Musikalische Neonazi-Events in Thüringen

Mit dem „Eichsfeldtag“ der NPD am 4. Mai 2013 in Leinefelde läutet die rechtsextreme Szene im Freistaat ihre Rechtsrock-Saison ein. Gegen Proteste vor Ort wird mit teils militanten Einschüchterungsversuchen eine Drohkulisse aufgebaut.

Freitag, 26. April 2013
Kai Budler

Als die Anmeldung zum dritten „Eichsfeldtag“ 2013 beim zuständigen Landratsamt einging, war die zweite Auflage des Rechtsrock-Konzerts im thüringischen Leinefelde gerade mal acht Wochen her. Bei strömendem Regen hatten knapp 1000 Personen das Konzert mit vier Bands und einem Liedermacher aus der rechtsextremen Szene sowie Rednern der NPD besucht. Die Polizei registrierte 29 Straftaten, davon rund zwei Drittel wegen des Verwendens von Zeichen verfassungswidriger Organisationen.

Das Neonazi-Event im ländlich geprägten Eichsfeld ist das jüngste der drei Rechtsrock-Open-Airs im Freistaat. Doch schon beim zweiten Mal hatte es die NPD-Veranstaltung im Nordwesten Thüringens landesweit an die Spitze geschafft und damit das „Rock für Deutschland“ und den „Thüringentag der nationalen Jugend“ hinter sich gelassen. Am 4. Mai plant die NPD Eichsfeld um den mehrfach verurteilte Thorsten Heise die dritte Auflage des „Eichsfeldtages“ als „erste nationale Großveranstaltung“ in diesem Jahr.

Bandlogo mit Wolfsangel und SS-Runen

Nachdem sie bereits bei der Premiere 2011 gespielt hatte, steht die vor zehn Jahren gegründete Band „Words of Anger“ aus Ostholstein erneut auf der Bühne in Leinefelde. Ihr Sänger hatte schon 2006 in einem Interview freimütig bekannt: „Also ich sehe die Musik wirklich als unberechenbare Waffe und als die beste Propaganda, die es gibt“. Die Lücke der anfangs angekündigten Band „Faust“ füllt nun die Rechtsrock-Formation „Strafmass“ aus Bremen. Sie spielt seit 2008 auf einschlägig bekannten Konzerten und garnierte ihren Namen in ihrem ersten Bandlogo mit Wolfsangel und SS-Runen. Ihre Mitglieder werden zu den Initiatoren einer Bremer Neonazi-Gruppierung mit dem Namen „Combat 18 – Terrormaschine“ gezählt – unter anderem stand die Band im August 2009 bei einem Konzert des in Deutschland verbotenen „Blood&Honour“-Netzwerks in den Niederlanden auf der Bühne.

Auch „Sleipnir“ aus Nordrhein-Westfalen, die am 4. Mai ebenfalls in Leinefelde spielen soll, ist keine unbekannte Band in der deutschen Rechtsrock-Szene. Sie kann bereits auf eine mehr als 20-jährige Geschichte zurückblicken. Schon die erste Sleipnir-CD „Mein bester Kamerad“ war wegen Volksverhetzung beschlagnahmt worden, denn der Text hetzte „in menschenverachtender Weise gegen Ausländer (…), indem er sie zu Parasiten herab würdigt, die kein Recht hätten, in Deutschland zu leben“, heißt es in der Verbotsverfügung. Mit ihren Textversatzstücken aus Rassismus, Sozialneid und NS-Bezug ist „Sleipnir“ aber offenbar nicht nur in der Neonazi-Szene eine feste Größe, sondern findet auch Zuhörer jenseits der extremen Rechten, wie im vergangenen Jahr die Abschlussfeier eines Jahrgangs der Realschule im rheinland-pfälzischen Kirchberg zeigte. Dabei sang der Schulchor in der Stadthalle mit dem Segen von Lehrern und der Schulleitung das Sleipnir-Lied „Verlorene Träume“.

Im Eichsfeld teilen sich die drei Bands die Bühne mit Rednern aus der extremen Rechten. Angekündigt sind bislang Pierre Krebs vom Thule-Seminar, der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, Patrick Wieschke als Vorsitzender der Thüringer NPD und Thorsten Heise selbst. Wieschke und Heise waren schon im letzten Jahr ans Mikrofon getreten.

Ordnungsamt will keine Spruchbanner gegen Nazifest

Gegen das Rechtsrock-Event hat vor Ort das kürzlich gebildete „Eichsfelder Bündnis gegen Rechts“ seine Arbeit aufgenommen. Doch nicht nur das bevorstehende Neonazi-Treffen, auch die Haltung der Stadtverwaltung bereitet dem Bündnis Kopfzerbrechen. In einer Kunstaktion sollten ursprünglich ab dem Vorabend rund um den Sportplatz zwei Tage lang Banner mit Zitaten aus dem Grundgesetz hängen. Doch anders als geplant, werden die Besucher des Rechtsrock-Konzerts Grundsätze wie „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nicht zu sehen bekommen. In seinen Auflagen beschränkt das zuständige Ordnungsamt den Zeitraum für die „Sondernutzung“ auf vier Stunden des Vortages, die Banner sollen am Freitagabend um 20.00 Uhr verschwunden sein.

Die Auflage ist wie eine Ohrfeige für das Bündnis, denn nach den ersten zwei Veranstaltungen drohen eine Etablierung des Konzerts und steigende Besucherzahlen. Besonders in der ländlichen Region zieht die Mischung aus Familienfest mit Hüpfburg für Kinder und Rechtsrock offenbar. Die Gegendemonstration im vergangenen Jahr wurde von einem Anwohner hingegen mit Hitlergruß bedacht. Die Folgen vor Ort beschäftigen auch Stephan Freitag vom Bündnis „No Heimat“, das wie das „Bündnis gegen Rechts“ am 4. Mai zu einer Demonstration in Leinefelde aufruft. Er befürchtet, „dass auf diesem Konzert mit den ganzen Rechtsrock-Bands gezielt Jugendliche abgegriffen werden für die rechte Szene, wo dann auch organisierte Kameradschaften versuchen, sie einzubinden“. In den letzten zwei Jahren seien die extrem rechten Aktivitäten bereits gestiegen, sagt Freitag, und weiß auch von Einschüchterungsversuchen gegenüber Andersdenkenden zu berichten. Zum Beispiel am 1. Mai 2012, als Neonazis mit einem Transparent „Freie Kräfte Eichsfeld“ das Fest zum Tag der Arbeit in Leinfelde gestört hatten. Vier Tage später wurde ihnen auf dem „Eichsfeldtag“ von der Bühne ausdrücklich für ihr Engagement gedankt.

Angriffe auf zivilgesellschaftliche Einrichtungen

Auch für Neonazi-Gegner in Kahla südlich von Jena sind Einschüchterungsversuche nichts Neues. Den rund 7000 Einwohnern der Kleinstadt steht am 15. Juni dieses Jahres der „12. Thüringentag der nationalen Jugend“ bevor und dies hinterlässt schon im Vorfeld Spuren. Ende März wurden die Scheiben eines Gebäudes eingeworfen, das den Verein „Täglich-Brot-Insel“ beheimatet. Der Verein unterstützt das zivilgesellschaftliche Engagement gegen das bevorstehende Rechtsrock-Konzert und war bereits zwei Wochen zuvor zum Ziel rechtsextremer Einschüchterungsversuche geworden. Bei einer internen Beratung von Kahlaer Vereinen über Proteste gegen den „Thüringentag“ versuchten ortsansässige Neonazis ihren Hegemonieanspruch durch demonstrative Anwesenheit zu behaupten, erklärt Stefan Heerdegen von der Mobilen Beratung in Thüringen (MOBIT).

Mitte April klirren in Kahla erneut Fensterscheiben, als der einen Tag vorher eröffnete „Demokratieladen“ angegriffen wird. Die Einrichtung ist eine Initiative der Zivilgesellschaft vor Ort und soll das demokratische Klima in der Stadt fördern, kurz vor dem Angriff hatten sich Neonazis auf der Homepage des „Thüringentages“ über die Einrichtung des Demokratieladens lustig gemacht. Bereits am Morgen vor der Eröffnung waren auf der Straße vor dem Haus und vor dem Rathaus Parolen wie „Freiheit für Wolle“ aufgetaucht, die sich auf den mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben beziehen. Auch bei dem auf die Eröffnung folgenden Aktionstag auf dem Marktplatz in Kahla versuchten Neonazis immer wieder, Anwesende einzuschüchtern, berichtet Heerdegen. Für ihn sind die Ereignisse Teil einer Drohkulisse, um die Beteiligung an den geplanten Protesten gegen das Rechtsrock-Konzert zu unterbinden.

Open Air-Konzerte füllen die Kassen

Neben dem unvermeidlichen Frank Rennicke sind für den musikalischen Teil des „Thüringentags“ bislang die Thüringer Band „Hermunduren“ und „Priorität 18“ angekündigt. Die Dresdner Formation um den langjährig aktiven Neonazi Maik Müller vom „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ spielt nicht nur in ihrem Namen mit dem Zahlencode „18“ für die Initialen von Adolf Hitler. Auch in ihrem gleichnamigen Lied heißt es „Priorität 18 – Lasst Eure Fahnen wehn. Priorität 18 – Zu alten Werten stehn”. Verantwortlich für das Neonazi-Event sind Steffen Richter und Ringo Köhler vom „Freien Netz Saalfeld“ sowie David Buresch vom „Freien Netz Kahla“. Neben der braunen Erlebniswelt füllen die Open Air Konzerte auch die klammen Kassen der Neonazis: allein bei den zwei „Thüringentagen“ in Sondershausen 2008 und 2011 beliefen sich die Eintrittsgelder auf insgesamt 14 700 Euro.

Die Gelder sind auch für den Landesverband der NPD in Thüringen eine willkommene Finanzspritze: die landesweit drei Open Air Konzerte brachten dem Landesverband 2011 nach eigenen Angaben 21 385 Euro ein. Darin enthalten sind auch die Erlöse aus dem Rechtsrock-Konzert „Rock für Deutschland“, das seit 2003 von Gordon Richter in Gera organisiert wird. Der gelernte Dachdecker ist 2009 für die NPD in den Rat der Stadt Gera eingezogen, im selben Jahr zählte er beim „Rock für Deutschland“ knapp 4000 Besucher, die vor allem den ersten Auftritt des Sängers der „Lunikoff -Verschwörung“, Michael Regener, nach seinem Haftaufenthalt sehen wollten. Auch in diesem Jahr sollen Regener und Co am 6. Juli Neonazis nach Gera ziehen. Bislang ist außerdem die Band „Frontfeuer“ aus Brandenburg angekündigt, die im Jahr 2009 ihre erste CD produzierte.

„Politisches Fest der Nationalen“

Als sei der Rechtsrock-Dreier in dem Freistaat nicht genug, exportieren Thüringer Neonazis ein weiteres Open Air Konzert mit dem Namen „In Bewegung“ ins benachbarte Sachsen-Anhalt. Für die „Großveranstaltung in Sangerhausen“ zeichnet Patrick Weber verantwortlich, er ist Mitglied im Thüringer NPD-Landesvorstand, sitzt für die NPD sowohl im Kreistag des Kyffhäuserkreises als auch im Stadtrat von Sondershausen und betreibt dort den extrem rechten „Germania Versand“. Der gelernte Maler und Lackierer bewirbt sein Konzert als „politisches Fest der Nationalen“ und listet neben sich selbst bislang vier Redner auf, darunter der ehemalige Vorsitzende der 1994 verbotenen „Wiking-Jugend“, Wolfram Nahrath.

Beim Musikprogramm wird wie beim „Thüringentag“ der Barde Frank Rennicke angekündigt, einziger weiterer Act ist bislang die 1989 gegründete Rechtsrock-Formation „Kraftschlag“. Sie gilt als eine der bekanntesten Bands in der rechtsextremen Szene, ihr Frontmann Jens Uwe Arpe mit Wurzeln im „Blood&Honour“-Netzwerk zählt zu den aktivsten Musikern des deutschen Rechtsrocks. Auch das neue braune Event trägt dazu bei, besonders im ländlichen Raum demokratische Werte weiterhin in die Defensive zu drängen, wie das  MOBIT-Team bilanziert. Rund um die Großveranstaltungen entstehen faktisch „national befreite Zonen“, die im vorpolitischen Raum menschenfeindliche Positionen schüren und verstärken.

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