Neonazi-Duo kommt ohne Verurteilung davon

Die Beleidigung und Bedrohung eines Linken-Politikers durch bayerische Neonazis von einem Internetcafe aus ließ sich vor dem Amtsgericht Weißenburg nicht aufklären.

Dienstag, 11. Juli 2017
Sebastian Lipp

Noch bevor der Richter am Mittwoch vergangener Woche den Sitzungssaal 3 des Amtsgericht Weißenburg betritt, nehmen zwei Neonazis auf der Anklagebank Platz. Danny B. ist kurzhaarig, trainiert, tätowiert und trägt als Anhänger am Hals einen germanischen Kriegshammer. Martin B. im blauen Hemd setzt sich daneben. Das Haar ist weniger kurz, dafür ordentlich gekämmt. Richter Hommrich betritt den Saal und erfragt die Personalien. Der Trainierte sagt, er lebe als Holzbearbeitungsmechaniker in Weißenburg. Sein Kamerad wohnt inzwischen in Nürnberg. Er sei Angestellter „im kaufmännischem Bereich“. Der Frage des Richters nach dem Arbeitgeber verweigert B. die Auskunft.

Darauf verliest die Vertreterin der Staatsanwaltschaft die Vorwürfe aus dem Strafbefehl. Am 28. Oktober vergangenen Jahres stellte das Duo demnach „in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken“ von einem Computer in einem Weißenburger Internetcafe aus den Kommentar „Erkan, du Fotze! Wir kriegen euch alle!“ auf der Internetseite des Landkreisbündnis’ gegen Rechts ein. Damit hätten die Angeklagten den Kommunalpolitiker Erkan Dinar, der für die Linkspartei im Weißenburger Stadtrat sitzt, beleidigen wollen. Weil das Duo den dafür bereits vor Monaten ergangenen Strafbefehl nicht akzeptierte, war die Gerichtsverhandlung nötig geworden.

Angeklagte gelten als regional führende Aktivisten

„Ich würde gerne etwas sagen“, erwidert Martin B. auf den Vorwurf. Der 28-jährige bemüht sich um ein seriöses Auftreten. „Ich bin aus zwei Gründen hier.“ Einerseits wolle er sich bei Dinar entschuldigen und eine Einigung vorschlagen. Doch das geht nicht. Eigentlich hätte Dinar dem Gericht als Zeuge zur Verfügung stehen sollen, ist aber am Mittwoch nicht aufgetaucht. Nach eigenen Angaben ist er ins Ausland verreist und nicht erreichbar. Im März sagte der Betroffene, dass er sich von den Neonazis beleidigt und bedroht fühle. Das Kreisbündnis gegen Rechts will mehrere zurückliegende Bedrohungen durch die Angeklagten dokumentiert haben. Dinar bringt sie in Verbindung mit der Neonazi-Partei „Der III. Weg“,  die als Nachfolgeorganisation des 2014 verbotenen militanten Kameradschaftsverbunds „Freies Netz Süd“ (FNS) gilt.

Beide Angeklagten reichten damals zusammen mit weiteren führenden Mitgliedern erfolglos Klage gegen das vom bayerischen Innenministerium erlassene Verbot ein. Im Zusammenhang mit den beiden Organisationen fallen die Angeklagten, die als regional führende Neonazi-Aktivisten gelten, seit Jahren auf. Sie selbst bezeichnen sich auf Nachfrage des Richters nach ihrer politischen Gesinnung am Weißenburger Amtsgericht als Nationalisten.

B.s zweites Ziel ist es, seinen vier Jahre jüngeren Mitangeklagten zu entlasten. Über einen Artikel auf der Internetseite des Landkreisbündnis’ gegen Rechts sei er so aufgebracht gewesen, dass er selbst den Kommentar eingestellt habe. Danny B. sei nicht involviert gewesen. Dieser bestätigt, von dem Kommentar nichts gewusst zu haben. Selbst B.s Aufgebrachtheit will er nicht wahrgenommen haben. Die beiden hätten im Internetcafe nach Spielen gesucht: „Wir wollten zocken. Spiele machen“, erinnert sich B., als er vom Richter zu den Vorwürfen befragt wird. Nach diesen habe man den Computer durchforstet. „Ich selber habe offline am Computer daneben geschaut, was es für Angebote gibt.“ Nach nur wenigen Minuten sei die von Martin B. gebuchte Zeit abgelaufen und man habe das Casino „Highlander“ an der Industriestraße gemeinsam wieder verlassen.

Staatsanwaltschaft erkennt kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung

Polizist Gerhard P. hatte die beiden Angeklagten als Tatverdächtige ausgemacht. Als der 55-Jährige vergangenen Mittwoch vom Richter als Zeuge im Gericht vernommen wird, schildert er, dass er die Ermittlungen übernommen hatte, nachdem Erkan Dinar im vergangenen Oktober Strafanzeige bei der Polizeiinspektion Weißenburg erstattete. Der Kriminalpolizist lokalisierte den Internetanschluss, von dem aus die Tat begangen wurde. „Mit diesem Wissen sind wir zur Spielhalle gegangen und haben uns die Videoaufnahmen angeschaut.“ Nach seiner Erinnerung zeigen die Aufnahmen die Angeklagten bei der Benutzung des Computers, die nur drei Minuten gedauert habe. Ob der jüngere der beiden, die der Ermittler als Neonazis erkannte, wirklich zwischenzeitlich einen anderen Computer benutzte, daran konnte er sich nicht erinnern. Das Beweisvideo, das Aufklärung hätte bieten können, ließ sich vor Gericht nicht abspielen.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat sich damit der Sachverhalt nicht beweisen lassen. Während beide Angeklagten im Vorfeld keine Aussagen machten, hätten sie am Mittwoch Angaben gemacht. Diese müsse „man ja nicht glauben aber widerlegen kann man es auch nicht“, sagte die Vertreterin der Anklagebehörde. So musste Danny B. freigesprochen werden. Der geständige Martin B. muss als Auflage 450 Euro an den örtlichen Caritasverband entrichten, dann wird das Verfahren gegen ihn eingestellt und er kommt ohne Verurteilung davon. Angeregt hatte dies die Staatsanwaltschaft, die ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht mehr erkannte. Martin B. nahm das Angebot dankend an.
(Teile dieses Artikels erschienen zuerst stark gekürzt und bearbeitet im „Weißenburger Tagblatt“.)

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