Scheßlitz / Bamberg
Neonazis initiieren Proteste gegen lokale Geflüchtetenunterkünfte
Nicht nur in Sachsen versuchen extreme Rechte nach dem Auslaufen der Corona-Beschränkungen zurückzukehren zum Thema Geflüchtete und deren Unterbringung. Auch in Franken gibt es in Scheßlitz und Breitengüßbach erste Kundgebungen, hier ausgerichtet vom neonazistischen III.WEG.
Der wieder zunehmende Zustrom an Geflüchteten zwingt Städte und Gemeinde dazu, wieder mehr Unterkünfte anzumieten bzw. Containerlösungen in Betracht zu ziehen. So etwa auch im Landkreis Bamberg, wo der Landrat das Ziel ausgab, den Zugriff auf Turnhallen als Notunterkünfte so weit wie möglich zu vermeiden. In Scheßlitz, einer Stadt nordöstlich von Bamberg, wurde dazu zum Jahreswechsel ein ehemaliger Supermarkt angemietet. Während der Hochphase der Corona-Pandemie befand sich dort bereits ein Testzentrum.
Bürgerliche schlossen sich den Neonazis an
Diesen thematischen Wechsel von Corona zu Geflüchteten vollziehen gerade auch wieder extrem rechte Kräfte. Zum zweiten Mal zogen am gestrigen Samstag Protestierende die Hauptstraße von Scheßlitz entlang zur geplanten Unterkunft. Geleitet wurde die Versammlung von Roger Kuchenreuther, einem langjährigen Aktivisten des neonazistischen III.WEGs.
Unterstützung kommt dabei vom unterfränkischen „Kollektiv Zukunft Sichern Heimat Schützen“ (KZSHS), einer Gruppierung, die im Raum Ebern während der Corona-Proteste in Erscheinung trat, aber auch am 1. Mai in Erfurt mit der neonazistischen Neue Stärke-Partei (NSP) auf die Straße ging. Bei der ersten Demonstration am 14. Januar sollen sich laut Meldung des III.WEGs etwa 70 Personen beteiligt haben. Fotos zeigen einen entsprechenden Demonstrationszug und auch etliche Teilnehmer in eher bürgerlicher Aufmachung, auch Kinder waren mit dabei. Dabei versteckten die Ausrichter ihre politische Heimat nicht. Parteifahnen und typische Schilder „gegen Asylflut“ wurden mitgeführt.
„Kurze Zündschnur“ bei den bürgerlichen Teilnehmenden
Bei der Wiederholung am gestrigen Samstag waren allerdings die Teilnehmenden in Szene- und Parteikleidung deutlich in der Überzahl. Nur etwa zehn Personen des auf unter 40 Teilnehmer zusammengeschrumpften Protestzug konnten optisch einem eher bürgerlichen Spektrum zugeordnet werden. Allerdings war es gerade dieser Personenkreis, der „mit einer kurzen Zündschnur ausgestattet“ immer wieder Medienschaffende und vereinzelte Gegendemonstranten entlang der Schrecke anging.
Auf Basis von übernommenem Falschwissen wollten sie immer wieder eigenmächtig die Anfertigung von Fotos der öffentlichen Versammlung untersagen. Auf dem Weg zurück in die Stadt kam es zu einer „verbalen Auseinandersetzung“ mit Gegenprotest, in die auch die wenigen begleitenden Einsatzkräfte der Polizei kurz eingreifen mussten.
2015 reloaded
Inhaltlich boten die Reden, gehalten vom Versammlungsleiter Kuchenreuther und von zwei weiteren Kadern, darunter Thorsten Kukula, der das Parteibüro in Schweinfurt betreut, wenig Neues gegenüber den Narrativen, die seit 2015 bei solchen Demonstrationen zu hören sind. So wurde auf die Verschwörungsnarrative des „Großen Austausch“ Bezug genommen oder auf die angeblich von Kanzlerin Merkel damals „geöffneten Grenzen“. Obwohl der III.WEG selbst mit verurteilten Straftätern gespickt ist und auch mal Partei für die im NSU-Verfahren verurteilten Neonazis ergreift, wurde angeblich generell fehlende Rechtstreue der Geflüchteten beklagt. Inhaltlich neu war dagegen der Bezug auf die Ereignisse in der Berliner Silvesternacht, wobei die neueren Analysen und Zahlen von Seiten der Redner ignoriert wurden.
Kuchenreuther kündigte für kommenden Samstag die nächste Demonstration an. Er verwies dabei auf Ankündigungen im Telegram-Kanal der Partei. Gegen die gestrige Demo protestierten etwa 70 bis 100 Personen unweit der betriebenen Geflüchtetenunterkunft. Getragen wurde der Gegenprotest etwa von den „Omas gegen rechts Bamberg“.
Kuchenreuther kündigte für kommenden Samstag die nächste Demonstration an. Er verwies dabei auf Ankündigungen im Telegram-Kanal der Partei. Gegen die gestrige Demo protestierten etwa 70 bis 100 Personen unterwegs an der Strecke am neuen Netto-Markt unweit der betriebenen Geflüchtetenunterkunft. Getragen wurde der Gegenprotest etwa von den OMAS GEGEN RECHTS Bamberg. Wegen der Neonazi-Demo kam es auf der Hauptstraße durch Scheßlitz zu Verkehrsbehinderungen.
Bereits am Vorabend hatte es auch in Breitengüßbach eine neonazistische Mahnwache gegeben.
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