München: Gartenfeier mit dem Rechtsterroristen

„Heil-Hitler“-Begrüßungen, militante Gäste und Angriffe auf Journalisten: Bei einer „Gartenfeier“ im „Braunen Haus“ in München Obermenzing versammelten sich die Führungskader der bayerischen Neonazi-Szene. Trotz harmlos aufgemachter Einladung, warfen die Neonazis ihr Pseudo-Image schnell über Bord und traten offen aggressiv auf. Auch Martin Wiese hat sich wieder eine Strafanzeige eingefangen: Er griff ein vorbeifahrendes Auto an.
Von Felix Benneckenstein und Johannes Hartl
Auf diese Einladung hätten die „echten Nachbarn“ der Nazi-WG in München-Obermenzing gerne verzichtet: Für den 20. Juli haben die Neonazi-Aktivisten Vanessa Becker, Daniel Thönnessen und Franz Sedlbauer zu einer „Gartenfeier“ in die von ihnen bewohnte Immobilie in der Carl-Hanser-Straße 42 geladen. Die Einladung war zuvor auch in den Briefkästen der Nachbarn gelandet. Der Flyer wirkte dabei harmlos und unscheinbar, auf dem Programm stand „Kinderschminken“ ebenso wie „Gartenspiele“, Bilder von einem Spanferkel und badenden Kindern sollten den harmlosen Anschein weiter untermauern.
Mit der Realität hatte das auf den Einladungen transportierte Bild allerdings wenig zu tun: Das Haus war mit von außen gut sichtbaren Alarm- und Überwachungssystemen ausgestattet, eine provisorisch angebrachte Überwachungskamera scannt die gesamte Einfahrt – und auch die Spuren der bayernweiten Großrazzia gegen Angehörige des Neonazi-Netzwerks „Freies Netz Süd“ (FNS) vor rund einer Woche waren noch gut ersichtlich.
Die tatsächlich erschienenen „Gäste“ kamen schließlich weder aus der Carl-Hanser-Straße, noch aus Obermenzing, noch aus dem Großraum München: Immer wieder fuhren Autos mit Kennzeichen aus Franken, Niederbayern und anderen Regierungsbezirken vor. Innerhalb kürzester Zeit hat sich in Obermenzing die Führungsriege der bayerischen Neonazi-Szene versammelt. Neben dem FNS-Führungskader Norman Kempken, Matthias Bauerfeind und Roy Asmuß tauchten auch die beiden als Rechtsterroristen verurteilten Neonazis Martin Wiese und Karl-Heinz Statzberger zu der „Feier“ in München-Obermenzing auf.
Obwohl mit der Einladung ein bürgerlicher Anschein erweckt werden sollte, konnten die Neonazis ihrem selbstgewählten Bild nicht lange gerecht werden: Bereits zwei Stunden nach Beginn der Feier kam es zu Übergriffen, eine anwesende Journalistin wurden von dem bekannten Neonazi-Aktivisten Lorenz Maierhofer mit Schubsen und Tritten an der Berichterstattung gehindert. Zuvor begrüßten sich die seit 13.30 Uhr eintreffenden Neonazis hörbar mit dem verbotenen Ausspruch „Heil-Hitler“ – die Polizei schritt jedoch nicht ein. Auch als die Beamten später unter Zuhilfenahme eines Videos auf die Situation aufmerksam gemacht wurden, wurde – trotz eindeutiger juristischer Lage – nichts unternommen. Die Neonazis konnten weiter ungestört ihr Fest feiern, der Alkohol floss inzwischen in Strömen.
Nachdem die Neonazis zusehends gegen Journalisten vorgegangen sind, agierte die Polizei erneut fragwürdig: Anstatt dem brutalen Treiben der rechten „Partygäste“ Einhalt zu gebieten, bildeten die Beamten eine Kette und drängten Berichterstatter gezielt zurück. Hierbei handelt es sich inzwischen bayernweit um eine Strategie, die auch Neonazis bekannt ist. Umso heftiger sie Journalisten attackieren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Polizei in Journalisten ein Sicherheitsrisiko sieht und sie dem Platz verweist. Damit können Journalisten keine verbotenen Lieder, Parolen, Tätowierungen oder Sprüche mehr dokumentieren – Neonazis müssen deshalb seltener Anzeigen und Strafverfahren fürchten. Dass die Polizei darauf auch noch eingeht, ist unverständlich und nicht nachvollziehbar.
Als der Infostand von „München ist bunt“ gegen das Nazi-Event um 18.30 Uhr schließlich endete, sah die Polizei offensichtlich trotz des Wissens um die Gefährlichkeit der anwesenden Personen keine Gefahrenlage mehr vor Ort. Anders lässt sich nicht erklären, was sich gegen 21.
09 Uhr abgespielt hat: Ein Auto mit zwei Journalisten und einem Fotografen wollte sich nochmals ein Bild vom weiteren Verlauf der Versammlung machen. Zu dieser Zeit spielten am Zufahrtstor zwei Kinder, laute Nazi-Musik ertönte aus dem Garten.
Trotzdem war zu diesem Zeitpunkt kein einziger Polizist mehr vor Ort, die Veranstaltung wurde nicht weiter begleitet. Kein geringer als Rechtsterrorist Martin Wiese bewegte sich derweilen auf die Mitte der Fahrbahn zu – mit der klaren Gestik, das Fahrzeug stoppen zu wollen. Dem Fahrer blieb keine andere Möglichkeit, als ein riskantes Ausweichmanöver zu fahren – dieses hätte ohne weiteres auch im Straßengraben enden können. Als es das Fahrzeug an Wiese und seinem Begleiter vorbei schaffte, versuchte Wiese einen erneuten Angriff und wollte mit seinem Fuß in das offene Fahrzeugfenster treten. Erst ab diesem Moment schenkte die Münchner Polizei der Nazi-Veranstaltung überhaupt richtige Aufmerksamkeit. Unterdessen haben die Fahrzeuginsassen Anzeige gegen Wiese erstattet.
Es bleibt, wie in der letzten Zeit leider in München immer häufiger, ein bitterer Beigeschmack, was das polizeiliche Vorgehen betrifft. Während es in der Vergangenheit in der Regel nur mühsam für Journalisten und Gegendemonstranten war, mit der Polizei zu kooperieren, wurde hier durch den Abzug aller (!) Einsatzkräfte nachweislich Leib und Leben von Nazi-Gegnern riskiert – und die Situation vor Ort offenbar völlig unterschätzt.
Wenngleich die Neonazis mit ihrer Einladung einen harmlosen Anschein erwecken wollten und gezielt auf Anwohner zugegangen sind, hatte ihre Strategie letztlich keinen Erfolg. Tatsächliche Anwohner sind nicht erschienen, viele beteiligten sich allerdings an einem Info-Stand von „München ist bunt“ in unmittelbarer Nähe der Neonazi-Immobilie. Die Strategie der Szene, nach Vorbildern in den neuen Bundesländern gemeinsam mit Bürgern Feste auszurichten und sich als nette, unscheinbare, harmlose Nachbarn darzustellen und dadurch klammheimlich ihre neonazistische Ideologie zu verbreiten, ist also gescheitert. Dafür haben die Neonazis in München unverhohlen ihre Aggressivität unter Beweis gestellt.
Die Fotos und das Video sind urheberrechtlich geschützt. (C) Felix Benneckenstein.
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