm nicht unbemerkt geblieben zu sein. Spürbar angeschlagen wirkte er, als er erstmals aus der Untersuchungshaft in den Gerichtssaal gebracht wurde, fahriger, weniger selbstsicher.
Vielleicht bereut er den Leichtsinn, nach Straßburg gefahren zu sein, um bei seinem Bundeswehrkameraden die Aldi-Tüte mit den NS-Devotionalien abzuholen. Zumal der Mann, den er dort besuchte, für das Gericht kein Unbekannter ist: Alexander J. hatte zu Jahresbeginn einen denkwürdigen Auftritt als Zeuge im Prozess. So dreist versteckte sich der 32-Jährige dabei hinter Erinnerungslücken, dass ihm der Staatsschutzsenat schließlich sogar Beugehaft androhte. Es ging um Gespräche, in denen Franco A. die Shoah verharmlost und Sympathien für die notorische Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel gezeigt haben soll, in denen sich die beiden Freunde wohlwollend über die Reptiloiden-Theorien des britischen Ex-Fußballprofis und Verschwörungsideologen David Icke ausgetauscht und die „Zersetzung“ Deutschlands durch die Amadeu-Antonio-Stiftung beklagt haben sollen. Die Stiftungsvorsitzende Anetta Kahane war laut Anklage ein mögliches Anschlagsziel von Franco A.
DNA-Untersuchung bringt Franco As. Legende zum Waffenfund ins Wanken
Man tut Alexander J. vermutlich kein Unrecht, wenn man ihn einen Gleichgesinnten nennt. Und er war ganz offensichtlich auch ein enger Vertrauter des Angeklagten. Er sollte das Auto von Franco A. in München abholen, als der, kurz zuvor bei der Abholung einer von ihm am Wiener Flughafen versteckten Pistole erwischt, bei einer neuerlichen Fahrt nach Wien mit seiner Festnahme rechnete. Und er wusste von den wiederholten Paris-Reisen des Freundes. Bei einer dieser Reisen soll Franco A. eben jene Wehrmachtswaffe gekauft haben, die ihn dann im Februar 2017 auf dem Wiener Flughafen Schwechat auffliegen ließ. Jedenfalls fand sich in seinem Kalender die genaue Markenbezeichnung der Pistole – eingetragen just an einem Datum, als er in Paris weilte.
Dennoch beharrt Franco A. weiter darauf, dass er die geladene Waffe in Wien beim Pinkeln in einem Gebüsch gefunden, eingesteckt und dann bis kurz vor der Sicherheitskontrolle am Flughafen vergessen habe. Das Gericht dürfte das für eine widerlegte Lügengeschichte halten: Eine DNA-Untersuchung ergab, dass Franco A. seine Spuren auch im Inneren der Waffe hinterlassen hat, in hoher Dichte. „Dort können sie nicht einfach hingreifen“, sagte ein österreichischer Ermittler. „Nur, wenn man die Waffe auseinandernimmt.“ Mit anderen Worten: Franco A. hat mit der Pistole nicht nur einmal und nicht nur zufällig hantiert.
Zwischenfazit: Hinweise, aber keine handfesten Beweise für Attentate
Was er wirklich vorhatte mit dieser Waffe, warum er sie just am Tag des von der rechten FPÖ veranstalteten und von linken Protesten begleiteten Akademikerballs aus dem Versteck holen wollte – dazu schweigt Franco A. und die Ermittlungen haben nichts ergeben. Auch sonst hat der Prozess bislang keine handfesten Beweise zutage gefördert, dass der aufstrebende Soldat tatsächlich rechte Attentate vorbereitet hat. Es gibt Schmierzettel, auf denen er neben Alltags-To-do-Listen auch kryptische Notizen etwa über die Grünen-Politikerin Claudia Roth, über eine Sprengung des Rothschild-Denkmals in Frankfurt oder über eine „Befreiungsaktion“ für Ursula Haverbeck-Wetzel festhielt.
Es gibt Fotos, die er in der Tiefgarage der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin gemacht hat. Und es gibt Sprachaufzeichnungen auf seinem Handy, dass er entgegen seinen Beteuerungen nicht nur ein zutiefst rechtsextremes und antisemitisches Weltbild hat, sondern auch über politische Gewalt zumindest nachdachte. „Gewalt ist eine Option, Gewalt muss eine Option sein“, verkündet er da zum Beispiel. „Scheuen wir uns nicht zu töten.“
Verteidiger wirft das Handtuch
Ob diese Indizien dem Gericht am Ende für eine Verurteilung wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat reichen werden, sechs Monate bis zehn Jahre Haft stehen darauf, ist nach wie vor nicht abzusehen. Doch besser sind die Chancen von Franco A. mit dem neuen Haftbefehl sicher nicht geworden. Und dann hat auch noch einer seiner beiden Verteidiger die Lust verloren, sich mit ihm, diesem schwierigen und augenscheinlich beratungsresistenten Mandanten, auseinanderzusetzen. Der Mainzer Rechtsanwalt Johannes Hock beantragte, als Pflichtverteidiger entpflichtet zu werden. „Der Angeklagte hält die aus sachgerechten Gründen gebotene Verteidigungslinie für unvertretbar“, formulierte er spitz. Anders ausgedrückt: Franco A. weiß alles besser. Das Gericht hat über den Antrag noch nicht entschieden.