Nazi-Propaganda als Livestream

Unter dem Titel „Revolution auf Sendung“ produziert die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ ein eigenes Webradio, das einmal monatlich ausgestrahlt wird. In Anlehnung an die beliebten Podcast-Formate soll auf diese Weise die eigene Ideologie verbreitet werden.

 

Freitag, 09. Februar 2018
Johannes Hartl

Die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“ setzt auf eine neue Strategie, um ihre Ideologie zu verbreiten. Unter dem Titel „Revolution auf Sendung“ produzieren die Aktivisten seit November 2017 einen eigenen Podcast, der einmal pro Monat um 20.30 Uhr über die Plattform „Spreaker“ ausgestrahlt wird. Moderiert wird das Programm von zwei Kadern namens Sepp und Matze, die weder auf der Website noch in der Sendung ihre Nachnamen nennen. Als Gäste konnten sie bislang die Führungskader Tony Gentsch vom „Stützpunkt Vogtland“, Mario Matthes vom „Stützpunkt Pfalz“ sowie Kai-Andreas Zimmermann gewinnen, der den „Gebietsverband Süd“ und den „Stützpunkt Nürnberg-Fürth“ leitet. Diese „prominente“ Gästeauswahl unterstreicht die Bedeutung, welche dem Projekt innerhalb der Partei offensichtlich eingeräumt wird.

Auf besondere Innovation setzen die Betreiber bei ihrem Podcast indes nicht. Neben dem Hauptgespräch mit einem der Interviewpartner werden zwischendurch vor allem einschlägige Lieder abgespielt, einzelne Kampagnen vorgestellt, via Live-Chat Fragen an den „Studiogast“ gestellt und Nachrichten vorgelesen, die zuvor bereits auf der Partei-Website veröffentlicht wurden. So findet sich im laufenden Programm die übliche rassistische Hetze gegen Asylsuchende, gegen den „Gender-Wahn“ oder ein Bericht über eine juristische Auseinandersetzung mit einem politischen Gegner. In den einzelnen Interviews geben die Gesprächspartner jedoch einen offenen Einblick in ihre Weltanschauung und machen keinen Hehl daraus, dass sie ideologisch direkt an die Nationalsozialisten anknüpfen.

Gesundheit des „Volkskörpers“

Der Gesprächsgast Mario Matthes, laut eigenen Angaben im Alter von zwölf Jahren erstmals politisch aktiv geworden, war beispielsweise zum Thema gesunde Ernährung geladen. Matthes kann auf eine lange Karriere in der extremen Rechten zurückblicken. Er war in der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) aktiv, fungierte zeitweise als stellvertretender Landesvorsitzender der NPD-Hessen und zuletzt als Landesvorsitzender der JN Rheinland-Pfalz. In seiner Funktion als NPD-Funktionär hatte er 2009 für Schlagzeilen gesorgt, nachdem er von der Universität Mainz für sechs Monate exmatrikuliert wurde. Anlass für diese Maßnahme war der Angriff auf einen linken Studenten, bei dem er diesen bespuckt und mit Tritten verletzt hatte.

2013 wechselte er dann zum „III. Weg“, wo er inzwischen den Stützpunkt Pfalz leitet. Die Notwendigkeit einer gesunden Ernährung begründete er in dem Podcast nicht etwa mit der persönlichen Gesundheit des jeweiligen Menschen, sondern mit dem Wohl des vermeintlichen Volkes. „Wenn man das Volk als Körper, als etwas Organisches betrachtet, dann sind wir alle einzelne, kleine, winzige Glieder von dem Volksganzen“, beschrieb Matthes seine völkische Position in der zweiten Sendung, die am 11. Dezember ausgestrahlt wurde. „Und je mehr wir uns schwächen, desto mehr schwächen wir auch das ganze Volk.“ Nach dieser Ideologie geht es bei der Gesundheit stets um den „Volkskörper“, nicht um das Wohlbefinden des Individuums. Für Matthes ist das ein „Teil unserer Weltanschauung“.

„Selbstertüchtigung ein Teil unseres politischen Kampfes“

Ganz ähnliche Töne schlug auch Kai-Andreas Zimmermann an, der in der dritten Sendung am 15. Januar als Gesprächspartner zum Thema „Wandern und Sport“ geladen war. Als führender Kader der militanten bayerischen Neonazi-Szene weist er ebenfalls einen typischen Werdegang auf. Nach politischer Betätigung in freien Kameradschaftsstrukturen war Zimmermann zunächst in der NPD aktiv, bevor er diese im Jahr 2007 wieder verließ. Anschließend engagierte er sich abermals in der Kameradschaftsszene, wo er zuletzt Angehöriger des „Freien Netzes Süd“ (FNS) war und sich dort zeitweise als „Anti-Antifa“-Fotograf betätigte. Wegen eines tätlichen Angriffs auf einen Nazigegner in Fürth wurde er 2012 in zweiter Instanz zu einer 13-monatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt, wobei drei Monate wegen einer anderen Strafe in das Urteil eingerechnet wurden. Nach dem FNS-Verbot schloss er sich im Dezember 2014 schließlich dem „III. Weg“ an und ist seitdem dessen führender Aktivist in Bayern. Mittlerweile leitet er den „Gebietsverband Süd“ der Partei, der Baden-Württemberg und Bayern abdeckt.

Im Sport und in der „Selbstertüchtigung“ sieht Zimmermann einen „Teil unserer Weltanschauung“, ja einen „Teil unseres politischen Kampfes“. Dies ist vor dem Hintergrund zu werten, dass der „III. Weg“ dem mittelfränkischen Kader zufolge eine „gesunde Volksgemeinschaft“ propagiere. Zudem äußert sich der Neonazi, der 2016 am rechtsextremen Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“ teilgenommen hat, freimütig über seine eigene Begeisterung für solche Sportarten. Der Kampfsport und die Selbstverteidigung hätten „einen sehr hohen Stellenwert“, so Zimmermann. Als „Nationalist“ sei es „in der heutigen Gesellschaft natürlich enorm wichtig, sich zur Wehr zu setzen und da auch genügend Selbstvertrauen mit einzubringen“ – „sowohl auf der Straße“ als auch wenn man „den schweren Gang“ antreten müsse, auf „staatlich bezahlten Urlaub“ zu gehen.

Programm und Aufmachung für Zuhörer eher abschreckend

Solche radikal-antidemokratischen und völkischen Äußerungen bestimmten das Programm von „Revolution auf Sendung“. Jedes einzelne der Themen wird in dem Podcast unter neonazistischen Gesichtspunkten betrachtet und im Sinne der Ideologie instrumentalisiert, auch bei vermeintlich harmlosen Themen wie Sport oder gesunder Ernährung. Dabei zeigt sich in allen Belangen eine klar anti-individualistische Haltung, die kennzeichnend für die extreme Rechte ist. Das Wohlergehen des Einzelnen ist in dieser Ideologie nicht um des jeweiligen Menschen willens von Bedeutung, sondern ausschließlich zum Wohle des „Volkes“. Für eine persönliche Entfaltung oder für individuelle Bedürfnisse ist folglich kein Platz.

Mit dem eigenen Podcast will „Der III. Weg“ derartige Inhalte auf einem weiteren Kanal verbreiten. Auf lange Sicht sollen so offenbar neue Unterstützer für die Partei gewonnen und deren Inhalte durch das neue Format an eine jüngere Zielgruppe herangetragen werden. Ob das gelingt, dürfte allerdings fraglich sein. Gemessen an den bisherigen drei Sendungen ist offensichtlich, dass weder die Sprecher eine sonderlich radiokompatible Stimme haben noch ihre Sendung kreativ oder selbstironisch aufgebaut ist, um eine junge Zielgruppe tatsächlich ansprechen zu können. Ihr ganzes Programm ist vielmehr von einer bleischweren Ernsthaftigkeit durchzogen, das für externe Zuhörer eher abschreckend als interessant wirken muss.

Neuer Podcast als Plattform für Aktivisten

Selbst in der eigenen Szene gibt es vergleichbare Formate, die sich mehr an den Interessen ihrer potenziellen Zielgruppe orientieren. Der Neonazi Patrick Schröder aus Mantel in der Oberpfalz betreibt etwa mit seinem Portal „FSN“ ein eigenes Web-Radio sowie einen eigenen Live-Streaming-Kanal „FSN TV“, der in regelmäßigen Abständen sendet. Im Gegensatz zum „III. Weg“ bemüht sich Schröder, eine jugendliche Zielgruppe altersangemessen anzusprechen. Dazu bedient er sich verschiedener popkultureller Anspielungen, um der rückwärtsgewandten Szene ein modernes Image zu verpassen. Er selbst brachte dies in einem Gespräch mit „SPIEGEL TV“ folgendermaßen auf den Punkt: „Wenn man mit den Jugendlichen sprechen möchte, dann bringt es nix, wenn ich denen irgendwas vom Zweiten Weltkrieg erzähle, sondern da labere ich mit denen halt über die letzte Simpsons-Folge oder so.“

Der neue Podcast „Revolution auf Sendung“ dürfte deshalb weiterhin ein unbeachtetes Dasein fristen. Es ist kaum davon auszugehen, dass der „III. Weg“ mit dem Programm eine Zielgruppe außerhalb der Szene erreichen oder gar ansprechen wird. Letzten Endes wird sich der Kanal vermutlich auf die Information der eigenen Anhängerschaft beschränken und mit seiner Live-Chat-Funktion eine Plattform für Aktivisten bieten, die Fragen zu anstehenden Aktionen haben oder sich von Führungskadern in ihrer eigenen Ideologie bestätigen lassen wollen.

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