„Dritter Weg“

Neonazi-„Bürgerbüro“ in Hilchenbach vor dem Aus?

Über Monate hat die Stadt Hilchenbach versucht, der neonazistischen Miniaturpartei der „Dritte Weg“ eine Immobilie streitig zu machen. Nun könnte das gelungen sein – gleichwohl haben die Neonazis angekündigt, juristisch dagegen vorgehen zu wollen.

Montag, 12. Dezember 2022
Michael Klarmann
Die Immobilie in Hilchenbach, die vom Dritten Weg genutzt wird, Foto: Roland Wiegel
Die Immobilie in Hilchenbach, die vom Dritten Weg genutzt wird, Foto: Roland Wiegel

Seit Monaten sorgt die neonazistische Kaderpartei in der auch touristisch geprägten Kleinstadt für Unruhe. Hilchenbach liegt in Nordrhein-Westfalen am Naturpark Sauerland Rothaargebirge. Im März hatte der „Dritte Weg“ mitgeteilt, Zugriff auf die Immobilie erlangt und in deren Ladenlokal ein „Bürgerbüro“ eröffnet zu haben. Die Stadt hatte sich darum bemüht, dieses Ansinnen zu durchkreuzen. Sie wollte das Haus selbst kaufen, um Geflüchtete unterzubringen.

Seitdem sorgte die Neonazi-Truppe für Aufregung im Ort. Das „Hilchenbacher Bündnis für Toleranz und Zivilcourage“ wurde nach Jahren der Ruhe wieder aktiv. Als zivilgesellschaftlicher Slogan im Engagement gegen Rechtsextremismus diente die Losung „Hilchenbach ist bunt“. Es folgten Bürgerfeste gegen Rechts und eine Demonstration mit mehr als 700 Menschen. Im Stadtbild wurde mit der „Respekt!“-Kampagne Stellung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bezogen. Behörden, Vereine, Geschäftsleute und Firmen setzten dabei mit Schildern sichtbar Zeichen gegen Rechts.

Diffamierung eines „volksfeindlichen Griechen“

Insbesondere Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis sah sich nicht nur als Demokrat, sondern ebenso als Mann mit griechischen Vorfahren Provokationen und Anfeindungen durch die Neonazis ausgesetzt. Dass sie selbst eine Nähe zur griechische Partei „Chrysi Avgi“ („Goldene Morgenröte“) haben, spielte dabei keine Rolle. Ein „totalitärer Anführer der selbsternannten Demokraten-Clique“ und „volksfeindliche[r] Grieche“ sei Kaioglidis, polterte der „Dritte Weg“ über den „Wahnsinnigen“. Demgegenüber hatte die „Westfalenpost“ im April festgestellt: „So zufrieden waren die Ratsmitglieder in Hilchenbach selten mit einem amtierenden Bürgermeister.“

Nach dem Verlust einer Immobilie in Siegen wurde Hilchenbach zum NRW-Zentrum der überschaubaren Kadertruppe. Nach kritischen Berichten in der Lokalpresse und Widerstand durch die Lokalpolitik kündigte der „Dritte Weg“ im Mai an, eine eigene Lokalzeitung verbreiten zu wollen. Im Sommer wurde mitgeteilt, man werde den zuvor im sauerländischen Olpe abgehaltenen „Tag der Heimatreue“ nun in Hilchenbach abhalten. Die Mischung aus Infoständen, Selbstverteidigungs- und Kampfsport-Darbietungen nebst Aufmarsch durch den Ort fand am 3. September statt. Am 10. Dezember fand ein „Nationalrevolutionärer Weihnachtsmarkt“ im Außenbereich der Immobilie statt. Der Termin war wohl bewusst gewählt, denn parallel dazu fand an diesem Tag der „Helchebacher Chresdachsmärtche“ statt – also der reguläre Weihnachtsmarkt im Ort.

Das Ringen um Formalitäten

Im Herbst hatte der örtliche Fußballklub FC Hilchenbach einen jungen Spieler aus dem Kader genommen, der Sympathien für die neonazistische Kadertruppe hegte. Zudem legten Verwaltung, Lokalpolitik und Kaioglidis der Partei immer wieder Steine in den Weg. Verhindert werden sollte, dass die Immobilie mit Parteiwerbung ausstaffiert wurde. Die Bauaufsicht untersagte der Kleinstpartei die Nutzung des „Bürgerbüros“, da für die Umwandlung des Ladenlokals kein Bauantrag vorlag. Das Verwaltungsgericht Arnsberg bestätigte diese „Nutzungsuntersagung“ Mitte November. Die Behörden wollten so auch Treffen in den Räumen unterbinden. Die Neonazis meldeten indes Versammlungen an, wollten also über das Versammlungsrecht das Baurecht aushebeln. Immer wieder mussten Gerichte in solchen Angelegenheiten entscheiden.

Eine rechtliche Auseinandersetzung uferte aus. Es geht dabei um die Frage, ob die Stadt ein Vorkaufsrecht hat oder ein Vertrag des „Dritten Weges“ respektive des Gebietsleiters West, Julian Bender, maßgeblich sind. Das Verwaltungsgericht Arnsberg und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster gaben hierbei der Partei zunächst zwar in Eilverfahren Recht, das umfangreiche Hauptsacheverfahren steht aber noch aus. Auch das von der Bauaufsicht ausgesprochene Verbot von Parteiwerbung im Schaufenster und am Gebäude wurde juristisch gekippt. Mitte November wurde dem Bürgermeister vom OVG Münster zudem attestiert, gegen das „Neutralitätsgebot“ verstoßen zu haben. Eine Petition zum Thema „Kein Platz in Hilchenbach für Rechtsextremismus“ musste von der städtischen Webseite entfernt werden.

Kauf über Schleichwege

Nun verbuchte die Stadt, ungeachtet der juristischen Auseinandersetzungen, aber wohl einen Erfolg. Die „Westfalenpost“ berichtete, bereits am 12. Oktober habe Hilchenbach „das Haus von seinem bisherigen […] Eigentümer gekauft.“ Seit dem 28. November sei die Stadt im Grundbuch eingetragen. In einer aggressiven Stellungnahme konterte die Neonazi-Truppe, der Vertrag sei „abseits des ausgeübten Vorkaufsrechts“ von Bender geschlossen worden. Den Verkäufer habe die Stadt zuvor „mit einer verzinsten Grundschuld“ unter Druck gesetzt. Erneut kündigten die Neonazis dagegen einen „Rechtskampf“ an.

Die Pressestellen des Verwaltungsgerichtes und des OVG bestätigten auf Anfrage, dass ältere, noch laufende Verfahren anhängig seien. Neue Klagen bezüglich der neuesten Entwicklung lagen bis Montagmittag demnach noch nicht vor. Ob diese Erfolg haben könnten, ist überdies unklar. Die Stadt war wohl bemüht darum, unabhängig von laufenden Verfahren völlig neue Verkaufsverhandlungen mit dem früheren Eigentümer zu führen. Darüber soll am Mittwoch der Stadtrat informiert werden. Er soll dann unter anderem die Verwaltung offiziell beauftragen, weitere Schritte einzuleiten. Das Gebäude und dessen Grundstück könnten dann für die Aufnahme und Betreuung Geflüchteter aus der Ukraine hergerichtet und eine Begegnungsstätte eingerichtet werden.

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