Neonazis und nicht besorgte Bürger zogen durch Bamberg

Sonntag, 26. Oktober 2014
Thomas Witzgall
Bamberg -  Protest am Rande der rechten Demo
Bamberg - Protest am Rande der rechten Demo

Die mit Spannung erwartete Demonstration „BAMBERG WEHRT SICH – Asylmissbrauch? Nein Danke!“ in Bamberg entpuppte sich als Neonazi-Kundgebung mit überregionaler Mobilisierung, der um die 180 Sympathisanten folgten. Etwa 2.000 Menschen demonstrierten gegen den braunen Aufmarsch.

Übertragen Neonazis ihre Erfahrungen, die sie mit „Kinderschutzseiten“ gemacht haben, nun auf das Thema Flucht und Asyl? Einiges spricht dafür.

Wochenlang hatte eine Seite im sozialen Netzwerk Facebook unter dem Titel „Bamberg WEHRT SICH – Asylmissbrauch nein Danke“ Stimmung im Netz gegen Geflüchtete gemacht. Eine zu große Nähe zum organisierten Rechtsextremismus stritt man stets ab, obwohl ein Motiv der NPD als Profilbild genutzt wurde und wird. Offene Verbindungen zur Szene wurden möglichst vermieden.

Mit der Anmeldung der Demonstration bei den Bamberger Behörden war klar, dass zumindest der nun namentlich bekannte Organisator dem rechten Milieu zugeordnet werden konnte. Marcel Maderer trat gegenüber den Behörden als Verantwortlicher auf. Er war in der Vergangenheit in der Kameradschaftsszene aktiv und hatte auch für die NPD bei der Wahl zum Bezirkstag in Oberfranken kandidiert.

Kurz vor der Versammlung betonte man auf der Facebook-Seite noch, nicht gegen Asylbewerber auf die Straße gehen zu wollen, sondern gegen den angeblichen Missbrauch und „die Politik“, die die Weichen dafür gestellt hätte und jetzt nicht handelt.

Aber dieses Bild bröckelte schon vor dem Beginn der Demonstration heftig. Rechte Seiten wie das rassistische Portal „Coburg – Frei statt bunt“ trommelten und warben für eine hohe Beteiligung. Am Freitag gestand dann der NPD Landesverband ein, dass Bamberger Parteimitglieder dies organisiert hätten, allerdings in Zusammenarbeit mit „anderen patriotischen Gruppen“. Die Initiative sei aber „von vielen parteilosen“ Einwohnern Bambergs ausgegangen.

Rechtsrock, Szeneklamotten, Reichsflaggen, bekannte Kader

Vor Ort wollten die Organisatoren dann allerdings nichts mehr von einem zurückhaltenden Auftreten wissen. Im Bereitstellungsraum begrüßte Rechtsrock die anreisenden Kameraden. Und es kamen hauptsächlich Leute aus der organisierten Szene und deren Umfeld: Aktivisten aus der zweiten und dritten Reihe der Neonazi-Partei Der Dritte Weg. Junge Anhänger der NPD, die zuletzt im Oktober 2012 in größerer Zahl durch Coburg gezogen waren.

Dazu größere Gruppen aus Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, viele szenentypisch gekleidet in Schwarz, mit Halstüchern, vereinzelt Klamotten einschlägiger Marken, bisweilen abgeklebte Tätowierungen, Basecaps und Sonnenbrillen. Selbst NPD-Kader kritisieren ein solches Auftreten als ausgemachten „Bürgerschreck“. Besorgte Bürger waren nicht zu sehen, bürgerliche Elemente hätte man mit der Lupe suchen müssen und wahrscheinlich nicht gefunden.

Das Bild des Demonstrationszuges bestimmten schwarz-weiß-rote Reichsfahnen mit der Aufschrift „Bamberg“, die an der Spitze des Zuges hinter dem Frontbanner getragen wurden. Als Seitenbanner wurde ein Transparent des Fränkischen Heimatschutzes verwendet, obwohl auffallend wenige Kader dieser großen Einzelkameradschaft zu sehen waren.

Mit den ersten Parolen machten die Demonstranten auch für alle hörbar klar, wer hier auf die Straße ging. „Hier marschiert der nationale Widerstand“ und „Nationaler Sozialismus jetzt“ wurde sofort beim Abmarsch vom Bahnhof ausgerufen. Auch die Ankündigung, feinsinnig gegen das System und nicht die Menschen zu demonstrieren, war sofort vergessen. „Ali, Mehmet, Mustafa“, die zurück nach Ankara sollen, haben nichts mit der
Asyldebatte zu tun. Die türkische Hauptstadt eigentlich auch nur insofern, dass die Türkei weitaus mehr Flüchtlinge aufnimmt als die Bundesrepublik, die von Rassisten gerne als das „Sozialamt der Welt“ dargestellt wird. In Parolen forderte man die Abschiebung von „kriminellen Ausländern“, um ein „den Rest auch“ nachzuschieben. Ein Neonazi versicherte seinen Kameraden angesichts eines schwarzen Menschen am Rand der Demoroute, „der Jimmy, da am Fenster, komme auch noch dran“.

Die Ordner kamen ebenfalls zu großen Teilen aus der organisierten Rechten. Sowohl Axel Michaelis, Landesgeschäftsführer der NPD aus der Nähe von Bamberg, trug eine entsprechende Armbinde als auch Nipster Patrick Schröder und Daniel F. vom momentan eingestellten Projekt „FSN.tv“. Auf Michaelis laufen auch die Aufkleber, die extra zur Veranstaltung produziert und verteilt wurden. Als Kontaktadresse dient die NPD-Parteizentrale in Berlin.

Um Bamberg ging es nur höchst oberflächlich

Auch die Redner kamen aus der Szene. Zuerst sprach der umtriebige, vorbestrafte und nicht unumstrittene Thüringer Neonazi Michael Fischer. Seine Rede enthielt die üblichen Klischees. Karl Richter, bis Freitag noch Landesvorsitzender der NPD, lobte sich selbst für seine Kundgebungen gegen die Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung in München. Der Dritte im Bunde, vorgestellt als „Aktivist aus Erfurt“, sprach dann offen davon, dass der „nationaler Widerstand“ heute in Bamberg gastiere. Für ihn mache ein Stück Papier noch keinen Deutschen aus und man könne ihn deswegen gerne als Rassisten hinstellen, brüllte er gegen den lauten Protest am Markusplatz an.

Abschließend sprach noch Alexander Kurth, der 2003 zusammen mit Kameraden einen Teil der Band „Die Prinzen“ attackiert hatte. Seine Vorstrafen hatten eine Nachwahl der Kommunalwahl in Leipzig nötig gemacht, da er nicht hätte aufgestellt werden dürfen. Sachsens NPD-Vorsitzender Holger Szymanski hatte in der Diskussion um die Bandidos den Leipziger Aktivisten als „Schwerkriminellen“ bezeichnet. Auch er blieb allgemein. Auf die Situation und Diskussionen in Bamberg hatte sich keiner der ortsfremden Redner vorbereitet. Die ganze Veranstaltung war nichts anderes als eine Neonazi-Demo mit überregionaler Mobilisierung, die ebenso in jeder beliebigen Stadt des Bundesgebietes hätte abgehalten werden können.

Bürger auf der Seite der Gegendemonstration

Gegen diese Kundgebung hatten frühzeitig Bamberger antifaschistisch engagierte Organisationen, inklusive das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus, Versammlungen angemeldet, um ein Zeichen für die Flüchtlinge und für Solidarität zu setzen. Der Stadtrat hatte in einer Resolution die Anti-Flüchtlingsdemonstration verurteilt. In Sicht- und Hörweite der Neonazis sammelten sich zu Beginn nach Medienberichten 1.500 bis 2.000 Gegendemonstranten. Sie kamen aus der Bürgerschaft, aus Gewerkschaften, Studierendenorganisationen, Parteien und Initiativen. Der Zug der rechten Szene wurde ständig kritisch begleitet und die Ablehnung deutlich gemacht. Einige Aktivisten versuchten sich in kleinen Blockaden, die von der Polizei schnell aufgelöst wurden. Am Endpunkt, dem Markusplatz, trafen dann die rechte Demo und Gegendemonstranten wieder in größere Zahl aufeinander. Die Redner dort mussten sichtlich gegen den Protest anschreien, um verstanden zu werden.
Bambergs Erzbischof Ludwig Schick bedankte sich in einem Tweet bei allen, die den Rechten die rote Karte gezeigt hatten. Bamberg habe sich als wehrhaft erwiesen, so der Metropolit der Kirchenprovinz Bamberg.

Gerade ist die Demo von ca.150 Personen gegen Asylmissbrauch zu Ende. 2000Bamberger zeigten ihnen die"Rote Karte". Ba.erweist sich wehrhaft!

— Erzbischof Schick (@BischofSchick) 25. Oktober 2014

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