Eisenach

Neue Anklagen im „Knockout 51“-Komplex

Im Juli hat das Oberlandesgericht Jena vier Mitglieder aus der Gruppierung „Knockout 51“ zu Haftstrafen verurteilt. Nun hat die Bundesanwaltschaft in diesem Komplex Anklage gegen drei weitere Neonazis erhoben.

Donnerstag, 19. September 2024
Kai Budler
Das "Die Heimat"-Bundesvorstandsmitglied Patrick Wieschke wurde wegen Unterstützung einer rechtsextremistischen kriminellen und terroristischen Vereinigung angeklagt, Foto: Kai Budler
Das "Die Heimat"-Bundesvorstandsmitglied Patrick Wieschke wurde wegen Unterstützung einer rechtsextremistischen kriminellen und terroristischen Vereinigung angeklagt, Foto: Kai Budler

Neun Monate nach der Festnahme von drei Neonazis in Eisenach und Erfurt hat die Bundesanwaltschaft jetzt Anklage erhoben. Kevin N. und Marvin W. wird die Mitgliedschaft in einer kriminellen und terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Dem Bundesorganisationsleiter und bis vor wenigen Tagen noch Landesvorsitzenden der Partei „Die Heimat“ (Ex-NPD), Patrick Wieschke, wirft der Generalbundesanwalt die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor.

Die Anklagen stehen im Zusammenhang mit Ermittlungen zur militanten Neonazi-Gruppe „Knockout 51“ aus Eisenach, aus deren Reihen vier Mitglieder im Juli zu Haftstrafen verurteilt wurden. In diesem Rahmen wurden am 14. Dezember 2023 vier Objekte in Eisenach und Erfurt durchsucht – neben Patrick Wieschke wurden auch Kevin N. und Marvin W. festgenommen. Sie gehören zu zehn Beschuldigten, die mit den ersten Anklagen im Mai 2023 aus dem Verfahren abgetrennt wurden.

„Kiezstreifen“

Gemeinsam mit den im Juli verurteilten Leon R., Maximilian A. und Eric K. soll Kevin N. in Eisenach die Gruppierung „Knockout 51“ gegründet haben, die Bundesanwaltschaft betrachtet ihn als Rädelsführer. N. soll Mitglieder und Anwärter der Gruppe geschult, „Kiezstreifen“ geleitet und für „Knockout 51“ Veranstaltungen in der Parteizentrale der ehemaligen NPD in Eisenach abgesichert haben.

Spätestens seit April 2021 soll zu den Zielen der Gruppe auch die Tötung von politischen Gegner*innen gezählt haben. Dazu gehört auch eine Aktion im September 2021 in Erfurt, die N. abgesichert haben soll. Mit Messern, Machete und Axt bewaffnet, wollten er und andere Mitglieder von „Knockout 51“ eine Auseinandersetzung vor einem Jugendzentrum provozieren, wo an diesem Abend ein Konzert stattfand. Ihr Ziel: Besucher*innen, die möglicherweise aus dem Gebäude kommen könnten, mit den Waffen angreifen und auch mit einem Auto überfahren. Nur weil niemand der Konzertbesucher*innen die Provokation bemerkte, zogen die Neonazis tatenlos wieder ab.

Wieschke als „Verräter“

Marvin W. soll an jenem Abend für diesen Plan bereitgestanden haben. Außerdem soll er unter anderem an Kampfsport- und Schießtrainings der Gruppierung teilgenommen und dem bereits verurteilten Leon R. beim Bau einer Schusswaffe geholfen haben.

Patrick Wieschke wiederum soll „Knockout 51“ als terroristische Vereinigung unterstützt haben, indem er der Gruppierung in der Parteizentrale in Eisenach einen Raum als Waffenlager und einen Computer zur Verfügung stellte. Auch an Treffen und Schulungsmaßnahmen von „Knockout 51“ soll er mitgewirkt haben. Nach seiner Festnahme im Dezember 2023 hatte er bei der Generalbundesanwaltschaft „eine umfängliche Aussage“ gemacht und war daraufhin bei seinen Kamerad*innen in Ungnade gefallen. In den sozialen Medien wird er seitdem als „Kameradenschwein“ und „Verräter“ bezeichnet. Dazu beigetragen hat offenbar auch Wieschkes zwischenzeitliche Entlassung aus der Haft, seine Mitangeklagten hingegen sitzen seit Dezember 2023 in Untersuchungshaft.

Bislang ist unklar, wann der Prozess gegen die drei Neonazis vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Jena beginnt. Gleiches gilt für die Frage, ob das Gericht die Anklage in ihrer jetzigen Form zulassen wird. Bereits im ersten Prozess gegen Mitglieder von „Knockout 51“ lautete der Vorwurf auf Bildung bzw. Mitgliedschaft in einer kriminellen und terroristischen Vereinigung. Das OLG ließ die Anklage zwar zu, erklärte aber, für eine Einstufung als terroristisch müssten Zweck und Tätigkeit der Vereinigung darauf ausgerichtet sein, Mord und Totschlag zu begehen. Dies aber sei nicht ausreichend begründet worden. Dies führte auch dazu, dass das OLG im April 2024 die Haftbefehle gegen drei der vier Angeklagten aufhob. Als Begründung hieß es, angesichts der gesetzlichen Strafandrohung sei die weitere Vollstreckung der Untersuchungshaft nicht mehr verhältnismäßig.

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