Corona-Pandemie
Naidoo, Wendler und Hildmann: Wie machen die Verschwörungsideologen weiter?
Während der Corona-Pandemie wurden drei Prominente aus Deutschland besonders laut. Die Männer verbreiteten Verschwörungsideologien, äußerten sich antisemitisch und machten mit Rechtsextremisten gemeinsame Sache. Xavier Naidoo und Michael Wendler starten nun ihr Comeback - Letzterer offensichtlich ohne politische Kursänderung.
Was haben Xavier Naidoo, Michael Wendler und Attila Hildmann gemeinsam? Sie sind alle während der Corona-Pandemie zu eifrigen Nutzern des Messenger-Dienstes Telegram avanciert. Nicht nur das, alle drei scheinen sich in dieser Zeit politisch radikalisiert zu haben und etablierten sich als zentrale Akteure und Propagandisten der verschwörungsideologischen Szene in Deutschland.
Reichsbürger-Narrative oder antisemitische Äußerungen waren für Xavier Naidoo bei Pandemie-Beginn dabei kein Neuland. 2009 etwa rappte der Mannheimer Sänger in antisemitischer Manier über einen vermeintlich tonangebenden „Baron Totschild“ und bediente 2011 im ARD-Morgenmagazin die These aus der Reichsbürgerszene, Deutschland sei aufgrund eines mangelnden Friedensvertrages immer noch ein „besetztes Land“.
Musik mit Rechtsextremisten
Seit dem Beginn der Corona-Pandemie schien er sich zudem der QAnon-Ideologie zuzuwenden und behauptete in seinem Telegram-Kanal, satanistische Eliten würden Kinder zur Adrenochrom-Gewinnung quälen. Im Februar 2021 teilte Naidoo dort sogar die antisemitische Hetzschrift der „Protokolle der Weisen von Zion“, welche eine vermeintlich jüdisch-zionistische Lenkung des Weltgeschehens beweisen soll.
Doch beim radikalen Posten auf Telegram blieb es nicht: Naidoo vernetzte sich zunehmend mit Akteuren aus dem rechten bis rechtsextremen Milieu. Bei dem Projekt „Die Konferenz“ tauschte er sich unter anderem mit dem Holocaustleugner Nikolai Nerling („Volkslehrer“) aus. Mit dem rechtsextremen „Kategorie C“-Frontmann Hannes Ostendorf etwa veröffentlichte er Musik. Das Musikvideo zu „Ich mach‘ da nicht mit“ des Kooperationsprojektes „Rapbellions“, welches im Mai 2021 online ging, zeigte einen computeranimierten Bombenanschlag auf ein Impfzentrum in Bremen.
Fans kaufen Tickets – Anklage wegen Volksverhetzung
Seit Mitte des Jahres 2021 zog sich Naidoo zunehmend von etwaigen Online-Aktivitäten zurück. Im April 2022 veröffentlichte er dann aber ein gut dreiminütiges Video auf seinen Social-Media-Kanälen: „Bestürzt“ und „aufgerüttelt“ sei er über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Tatsache, dass seine Frau gebürtige Ukrainerin und ihre Familie direkt von den Auswirkungen des Krieges betroffen sei, habe dazu geführt, „sich selbst zu reflektieren“. Er habe sich „verrannt“ und sich gegenüber Theorien, Sichtweisen und Gruppierungen geöffnet, von denen er sich nun „ohne Wenn und Aber distanziere und lossage.“ Dazu würden insbesondere „rechte und verschwörerische Gruppen“ zählen. Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus seien mit seinen Werten nicht vereinbar, weshalb er diese „auf Schärfste“ verurteile.
Weitere Details nannte Naidoo nicht. Auch nicht, von welchen Theorien oder Sichtweisen er sich genau distanziert. Echte Reue? Das lässt sich somit schlecht beurteilen. Allerdings sind angesichts des seit Jahrzehnten andauernden, mit antisemitischen und verschwörungsideologischen Aussagen gespickten Weges von Naidoo Zweifel angebracht. Seine Fans scheint dies nicht zu interessieren: Ab Mitte Dezember geht er auf Tour, mehrere Konzerte in Deutschland sind bereits ausverkauft, und für Berlin, Hamburg, Köln, Mannheim, München und Oberhausen gibt es Zusatzkonzerte. Derzeit sind am Landgericht Mannheim weiterhin zwei Verfahren wegen Volksverhetzung gegen Naidoo anhängig. Dabei geht es um Inhalte mit antisemitischem Charakter, die über Telegram verbreitet wurden. Seine Anwälte bestreiten die Vorwürfe.
Vergleiche von Lockdowns mit Konzentrationslagern
Der in den USA lebende Schlagersänger Michael Wendler hingegen bekannte erst während der Pandemie politisch Farbe. Er teilte in seinem Telegram-Kanal zum Beispiel Hunderte Beiträge zum antisemitischen QAnon-Verschwörungsglauben. Wendler wiederholte mehrfach die wiederlegte Behauptung, dass es sich bei Joe Bidens Sieg der USA-Präsidentenwahl 2020 um einen Wahlbetrug gehandelt habe. Impfungen bezeichnete er als „Euthanasie“. In einem Beitrag schrieb Wendler von „diesen hebräischen Mistkerlen“, die angeblich „hinter der Regierung der BRD“ stünden – ein klassisch antisemitisches Stereotyp.
Für den Kopp-Verlag, der Bücher zu Esoterik und rechten Verschwörungsmythen publiziert, machte Wendler zudem immer wieder Werbung. Mehrmals verharmloste er auf Telegram den Holocaust, indem er bei Corona-Maßnahmen beziehungsweise -Lockdowns von „KZ Deutschland“ sprach oder Nachrichten anderer Protagonisten weiterleitete, in denen offen von Konzentrationslagern gesprochen wurde. Dies führte unter anderem zu einem Rausschmiss aus der Jury der RTL-Sendung „Deutschland sucht den Superstar“.
„Egal“: Keine Reue von Wendler
Seit einigen Wochen versucht sich der Schlagersänger nun an seinem Comeback. Am 11. September gab er nach rund sechs Jahren Pause auf Mallorca ein Konzert im Party-Komplex „Megapark“. In Deutschland trat er zuletzt am 18. Oktober auf einem Oktoberfest in Leipzig auf. Und seine antisemitischen und verschwörungsideologischen Posts? Hält er scheinbar immer noch für richtig und wahr. „Mir stellen sich die Nackenhaare auf, wenn ich höre 'Jeder hat eine zweite Chance verdient'. Das suggeriert ja, dass ich etwas falsch gemacht habe“, sagte er bei einer digitalen Pressekonferenz im Dezember vergangenen Jahres, auf der er ein Konzert in Oberhausen bewarb. Er sei vielmehr ein Opfer, das in seinem „Grundrecht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt“ und zu Unrecht boykottiert wurde. Die Negativschlagzeilen um seine Person seien überwiegend „Missverständnisse und Fehlberichte“ gewesen, behauptete Wendler.
Kein Wunder also, dass er weiterhin auf Telegram aktiv ist. Neben Konzert-Videos und -Ankündigungen sind auf seinem Kanal weiterhin rechte und verschwörungsideologische Beiträge zu finden. So teilte er in den vergangenen Wochen unter anderem einen Beitrag des Verschwörungsideologen Oliver Janich, einen Spendenaufruf für den rechtsextremen Sender AUF1 oder einen Screenshot der Reaktion von AfD-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel auf den Mord von Charlie Kirk. Ob angeblicher Hochverrat von und Gefängnis für Barack Obama, ein Video des Verschwörungserzählers Alex Jones oder Jubel über die geplante Abschaffung aller staatlichen Impfvorgaben in Florida – Michael Wendler bleibt seiner politischen Linie treu.
Wendler wirbt augenscheinlich für die AfD
Zuletzt gab Wendler, der seit Kurzem vorbestraft ist, dem AfD-nahen Deutschland-Kurier Ende September ein Interview. In dem auf YouTube am 21. September publizierten Video spricht der Sänger nicht nur erneut von einer „Fake-Pandemie“, sondern wirbt augenscheinlich auch für die AfD. Angesprochen auf das Thema Migration antwortete er: „Ich glaube, dass nur noch eine Partei Deutschland wirklich gut tut und Deutschland retten kann. Und alle anderen haben bewiesen, dass sie es nicht schaffen.“ Dabei nickte er lächelnd dem Interviewer zu. Er meine eine Partei, die „noch nicht in politischer Verantwortung war“.
Zum Vergleich zog er den US-Präsidenten Donald Trump heran, der anfangs ebenfalls als „Außenseiter“ nicht ernstgenommen worden sei. In den USA sei die „Stimmung“ aktuell überall „sehr gut“, so Wendler – durch Trump. Angesichts der stark gesunkenen Zustimmungswerte für den US-Präsidenten und dass auf dessen Anweisung seit Monaten demokratische Strukturen abgebaut werden, vermummte Personen Menschen verschleppen oder die Nationalgarde in Großstädte einmarschiert, ist nicht ganz klar, was der Schlagersänger genau damit meinte.
Rasante Radikalisierung: Hildmann ist „stolzer echter Nazi“
Der Kochbuch-Autor und ehemalige „Let’s Dance“-Teilnehmer Attila Hildmann, der Kritikern schon vor der Pandemie gerne drohte, schien sich schon im März 2020 rasend schnell zu radikalisieren. Damals erklärte er auf Telegram, er werde „im Untergrund“ leben, weil „man“ ihn ermorden wolle. Er behauptete, die Demokratie werde bald abgeschafft und „geheime Kräfte“ würden eine „Neue Weltordnung“ errichten. In seinen Narrativen tauchten Überwachung durch Geheimdienste oder „Tempelritter“, Aliens, Satanisten oder Chemtrails auf. Zentrales Element war dabei oftmals Antisemitismus – so behauptete Hildmann, dass Juden die „deutsche Rasse auslöschen“ wollen, dass Hitler „die Deutschen lediglich [habe] schützen“ wollen und dass Hildmann selbst „stolzer echter Nazi“ sei. Im Zusammenhang mit Impfungen sprach er von einer angeblich geplanten Tötung „von sieben Milliarden Menschen“. Hildmann ist außerdem Sympathisant der türkischen Rechtsextremisten von den Grauen Wölfen.
Immer wieder rief der Rechtsextremist sowohl auf Telegram als auch bei Demonstrationen zum Aufstand gegen die Regierung auf. So wurde Hildmann bei der Corona-Demonstration vom 29. August 2020 in Berlin vorübergehend festgenommen, nachdem er in Reden vor dem Reichstagsgebäude gefordert hatte, die Absperrgitter zu entfernen und die Demonstrant*innen zum Reichstagsgebäude durchzulassen. Seit Ende 2020 ist er auf der Flucht und lebt in der Türkei. Gegen Hildmann besteht in Deutschland ein Haftbefehl. Die türkischen Behörden lehnten jedoch die Bitte einer Auslieferung ab.
Leben im Luxus?
Dem Showbusiness hat er mittlerweile den Rücken gekehrt. Auf Telegram ist Hildmann jedoch weiterhin aktiv. Verschiedene Kanäle werden ihm zugeordnet, auf denen er weiter vor allem gegen Juden hetzt. In einer Audioaufnahme begrüßte er dort die Terrorattacke der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel. Auf die Nachricht, dass in Bayern ein Holocaustleugner festgenommen wurde, sagte er am 8. Oktober, dass man wegen der „Juden-Stasi“ in Deutschland vorsichtig sein solle. Seine Telegram-Anhänger*innen, die er „meine Wölfe“ nennt, scheinen Hildmann weiterhin sehr wichtig zu sein: „Telegram ist langweilig ohne eure täglichen Postings, Beiträge, Texte etc.“
Offenbar scheint er Anhänger*innen aber immer wieder bei Telegram-Kanälen zu entfernen – bei der kleinsten Kritik. Das zumindest behauptete ein angeblicher Ex-Mitarbeiter Hildmanns im März dieses Jahres. In einem Video sprach der Ex-Mitarbeiter sichtlich aufgebracht darüber, dass Hildmann „extremen Narzissmus“ aufweise. Hildmann habe ihn bei der türkischen Polizei unter anderem wegen Einbruchs angezeigt, um ihm eins auszuwischen, nachdem der frühere Mitarbeiter ihn kritisiert und sich ein zweites finanzielles Standbein aufgebaut habe. Dabei legte dieser auch offen, dass der frühere Kochbuch-Autor seine Spender*innen und Anhänger*innen bezüglich seiner Ausgaben anlüge und in der Türkei weit über seine Verhältnisse lebe: Attila Hildmann habe „mindestens das Zehnfache an Ausgaben, was ein normaler Mensch hier hat“.