Neonazi Wulff rechnet mit der NPD ab
Hat die Nase voll: Thomas Wulff (Foto: Oliver Cruzcampo)
Die NPD ist eine berechenbare Partei. Nach dem Verlust ihrer sächsischen Landtagsfraktion, dem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde in Thüringen, der „Personalie Wieschke“ oder der Absicht des intern umstrittenen Pressesprechers Frank Franz für den NPD-Chfesessel zu kandidieren, brauchte es kaum hellseherische Fähigkeiten, um schwere Turbulenzen vorauszusagen. Dass der Hamburger Landesvorsitzende Thomas Wulff, der sich in Anlehnung an einen SS-General gerne „Steiner“ nennen lässt, eine neue Runde im parteiinternen Streit einläuten würde, war abzusehen. Zuletzt waren die Versuche der Bundesführung den langjährigen Kameradschafts-Aktivisten loszuwerden, vor einem Schiedsgericht gescheitert. Die NPD-Spitze hatte ihm sein Bekenntnis zum Nationalsozialismus vorgeworfen. Tatsächlich sollte wohl ein Querulant aufs Abstellgleis geschoben werden, der durch seine Radikalität zusätzliches Futter für das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht liefert(e).
In seinem aktuellen Schreiben, das bereits auf den 17. September datiert ist, knöpft sich Wulff die NPD-Führungsclique, insbesondere aber Chef Udo Pastörs, vor. Der „Aushilfsvorsitzende“, ein „reaktionärer Geselle“, erweise sich in diesen Tagen als „hilfswilliger Wegbegleiter des parlamentarischen Abwrackkommandos für die NPD“. Gemeinsam mit seinem Landesvorsitzenden aus Mecklenburg-Vorpommern, Stefan Köster, habe er als „Flügelmann der Apfelclique“ in der Vergangenheit gegen die Mehrheit seines Heimatverbandes zweifelhafte Aktionen wie die Ausgrenzung von Jürgen Rieger, die später zurückgezogene Kandidatur von Andreas Molau für den NPD-Vorsitz oder die „Apfelinthronisierung“ mitgetragen.
Wulff legt sich mit allen an
Darüber hinaus greift Wulff weitere Funktionäre an, denen er „Selbstbereicherung“ vorwirft. Besonders „Seiteneinsteiger“ wie der frühere sächsische Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel oder der Geschäftsführer des angeschlagenen Deutsche Stimme-Parteiverlages, Peter Schreiber, ziehen sich seinen Zorn zu. Und da der Neonazi gerade dabei ist, setzt er zum Rundumschlag an. Den kürzlich von seiner Vergangenheit eingeholten Patrick Wieschke nennt er einen „wadenbeißenden Pinscher“. Sascha Roßmüller, bayerischer NPD-Vize, macht er wegen seiner Aktivitäten bei der tief ins kriminelle Milieu verstrickten Motorrad-Gang „Bandidos“ für das Wahl-Desaster in Thüringen mitverantwortlich. „Firle-Franz“ – gemeint ist Bundespressesprecher Frank Franz – seien die „Zeichen des Verrats ins Gesicht“ geschrieben. Die Interviews, die der selbsternannte Kandidat für den NPD-Vorsitz gegeben habe, seien „unzweideutig“.
Seiner Partei stellt Wulff ein vernichtendes Zeugnis aus. Längst sei sie einen Schritt über den Abgrund hinaus. Die NPD zerstöre sich selbst, sie sei im „freien Fall“, so der frühere Weggefährte des verstorbenen Neonazi-Führers Michael Kühnen weiter. Für die Zukunft entwirft der u. a. wegen Volksverhetzung verurteilte Wulff ein dunkles Szenario. Solange in der NPD noch Geld zu holen sei, würden ihm unwillkommene Personen an Bord bleiben. Dabei erfordere die Zeit eine radikale und „ungeschminkte“ NPD. Eine derartige Ausrichtung wird mit Franz, Roßmüller & Co. aber kaum zu machen sein.