Mr. Bond
Neonazi-Rapper vor Gericht
Mit überraschenden Schuldeingeständnissen begann heute in Wien der Prozess gegen den Neonazi-Rapper „Mr. Bond“ und seinen Bruder. Philip H. (37) steht wegen NS-Wiederbetätigung und Aufruf zu Straftaten vor Gericht, während seinem Bruder Unterstützungshandlungen und das Betreiben der antisemitischen Website „Judaswatch“ vorgeworfen wird.
„In der U-Haft habe ich erkannt, dass mein Handeln falsch war. Ich war verblendet und will mich aufrichtig entschuldigen. Es tut mir leid“, lautete das knappe Statement von Philip H., der seit Januar 2021 in Untersuchungshaft sitzt. Fragen des Gerichts wollte der Angeklagte nicht beantworten.
Der Mann soll von 2016 bis 2019 unter dem Pseudonym „Mr. Bond“ dutzende bekannte Rap-Songs zu Neonazi-Hymnen umgetextet haben. Aus Bushidos „Alles verloren“ machte er ein antisemitisches Hetzlied. Es endet mit der Zeile „Adolf ist zurück, jetzt wird in Deutschland wieder scharf geschossen.“
Rechtsterroristische Vorbilder
„Mr. Bonds“ Cover-Versionen waren dabei nicht nur offen rassistisch, sie huldigten auch neonazistische Massenmörder. Sein letztes Album schmückt das Konterfei des rechtsextremen Attentäters Robert Bowers, und ist nach dessen letztem Social-Media-Post benannt: „Screw your optics, I’m going in“ (Scheiss drauf, wie’s aussieht. Ich gehe rein). Nachdem er diesen Post abgesetzt hatte, stürmte der Mann am 27. Oktober 2018 eine Synagoge im US-amerikanischen Pittsburg und ermordete elf Menschen.
Auch den Christchurch-Attentäter feierte der Rapper Philip H. Aus Bonnie Tylers Welthit „Holding Out For A Hero“ machte der Österreicher ein Loblied auf den Neonazi, welcher im Frühjahr 2019 in Neuseeland in zwei Moscheen insgesamt 51 Menschen erschossen hatte. Der österreichische Verfassungsschutz schätzt Philip H. als besonders gefährlich ein, weil „er selbst ein Attentat planen oder andere mit seinen Liedern dazu animieren könnte, Anschläge zu begehen.“ Im droht deswegen eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren.
Bruder „Judaswatch“-Betreiber
Sein Bruder hingegen, Benjamin H. (34), zeigt sich nur in Teilen geständig. Er will „Mr. Bond“ nicht aktiv an der Verbreitung von neonazistischem Ton- und Bildmaterial unterstützt haben. Schuldig bekannte er sich hingegen darin, die antisemitische Website „Judaswatch“ betrieben zu haben. Bis ins Jahr 2020 hatte die Website hunderte Personen hauptsächlich des öffentlichen Lebens als „Verräter der weißen Rasse“ gelistet; allesamt Menschen, die sich in der Öffentlichkeit gegen Rechtsextremismus engagierten oder positiv gegenüber Geflüchteten geäußert hatten. Juden und Jüdinnen wurden online extra mit dem Davidstern markiert.
Nach jahrelangen Ermittlungen ist es den österreichischen Behörden schließlich gelungen, den Neonazi-Rapper über sein Spendenkonto bei Paypal auszuforschen. Den ErmittlerInnen zufolge hatte Philip H. über die Musik zehntausende Euro an Spenden generiert. Das beschlagnahmte Bitcoin-Wallet wurde von den Behörden eingefroren. Über den „eindeutigen“ inhaltlichen Austausch mit seinem Bruder wollen die Ermittler Benjamin H. das Betreiben von „Judaswatch“ nachweisen können, berichtete der operative Ermittlungsleiter vom österreichischen Verfassungsschutz, der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), im Zeugenstand.
„Verherrlichung des Nationalsozialismus“
Insbesondere die Aussage des Ermittlers lieferte Einblick in die ideologisch gefestigte Gedankenwelt der beiden Brüder: „Die gesamte Lebensenergie des Erstangeklagten fließt in die Verherrlichung des Nationalsozialismus.“ In privaten Chats hätten sich die Brüder mit „HH“ – Heil Hitler – verabschiedet. Auch konnte der Beamte eine ungefähre Einschätzung der Popularität des Rappers Mr. Bond geben: Allein bei einer Musikplattform sei ein „Mr. Bond“-Album 340.000 mal heruntergeladen worden. Einen Überblick über alle Plattformen zu erlangen, wo Material hochgeladen wurde, sei kaum möglich, so der Verfassungsschützer.
Beachtlich war der Grad der Radikalisierung von Philip H.: Nur zehn Tage vor seiner Verhaftung soll er noch nach Anleitungen zum Selbstbau von Schusswaffen mittels 3D-Drucker gegoogelt haben. Schon Jahre davor ließ er sich voller Stolz mit Waffe am Schießstand fotografieren. Mindestens in seinem Fanatismus aber scheint Benjamin H. seinem großen Bruder in nichts nachzustehen. Dem Ermittler zufolge hätte sich ersterer schon 2005 bei einem Ausflug nach Prag mit Hitlergruß ablichten lassen.
Attentäter von Halle
Bekanntheit erlangte der österreichische Neonazi insbesondere, als der Attentäter von Halle im Oktober 2019 bei seinem bewaffneten Überfalls auf eine Synagoge das Lied „Powerlevel“ von H. abspielte. Vor Gericht sagte der Attentäter, es sei als „Kommentar zur Tat“ gemeint gewesen. Der Angeklagte kommentierte dabei die Tat parallel zum Livestream in einem amerikanischen Neonazi-Forum, wie später ein Leak zu Tage brachte. So schrieb er unter dem Titel „Happening in Germany: Synagogue shooting“ noch am Tag des Attentats euphorisiert: „Ich will, dass es passiert!“. Wenige Tage später, angesichts der aus seiner Sicht zu geringen Opferzahl (es starben zwei Menschen), kommentierte H., der Attentäter hätte die Sache „massiv verkackt“.
Auf Nachfragen der Nebenklage, einen gegen Rechts engagierten Anwalt, der selbst auf der Website „Judas.watch“ als „Verräter“ gelistet war, antworteten die beiden Brüder nicht. Es bleibt spannend, wie die acht Geschworenen und der Richter_innen-Senat in Wien die späte Reue der Rechtsterrorismus-Fans und ihre Holocaust-Apologie beurteilen werden. Ein Urteil wird für Donnerstag erwartet.