Neue Kursausrichtung

In der NPD scheint der Apfel-Flügel künftig wieder an Einfluss gewinnen − das Verhältnis zu den „parteifreien“ Neonazis dürfte sich dadurch verschlechtern.

Montag, 18. Januar 2010
Tomas Sager

Zwischen NPD-Chef Udo Voigt und seinem schärfsten innerparteilichen Rivalen Holger Apfel stehen die Zeichen auf Wiederannäherung. Auf den ersten Blick nehmen sich die „beispielhaften Empfehlungen“, die die NPD nach dem eineinhalbtägigen Treffen ihrer Strategiekommission am Wochenende in Berlin veröffentlichte, zwar dürftig aus. Doch unterm Strich dürften sie jene Kräfte in der Partei stärken, die sich nach dem letzten Parteitag im vorigen Frühjahr in Abgrenzung zu Voigt hinter den von Apfel und seinem „Vordenker“ Jürgen Gansel proklamierten „sächsischen Weg“ gestellt hatten.

Dabei sind die bekannt gewordenen Empfehlungen der Strategierunde, die Voigt angesichts der Misserfolge des vorigen Jahres einberufen hatte, allgemein genug gehalten, um auch den offen neonationalsozialistischen Flügel zunächst einmal bei der Stange zu halten. Mögliche Änderungen am Parteikurs offenbaren sich oft erst beim genauen Hinsehen. So heißt es in der ersten Empfehlung, die NPD bleibe „die einzige authentische Oppositionspartei“ – was zunächst einmal noch keine Empfehlung ist. Angehängt ist aber ein Nebensatz: „bezogen auf die Probleme der Gegenwart“. Apfel & Co. hatten immer wieder die Vergangenheitsbezogenheit der bisherigen NPD-Mehrheit moniert. Beim Neujahrsempfang der Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern eine Woche vor dem Strategietreffen hatte er beispielsweise als Gastredner die Arbeit seiner sächsischen Fraktion als „oppositionelle Alternative von rechts“ beschrieben, die sich der „realen Gegenwartsprobleme“ annehme. Apfel: „Deshalb müssen wir unser Selbstverständnis als Nationalisten volksnah, gegenwartsbezogen und zukunftsorientiert definieren.“

Wenig neu ist Empfehlung zwei: Proklamiert wird die „Öffnung der Partei für alle volks- und heimattreuen Kräfte, um deren Einheit zu fördern“. Spannend wird erst die konkrete Umsetzung und die Frage, ob die Öffnung für ausdrücklich „alle volks- und heimattreuen Kräfte“ künftig zum Beispiel Kampagnen ausschließt, wie sie vor einem Jahr mit antisemitischen Tönen gegen den „Achteljuden“ Andreas Molau gestartet wurden. Konsequenzen müsste die Empfehlung aber auf jeden Fall bei der künftigen Zusammensetzung des Parteivorstands haben, in dem der Apfel-Flügel (noch) fehlt.

Keinesfalls aufregend liest sich auch die dritte Empfehlung: „Die Wählerpotenziale müssen besser erforscht und erschlossen werden, um verfehlte Wahlkämpfe zu vermeiden.“ Allerdings stärkt auch sie die Linie der Fraktionschefs Apfel und Udo Pastörs, da beide darauf hinweisen können, dass es mit ihrem Kurs der NPD gelungen ist, ein für den Parlamentseinzug ausreichendes Potenzial zu erschließen.

Sorge um eine „FPÖisierung“ der NPD

Die folgenreichste Veränderung dürfte mit der vierten und letzten bekannt gewordenen Empfehlung verbunden sein: „Dem Parteivorstand wird vorgeschlagen, den Namenszusatz ,Die Nationalen’ durch ,Die soziale Heimatpartei’ zu ersetzen.“ Was zunächst nur wie eine Änderung des Labels erscheint, könnte mittelfristig weit mehr sein. Als „soziale Heimatpartei“ hatte Apfel die NPD häufig bezeichnet, zuletzt bei seinem Auftritt beim Neujahrsempfang in Schwerin. Seine Anhänger, wie etwa der saarländische Landesvorsitzende Frank Franz, hatten es nachgemacht. Damit griffen sie eine Formulierung auf, die von der österreichischen FPÖ geprägt worden ist. Auch Republikaner, DVUler und sogar „pro NRW“ versuchten beziehungsweise versuchen, diese Eigenbezeichnung in der Bundesrepublik für jeweils ihre Partei einzubürgern. Beim NS-Flügel der NPD dürfte die Sorge groß sein, dass es nicht nur um ein neues Label geht, sondern um eine grundsätzliche Änderung des Kurses der Partei, quasi um eine „FPÖisierung“.

Die „von interessierter Seite herbeigeredeten Streitereien“ hätten nicht stattgefunden, heißt es aber in der Mitteilung der NPD über das Treffen vom Wochenende, bei dem „31 Teilnehmer aus allen Teilen der Partei, Landtagsabgeordnete und parteilose Experten“ miteinander diskutierten. „In vielen Punkten“ hat demnach in der Strategiekommission, die zu weiteren Sitzungen zusammenkommen soll, sogar „kameradschaftlicher Einklang“ geherrscht. Ob es bei so viel behaupteter Harmonie bleibt, wenn es um die Umsetzung der bekannt gewordenen und eventuell weiterer Empfehlungen geht, bleibt offen. Zwar ist der parteiinterne NS-Flügel nach dem Tod von Jürgen Rieger dermaßen geschwächt, dass von dort kein unüberwindbarer Widerstand gegen einen neuen Kurs zu erwarten wäre. Problematischer könnte für die Partei aber eine Verschlechterung des Verhältnisses zu vielen „parteifreien“ Neonazis sein.

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