Neonazis luden als Nügida zum Mini- "Spaziergang"

Beim zweiten Spaziergang des nunmehr inoffiziellen Pegida-Ablegers Nügida trafen sich in Nürnberg lediglich 40 Anhänger und zogen vom Sammelpunkt zum Bundesamt für Flüchtlinge und Migration. Organisatorisch und inhaltlich befand sich die Kundgebung komplett in der Hand der neonazistischen Kleinstpartei Die Rechte um den Münchner Funktionär Philipp Hasselbach.
UPDATE (11.03.2015) Nügida hat alle Anmeldungen für die nächsten Veranstaltungen beim Ordnungsamt überraschend zurückgezogen
Nach der Aufspaltung der mittelfränkischen Anhänger der selbsternannten Patriotischen Europäer in Nügida und Pegida Nürnberg, haben beide Gruppen nun ihre erste Kundgebung hinter sich. Letzten Donnerstag folgten etwa 60 Interessierte dem Aufruf der Partei-Funktionäre Michael Stürzenberger und Gernot Tegetmeyer, beide in führenden Positionen bei der islamfeindlichen Partei Die Freiheit aktiv. Was von Nügida übrig blieb, zeigte sich gestern. Rund vierzig Anhänger fanden sich zum zweiten „Spaziergang“ ein. Etwa die Hälfte hatten die Organisatoren Dan Eising und Rainer Biller, die beide im Umfeld des Kreisverband Nürnberg der neonazistischen Partei Die Rechte aktiv sind, gegen 19 Uhr am Hauptbahnhof begrüßen können. Wie beim blockierten Aufzug am Rosenmontag verstärkte wieder eine Gruppe aus dem Bamberger Raum die Teilnehmerzahl. Die Rechte konnte dort erst kürzlich ihren dritten Kreisverband in Bayern gründen.
Fraglich war besonders, welche Redner an dem Abend zu Wort kommen würden. Hier versuchten die Organisatoren erst gar nicht, den harmlosen Schein von „normalen Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft“ zu wahren. Neben Eising selbst kam die zweite Rede von Philipp Hasselbach, der in seinem Werdegang bereits für so eindeutige Gruppen aktiv war wie die Kameradschaft „Josef Terboven“ (NS-Gauleiter von Essen), Kampfbund Deutscher Sozialisten oder die Autonomen Nationalisten München. Der Kreisverband München der Partei Die Rechte mit Hasselbach an der Spitze gründete sich an Hitlers 125. Geburtstag. Der Kader hatte zu dem Zeitpunkt gerade erst eine Haftstrafe abgesessen, die sich aufgrund widerrufener Bewährungsurteile auf dreieinhalb Jahre summiert hatte.
Die Taktik an dem Abend war einfach: Die Tatsachen wurden schlicht ausgeblendet. Auf der Demo würden keine Nazis marschieren, wurde Gegendemonstranten entgegengehalten. Wie schon oft von Stürzenberger gehört, distanzierte sich auch Hasselbach vom „Extremismus“, nur der Rechtsextremismus wollte ihm als Beispiel nicht über die Lippen kommen. Vielmehr ärgerte ihn, dass die „Spaziergänger“ nicht – wie bei Neonazi-Aufmärschen üblich – in den geforderten Dreierreihen den kurzen Weg vom U-Bahnhof Frankenstraße zum Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (BAMF) abschritten.
Inhaltlich kaum Unterschiede zwischen Nügida und Pegida Nürnberg
Am Zielpunkt angekommen, nahmen sich die Teilnehmer zunächst Zeit für Erinnerungsfotos vor der ehemaligen SS-Kaserne, in der heute das Bundesamt untergebracht ist. Wegen des historisch sensiblen Umstands hatten Initiativen wie NoNügida eine Verlegung der Route gefordert. Wie schon zuvor am Startpunkt hatten sich auch beim BAMF jede Menge Gegendemonstranten versammelt.
Durch die Geräuschkulisse und weil die Polizei Medienvertreter auf Abstand hielt, waren die Inhalte nur bruchstückhaft zu vernehmen. Diese fragwürdige Anordnung von Seiten der Einsatzleitung geschah angeblich zur Sicherheit der Pressevertreter. Maßnahmen der Polizei haben sich
eigentlich zuerst gegen Störer zu richten. Wieder wurden Zweifel an der Friedfertigkeit aufmarschierender Rechtsextremisten zu Lasten der Pressefreiheit umgesetzt.
Was von den Reden zu vernehmen war, unterschied sich kaum von den Inhalten, die bei Pegida Nürnberg verbreitet wurden. Wieder wurden die (linken) Gegendemonstranten angesprochen, sie sollten sich nicht gegen Pegida stellen, wären bei einer fortschreitenden „Islamisierung“ die ersten Opfer der zu potentiellen Killermaschinen gemachten Moslems. Auch die niedrige Geburtenrate „(bio-)deutscher“ Frauen war Thema und die gegenwärtige Entwicklung im Land wurde, wie schon von Tegetmeyer am Donnerstag, mit dem NS-Begriff „Umvolkung“ beschrieben. Auch durften Zitate aus dem Koran nicht fehlen. Hasselbach, der einen Großteil der Zeit der über eine Stunde dauernden Kundgebung vor dem BAMF sprach, hatte durch seine Teilnahme an den Bagida-“Spaziergängen“ in München genug Anschauungsmaterial sammeln können, wie Stürzenberger & Co. die Themen aufbereiten.
Gegen 22 Uhr ging es für die Teilnehmer wieder zurück zum Ausgangspunkt, wo kurze Zeit später die Versammlung aufgelöst wurde. Laut Pressemitteilung der Polizei wurde dort ein Teilnehmer der Nügida-Versammlung vom Versammlungsleiter ausgeschlossen und leistete gegenüber den Beamten Widerstand, die den Platzverweis durchsetzen wollte. Weiter berichteten die Einsatzkräfte von einem Flaschenwurf von Seiten der Gegendemonstranten, bei dem niemand verletzt worden sei. Entlang der Strecke kam es immer wieder zu Versuchen, auf die Route zu belangen. Beamte setzten dabei Pfefferspray ein, ein Mann musste ärztlich behandelt werden.
Wie schon bei den vergangenen Pegida-Terminen, waren auch gestern die Neonazigegner in der deutlichen Überzahl. Die Polizei sprach von 600 Gegendemonstranten, die Veranstalter der Gegenkundgebungen von etwa 800 Unterstützern auf ihren Seiten. Die Polizei sperrte bereits gegen Nachmittag den Umkreis des Versammlungsortes weiträumig ab. Es kam bis in den späten Abend zu Behinderungen im Straßen- wie im U-Bahnverkehr.
Nügida um Rainer Biller gab die Zahl der eigenen Anhänger mit 70 an. Unterwegs drohte er, als der Zug kurz zum Stehen kam, mit wöchentlichen Versammlungen bis Jahresende. Zunächst sind für die nächsten Montage Aufzüge angemeldet. Der Konkurrent Pegida Nürnberg will am Donnerstag wieder auf die Straße gehen.
---------------
UPDATE (11.03.2015): Wie vom Ordnungsamt der Stadt Nürnberg zu erfahren war, hat Nügida überraschend alle bereits angemeldeten Kundgebungen wieder abgesagt und die Anträge zurückgezogen.
[gallery]